Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 783 St. Martini 1624

Beschreibung

Glocke, sogenannter ‘Adler’. Die Inschrift A verläuft durch Stege getrennt zweizeilig um die Glockenschulter, ober- und unterhalb der Inschrift Ornamentstreifen. Auf dem Mantel einander gegenüberliegend das Stadtwappen und das Reichswappen, dazwischen beidseitig ein Kreuz aus Ornamentstreifen. Darunter verläuft zwischen Stegen die Inschrift B auf der einen und die Inschrift C auf der anderen Seite des Mantels. Die Inschriften sind durch Ornamentstreifen voneinander getrennt. Die Inschrift D, die von einem Glöckchen unterbrochen wird, verläuft um den Schlagring. Die Inschriften sind aus mit Modeln hergestellten Wachstäfelchen für die einzelnen Buchstaben zusammengesetzt, deren Umrisse zu erkennen sind.

Maße: H.: 157 cm; Dm.: 205 cm; Bu.: 3,8 cm (A), 3,4 cm (B), 2,4 cm (C), 2,1 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/3]

  1. A

    ANNO MDCXXIV MENSE NOVEMBRI AES CAMPANUM HOC EX COLLECTIS CIVIUM VETERIS CIVITATIS IN BRUNSWICK CONFLARI CURARUNT HENNIGUS / HABERLANDIUS CONRADUS HILDEBRANDUS1) P(RAESENTIS) T(EMPORIS) CO(N)S(ULE)S ADRIANUS AB HORN2) CAMERARIUS ET HENRICUS SMALIAN[U]Sa) HUIUS AEDIS ANTISTES

  2. B

    HAEC CAMPANA TUIS QUANDO INSONAT AURIBUS ORA

  3. C

    VERLEIHE VNS FREDEN GNEDIGLIG HERR GODT ZV VNSERN ZEITEN 3)

  4. D

    CARMINIBVS TV ALIIS SIb) DIGNVS ES ESQVEc) CANENDVS CARMINE QVO POSSVM TE CANO MVSAd) REFERT BLASIVS HEMONI P(ETER)e) H(EMONI) ET STEPHANVS HENRICI N(ICOLAVS) G(OMON) ME FECERVNT

Übersetzung:

Im Jahr 1624 im Monat November haben Henning Haberland (und) Konrad Hildebrand, derzeit amtierende Bürgermeister, Adrian von Horn, Kämmerer, und Heinrich Schmalian, Vorsteher dieser Kirche, dafür gesorgt, daß diese Glockenbronze aus Spenden der Bürger der Altstadt in Braunschweig zusammenfloß. (A)

Wenn diese Glocke in deinen Ohren erklingt, bete! (B)

Wenn du auch anderer Lieder würdig bist und im Lied zu besingen, ich besinge dich wie ich kann, die Muse läßt es widerhallen. Blasius Hemoni, Peter Hemoni und Stefan Henrici (und) Nikolaus Gomon haben mich gemacht. (D)

Versmaß: Ein Hexameter (B), ein elegisches Distichon (D). Das Chronogramm der Inschrift C enthält die Jahreszahl 1624.

Wappen:
Stadt BraunschweigDeutsches Reich4)

Kommentar

Die beiden Glockengießernamen in Inschrift D können anhand der den Glockenguß betreffenden Quellen ergänzt werden. Diesen ist zu entnehmen, daß bei dem Trauergeläut für den 1613 verstorbenen Herzog Heinrich Julius mehrere Glocken von St. Martini und St. Andreas zersprangen, die umgegossen werden mußten. Nach der in der Inschrift A erwähnten Kollekte beauftragte der Rat die in der Inschrift D genannten Lothringer Gießer mit dem Guß zweier Glocken für St. Martini, von denen eine durch ihre Größe die Bedeutung der Stadt Braunschweig dokumentieren sollte. Mit der Anbringung des Reichswappens, nach der die Glocke den Namen ‘Adler’ erhielt, wollte man die unabhängige Stellung der Stadt von den Braunschweiger Herzögen betonen. Der ‘Adler’ wurde am 26. November 1624 gegossen. Mit einem Gewicht von 5100 kg war er die weitaus größte Glocke des Landes Braunschweig.5) Die Buchstabenmodeln für die Herstellung der Inschriften wurden aus Sandelholz geschnitzt, das die Apotheke nach Ausweis der Kirchenrechnungen lieferte.6) Der hierfür gefertigte Model des Buchstaben U wies einen links unten an den Bogen angesetzten kleinen Sporn auf, den alle U der Inschriften A und B zeigen.

Textkritischer Apparat

  1. Das Model mit dem Buchstaben U ist ausgefallen, stattdessen eine Leerstelle.
  2. SI] SE Pfeifer.
  3. ESQVE] SEQVE Pfeifer.
  4. TE CANO MVSA] te car ... Sammlung Sack, te canere Schmidt, Lücke bei Pfeifer.
  5. Inschrift durch ein Glöckchen unterbrochen. Nach Pfeifer, Kirchenglocken, S. 103, war es das Meisterzeichen des Peter Hemoni.

Anmerkungen

  1. Zu Konrad Hildebrand vgl. Nr. 807.
  2. Zu Adrian von Horn vgl. Nr. 735.
  3. Kirchenlied, vgl. Wackernagel, Bd. 3, Nr. 35–38, S. 21–23.
  4. Wappen Deutsches Reich (doppelköpfiger Adler).
  5. Zum Glockenguß und zu der in der Inschrift A erwähnten Kollekte vgl. Pfeifer, Kirchenglocken, S. 98–103, u. ders., Die Beteglocke oder der Adler zu St. Martini in Braunschweig. In: Braunschweigisches Magazin 34, 1928, S. 86–92.
  6. Ebd., S. 91.

Nachweise

  1. Sammlung Sack, Nr. 138, Bd. 1, Teil 1 (o. P.); Bd. 3, p. 264.
  2. Schmidt, Martinskirche, S. 41.
  3. Pfeifer, Kirchenglocken, S. 100f.
  4. Hans Pfeifer, Die Beteglocke oder der Adler zu St. Martini in Braunschweig. In: Braunschweigisches Magazin 34, 1928, S. 90 (Zeichnung) u. S. 91.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 783 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0078303.