Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 1085 St. Katharinen 1659, 1667

Beschreibung

Epitaph des Heinrich Schrader und der Margaretha Remmers. Holz, in Weiß, Gold und Schwarz gefaßt, Ölgemälde. Das vielteilige, reich verzierte Epitaph ist in eine mittlere Achse und zurückspringende Seitenachsen untergliedert. In der mittleren Zone der Mittelachse, die von zwei Säulen begrenzt wird, ein oben rundbogig abgeschlossenes Relief der Kreuzigung, in den Zwickeln darüber zwei Engelsköpfe. An dem Gesims über dem Mittelteil waren früher zwei Wappen angebracht, die heute fehlen.1) In der Zone darüber ebenfalls von zwei Säulen eingefaßt ein Relief der Auferstehung. Auf den zurückspringenden seitlichen Teilen des Epitaphs in der unteren, außen durch eine Säule begrenzten Zone zwei ebenfalls rundbogig abgeschlossene Reliefs übereinander, sowie in der oberen Zone jeweils ein weiteres Relief: links von unten nach oben die Verkündigung, die Geburt Christi und die Darbringung im Tempel, rechts von unten nach oben die Ölbergszene, die Geißelung und die Kreuztragung. Vor allen Sockeln der Säulen große Engelsköpfe. In der Bekrönung ein oben rundbogig abgeschlossenes Relief, das die Himmelfahrt Christi zeigt. Links und rechts außen sowie oben über dem Relief eine Engelsfigur. Unterhalb des Mittelteils seitlich je ein kleineres und in der Mitte ein größeres Ölgemälde: in der Mitte drei Männer und drei Frauen, die alle durch ein Kreuz über dem Kopf als verstorben bezeichnet sind, links zwei ebenfalls als verstorben bezeichnete Männer, rechts zwei Frauen, von denen eine als verstorben bezeichnet ist. Es handelte sich hierbei um die Eltern und Brüder des Heinrich Schrader, um ihn selbst, seine Ehefrau und ihre Kinder.2) Die Gemälde sind mit der Inschrift A im mittleren Bild signiert. Darunter in der mittleren Zone auf einer von Rankenwerk umgebenen Kartusche in zwei Spalten die Inschriften B und C in Gold auf schwarzem Grund. Die Inschrift B ist am linken Rand teilweise nicht mehr sicher zu lesen. Unter der Kartusche ein Engelskopf. Vor dem Gesims oberhalb des mittleren Gemäldes eine kleine von Rankenwerk eingefaßte Kartusche mit der Inschrift D auf einem Schriftband, darüber Zirkel sowie weiteres Werkzeug als Zeichen des Bildhauers.

Inschrift B ergänzt nach der Sammlung Sack.

Maße: H.: ca. 450 cm; B.: 220 cm; Bu.: 1 cm (A–C), 0,5 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis (A, D), Kapitalis mit Minuskeln und Versalien (B), Fraktur mit Kapitalis (C).

Jutta Brüdern, Braunschweig [1/3]

  1. A

    A(NNO) / 1659 / A : P : / FECIT .

  2. B

    D(OCTOR) HENRIC(US) SCHRADERIC(US) / [CONS]IL(IARIUS) JNTIM(US) ET CANCELLARI(US) / [SEREN(ISSIMI)] DUCIS BR(U)NSVIC(ENSIS) et LUNEBURG(ENSIS) / [P(RAE)POSIT(US)] CAPIt(ULI) CIJRIACI HAERED(ITARIUS) / IN Sict / [NAT(US)] 9 . OCtOB(RIS) A(NN)O 1601 MORITUR / 〈 – – – 〉 / [M]ARGARETHA REMMERS NAtA XXI / OCTOB(RIS) 1601 · DENATA X DIE MAIJ 1667 / AETATIS LXV ANNOS VI MENSES / XX DIES

