Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 611 St. Martini 1587

Beschreibung

Grabplatte des Paschasius Brismann. Sandstein. Die hochrechteckige Grabplatte ist heute im Kircheninneren an der Nordwand angebracht. Die Inschrift A verläuft um den Rand der Steinplatte. Im Innenfeld oben zwei Vollwappen, darunter die Inschrift B auf einer von Roll- und Beschlagwerk umgebenen Tafel. In der unteren linken Ecke des Innenfeldes das Meisterzeichen (M8) aus den Initialen (C) des Bildhauers. Die Buchstaben der Inschriften A und B sind erhaben ausgeführt, die der Künstlersignatur eingehauen.

Maße: H.: 215 cm; B.: 105 cm; Bu.: 5,2 cm (A), 4 u. 5,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/1]

  1. A

    ANNO DOMINI . M . D . LXXXVII DEN XX / AVGVSTI IST IN GOT SELIGLICH ENTSCHL AFFEN DER EHRNVEST ACTBAR VND HOCHGE/LERTER HER PASCHASIVS BRISMA/NNVS BEIDER RECHTEN DOCTOR VND DIESER STADT SYNDICV(S)a) DEM GOTT GNEDIG SEI

  2. B

    MARCHIA QVEM GENVIT , NICRIDES / RAPVERE , TENET NVNC / BRVNOPOLIS TRISTES COR/PORIS EXVVIAS / [AT]b) TV QVI TRANSIS SVPREMVM / HVNC DEFER HONOREM , / SI MEREOR LACRYMIS FLOREQVE / SPARGE SOLVM / NEC GRAVE SIT TVMVLIS HAEC / VERBA NOVISSIMA NOSTRIS / DI[C]ERE : BRISMANNIc) MOLLI/TER OSSA CVBENT

  3. C

    GR

Übersetzung:

Den die Mark (Brandenburg) hervorbrachte, haben dunkle Mächte1) geraubt, Braunschweig birgt nun die traurigen Hüllen des Körpers. Aber du, der du vorübergehst, erweise diesem die letzte Ehrerbietung. Wenn ich es verdiene, fließe über vor Tränen und streue Blumen auf den Boden. Es möge nicht beschwerlich sein, bei unseren Gräbern diese letzten Worte zu sprechen: Brismanns Gebeine mögen sanft ruhen. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Wappen:
Brismann2)?3)

Kommentar

Die Initialen der Künstlersignatur stehen für den Bildhauer Georg Röttger. Der aus Schlesien stammende Röttger erwarb am 23. September 1583 in Braunschweig das Bürgerrecht.4) Im selben Jahr heiratete er die Witwe Agneta des Braunschweiger Bildschnitzers Hans Seeck. Röttger ist in der Folgezeit als Bildhauer zahlreicher Werke in den Braunschweiger Kirchen nachzuweisen, die als Inschriftenträger hier verzeichnet sind (vgl. Register 2. s. v. ‘Röttger, Georg’). Die angesehene Stellung Röttgers in der Stadt Braunschweig belegt neben den zahlreichen Aufträgen, die er erhielt, auch seine Mitgliedschaft im Neustädter Rat, dem er seit dem Jahr 1616 bis zu seinem Tod am 14. Oktober 1623 (vgl. sein Epitaph Nr. 777) angehörte.5)

Der aus Perleberg stammende Paschasius Brismann immatrikulierte sich im Sommersemester 1571 an der Universität Wittenberg, im Wintersemester desselben Jahres an der Universität Heidelberg.6) Im Juli 1580 immatrikulierte er sich an der Universität Basel, wo er im August desselben Jahres den Titel eines Doktors beider Rechte erwarb.7) Danach war er als Rat am Kammergericht in Speyer tätig. Dies geht aus einer 1583 verzeichneten Zahlung von 10 Talern hervor, mit der die Stadt Braunschweig Brismann für ein Schreiben über die Reformierung des Kammergerichts entlohnte.8) Als Braunschweiger Syndikus läßt sich Brismann lediglich für das Jahr 1587 nachweisen.9) Er erhielt für seine Tätigkeit in diesem Jahr 600 Taler als Entlohnung. Aus dem Jahr 1586 sind keine Rechnungen der Stadt überliefert; im Jahr 1585 stand Brismann noch nicht in Braunschweiger Diensten, da er in den Rechnungen nicht aufgeführt ist.

Textkritischer Apparat

  1. Möglicherweise wurde die Ausführung des S vergessen.
  2. Die Buchstaben sind nur noch in Umrissen zu erkennen.
  3. Der Name ist durch größere Buchstaben hervorgehoben.

Anmerkungen

  1. Da der Anfang der Grabschrift analog zu der Grabschrift für Vergil Mantua me genuit ... konstruiert ist, müßte NICRIDES eigentlich den Sterbeort bezeichnen. Ein solcher Ortsname läßt sich jedoch nicht nachweisen; zudem ist es wahrscheinlich, daß Brismann in Braunschweig verstarb, wenn er sich zum Zeitpunkt seines Todes nicht gerade auf einer Reise befand.
  2. Wappen Brismann (ein Schwert in der erhobenen Kralle haltender Schwan).
  3. Wappen ? (rechtsschräger Pfeil, die Spitze nach oben).
  4. Zur Biographie und den Werken Röttgers vgl. Scherer, Röttger, S. 10–15, u. Meier, Kunsthandwerk, S. 42–68.
  5. Vgl. Spieß, Ratsherren, S. 189.
  6. Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 200a, Nr. 12; Matrikel Heidelberg, Bd. 2, S. 60, Nr. 107.
  7. Matrikel Basel, Bd. 2, S. 60, Nr. 107.
  8. Sta Braunschweig, B II 1, Nr. 118, fol. 22v.
  9. Ebd., Nr. 121, fol. 23v.

Nachweise

  1. Sammlung Sack, Nr. 138, Bd. 1, Teil 1 (o. P., A, B) u. Teil 2 (o. P., Zeichnung, A, B); Bd. 3, p. 104 (A, B).
  2. Schmidt, Martinskirche, S. 103.
  3. Scherer, Röttger, S. 17.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 611 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0061102.