  3. C

    Die wolledle HochEhr vndt Tugendreiche / frawe Margareta Remmers des HochEhrwürdig / HochEdlen vesten vndt Hochgelahrten Herrn / D(octoris) HENRICI SCHRADERS vornehmen J(uris) C(onsul)tia) / Fürst(lich) Br(aunschweigisch) Lüneb(urgischen) geheimten Raht vnd Cantz/ler des Fürstenthumbs Dannenberg Preposi(ti) / des stiffts Cyriaci in Br(aunschweig) Erbgesesen zu Sickte / Eheliebste ist gebohren den 21 Octob(ris) 160[1] / gestorben den 10 · May 1667 ihres / alter LXV Jahr VI · Monaht / XX tage

  4. D

    HERMAN SCHELLER / BILTHAUWER · 1659 · / HAT DIS EPITAPHIUM VERFERTIGET

Übersetzung:

A(nton) P(ickard) hat (dies) gemacht. (A)

Doktor Heinrich Schrader, Geheimer Rat und Kanzler des erlauchten Fürsten von Braunschweig-Lüneburg, Propst des Stiftes St. Cyriaci, Erbgesessener zu Sikte, wurde am 9. Oktober im Jahr 1601 geboren und starb ... Margaretha Remmers wurde am 22. Oktober 1601 geboren, sie starb am 10. Tag des Mai 1667 im Alter von 65 Jahren, sechs Monaten und 20 Tagen. (B)

Wappen:
Schrader3)Remmers4)

Kommentar

Der in der Inschrift D genannte Bildhauer des Epitaphs, Hermann Scheller, stammte aus Braunschweig. Nach Meier war Heinrich Schrader 1661 und 1662 der Taufpate zweier Kinder Schellers; es scheint also eine engere Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Künstler des Epitaphs bestanden zu haben.5) Bei dem in der Inschrift A genannten Maler handelt es sich wohl um den 1641 aus Halberstadt nach Braunschweig übergesiedelten Anton Pickard, der sich später in den Rechnungen der Katharinenkirche nachweisen läßt und in der Wilhelmstraße ansässig war.6)

Heinrich Schrader war der Sohn des Braunschweiger Bürgermeisters Henning Schrader und der aus Einbeck stammenden Anna Raven. Er immatrikulierte sich 1619 an der Universität Wittenberg, 1622 an der Universität Jena, 1624 an der Universität Leiden und 1625 an der Universität Leipzig.7) Im Jahr 1625 unternahm er eine Bildungsreise durch Brabant, Flandern, England und Frankreich. Am 17. September 1630 promovierte er an der Universität Helmstedt zum Doktor der Rechte.8) Einen Monat zuvor hatte er Margaretha Remmers, die Tochter des Braunschweiger Ratsherrn Henning Remmers, geheiratet;9) nach deren Tod im Jahr 1667 heiratete er 1668 Elisabeth Dorothea Eggeling. Seit dem Jahr 1647 fungierte er als Propst des Stiftes St. Cyriaci.10) Als Rat der Braunschweiger Herzöge nahm Heinrich Schrader an den Friedensverhandlungen nach dem Dreißigjährigen Krieg in Münster und in Osnabrück teil. Er starb am 22. April 1672.11)

Das Epitaph entstand schon zu Lebzeiten Schraders und seiner ersten Ehefrau. Deren Grabschrift wurde anders als das Todesdatum ihres Ehemannes später nachgetragen. Schon im Jahr 1657 traf Schrader Vorkehrungen zur Einrichtung des Begräbnisses für sich und seine Frau in St. Katharinen. Die Grabstellen sollten entweder mit einer Doppelgrabplatte oder zwei Einzelgrabplatten bedeckt sein. Das von ihm für die Einzelgrabplatten vorgesehene Maß von 8,5 x 4,25 Fuß widersprach jedoch der Kirchenordnung von St. Katharinen, die nur eine Größe von 8 x 4 Fuß zuließ. Schrader einigte sich mit den Vorstehern von St. Katharinen auf die Zahlung von 400 Talern für die beiden Grabstellen und erhielt zusätzlich die Genehmigung, ein Epitaph in der Kirche anbringen zu lassen. Das Epitaph wurde am 24. November 1659 an einem Pfeiler in der Katharinenkirche aufgehängt, jedoch nicht – wie die Vorsteher am Tag darauf feststellten – an dem dafür vorgesehenen zweiten Pfeiler von der Kanzel aus, sondern an dem Pfeiler neben der Kanzel. Hiergegen protestierten die Vorsteher noch am selben Tag in einem Schreiben an Schrader. Sie erkärten darin, daß man den Kirchenvorstehern nun den berechtigten Vorwurf machen könnte, sie hätten ihre Aufsichtspflichten verletzt und Ihnen diese Sache über den Halß ziehen laßen, und dem Cantzler, mit setzung des Epitaphii seinen eigenen willen gegönnet, der dann damit gebähret, alß ob er die herrn zu weichbilde wenig achtete, unnd sich nicht anders angestellet, gleichsam die Catherinen Kirche keine Inspectores oder Vorsteher hette, und etwa auffm dorffe zu Sickte gelegen were, das der Cantzler Schrader eigenes gefallens und ohngescheuet darin thun und bauen mügte wie er wolle. Als Vorschlag zur Güte boten sie Schrader an, das Epitaph an diesem Platz hängen zu lassen, wofür Schrader der Kirche bereits jetzt die 100 Taler zahlen sollte, die er der Kirche nach seinem Tod zugesagt hatte. Schrader weigerte sich zunächst, auf diesen Vorschlag einzugehen und verdächtigte verschiedene Leute, eine Intrige gegen ihn angezettelt zu haben. Zugleich drohte er mit seiner gesellschaftlichen Position, die er nützen wollte, um sich durchzusetzen. Die Auseinandersetzung zwischen Schrader und dem Kirchenvorstand zog sich über die nächsten Jahre hin. Erst im Jahr 1667 – vermutlich unter dem Eindruck des Todes seiner Ehefrau – erklärte sich Schrader bereit, die 100 Taler an die Katharinenkirche zu zahlen.12)

Textkritischer Apparat

  1. JCti.

Anmerkungen

  1. Angabe in der Sammlung Sack, Nr. 136, Teil 1, p. 263.
  2. Dies geht aus den Anordnungen hervor, die Heinrich Schrader bezüglich der Gestaltung des Epitaphs traf und mit den Vorstehern der Katharinenkirche abstimmte. Sta Braunschweig, B IV 11, Nr. 241, fol. 1.
  3. Wappen Schrader (bekrönter Löwenrumpf). Heute nicht mehr vorhanden. Wappenbeschreibungen nach der Zeichnung in der Sammlung Sack, Nr. 136, Teil 1, p. 263. Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 8 u. Tafel 7.
  4. Wappen Remmers (steigendes Einhorn). Heute nicht mehr vorhanden.
  5. Meier, Grabdenkmalkunst, S. 65.
  6. Zu Pickard vgl. Scherer, Röttger, S. 243.
  7. Matrikel Wittenberg, N. R. Bd. 1, S. 225, Nr. 185. Matrikel Jena, S. 293. Matrikel Leiden, Sp. 179. Jüngere Matrikel Leipzig, Bd. 1, S. 413.
  8. Matrikel Helmstedt, Bd. 1, S. 323.
  9. Für Margaretha Remmers ist eine Leichenpredigt überliefert, die jedoch keine weiteren biographischen Einzelheiten enthält. Es wird darin lediglich rühmend erwähnt, daß sie in ihr Haus Waisenkinder aufnahm und diese erzog. Vgl. Roth, Auswertungen, Nr. 2535.
  10. Döll, Kollegiatstifte, S. 145.
  11. Angaben nach der Leichenpredigt, Roth, Auswertungen, Nr. 1883.
  12. Sta Braunschweig, B IV 11, Nr. 241.

Nachweise

  1. Sammlung Sack, Nr. 136, Teil 1, p. 19 (B–C) u. p. 263 (B–C).
  2. Meier Kunsthandwerk, S. 90 (A, D), Abb. 128.
  3. Scherer, Röttger, S. 235ff. (A, D).
  4. Abb.: Meier, Grabdenkmalkunst, S. 65.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 1085 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0108502.