Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 602 St. Katharinen 1586

Beschreibung

Epitaph der Armgard von Bortfeld. Sandstein, farbig gefaßt. Das mehrteilige Epitaph, das sich durch besondere künstlerische Qualität auszeichnet, hängt an der Westwand des nördlichen Seitenschiffs. Im Mittelteil ein Halbrelief, das die Verstorbene in einer von zwei Pilastern gerahmten Bogennische stehend zeigt. Sie ist als junges Mädchen dargestellt und trägt als Zeichen ihrer Jungfräulichkeit einen Kranz und offene Haare. In den Händen hält sie einen Blumenstrauß und ein Tuch. An einem langen, am Gürtel befestigten Band hängt eine Spindel. Auf den seitlichen Pilastern und auf den Sockeln beidseitig je vier Wappenschilde, dazwischen links die Figur der Spes mit zusammengelegten Händen, rechts Fides mit Kelch und Kreuz. Den äußeren Abschluß bilden weit ausgebuchtete mit Engelsköpfen und Fruchtgehängen besetzte Voluten, die außen in zwei Fruchtgehänge tragenden Pansfiguren enden. Oberhalb des Mittelteils ein Fries mit der Inschrift A, links und rechts der Inschrift je ein Maskenkopf mit herausgestreckter Zunge. Das Gesims darüber trägt einen Aufsatz, dessen Mittelteil ein von Säulen eingefaßtes Relief der Auferstehung Christi bildet; zu beiden Seiten des Reliefs ein Putto mit einer Sanduhr, auf dem Fries darüber die Jahreszahl B, im Giebel ein Engelskopf. Den unteren Abschluß des Epitaphs bildet eine von Beschlag- und Rollwerk eingefaßte Kartusche mit der Inschrift C. Links und rechts davon je ein großer Löwenkopf, unterhalb der Inschrift ein Frauenkopf. Das Künstlerzeichen (M6) mit den Initialen des Bildhauers (D) befindet sich oberhalb der linken Pansfigur. Alle Inschriften sind erhaben ausgeführt und in goldener Farbe hervorgehoben.

Maße: H.: 360 cm; B.: 197 cm; Bu.: 5 cm (A), 6 cm (B), 2,5 cm (C), 4,5 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis.

Jutta Brüdern, Braunschweig [1/3]

  1. A

    CHRISTVS · IST · MEIN · LEBEN / STERBEN · IST · MEIN · GEWIN · PH : 1 a) 1)

  2. B

    · 15 · 86 ·

  3. C

    ANNO · D(OMI)NI · 1585 · AM · SONTAGE · EXAVDI / WELCHER · WAR · DER · 23 · MAY · MITTAGES / VMB · 11 · VHR · IST · DIE · EDLE · EHR · VND · THV=/GENTREICHE · IVNCKFER · ARMGART · VON · / BORTFELDE · IN · GOT · SELICH · ENTSLAFEN

  4. D

    W Hb)

Wappen:
Bortfeld2)Klüver3)
Bervelde4)Hauß5)
Garssenbüttel6)Klüver3)
Saldern7)Mandelsloh8)

Kommentar

Die Inschriften A und C sind in einer rechtsgeneigten Kapitalis ausgeführt. Die D der Inschrift C sind durchgehend als offene D mit kurzer Haste gestaltet.

Der Überlieferung zufolge soll Armgard von Bortfeld während ihrer Hochzeit tot vor dem Altar zusammengebrochen sein. Diese Legende dürfte sich aber wohl nur darauf gründen, daß der Kranz und der Blumenstrauß als Zeichen einer Braut und nicht als Zeichen ihrer Jungfräulichkeit gedeutet wurden. Tatsächlich ist Armgard von Bortfeld keineswegs in jungen Jahren verstorben. Bereits im Jahr 1567 erwarb sie von den Vorstehern der Katharinenkirche ein am Katharinenkirchhof gelegenes Haus mit allem Zubehör für 150 Taler. In dem Vertrag ist sie ausdrücklich als Jungfer bezeichnet. Da der Kauf von Armgard von Bortfeld selbst und nicht durch Vormünder getätigt wurde, war sie im Jahr 1567 bereits geschäftsfähig. Dies bedeutet, daß sie bei ihrem Tod im Jahr 1586 mindestens 40 Jahre alt war, es spricht jedoch auch nichts dagegen, daß sie ein weitaus höheres Alter erreichte.9)

Die als W H gelesene Künstlersignatur wird als diejenige des in Braunschweig nachweisbaren Bildhauers Weimar Heinemann angesehen. Dieser wurde am 9. Oktober 1581 als Neubürger der Neustadt aufgenommen; am 11. Juli 1598 starb er an der Pest.10) Sicher zu belegen ist diese von Meier vorgenommene Identifizierung indessen nicht.11)

Textkritischer Apparat

  1. Die Angabe der Bibelstelle aus Platzgründen kleiner.
  2. Die ineinandergestellten Initialen könnten auch als H W gelesen werden.

Anmerkungen

  1. Phl. 1,21.
  2. Wappen Bortfeld (zwei gekreuzte Lilienstäbe). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 18 u. Tafel 43.
  3. Wappen Klüver (Bärentatze). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 11, S. 333 u. Tafel 117.
  4. Wappen Bervelde (Geweih).
  5. Wappen Hauß (schräggestellter ausgerissener gestümmelter Baumstamm). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 66; Bd. 2, Tafel 160.
  6. Wappen Garssenbüttel (gespalten, rechts ein halber bekrönter Adler, links geteilt). Nach Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 48 u. Tafel 30: Adler.
  7. Wappen Saldern (Rose). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 11, S. 50 u. Tafel 29.
  8. Wappen Mandelsloh (siebenmal umwundenes Jagdhorn). Vgl. ebd., Bd. 3, Abt. 2, S. 253 u. Tafel 303.
  9. Sta Braunschweig, G II 4, Nr. 1, fol. 1.
  10. Neubürgerbuch Sta Braunschweig, B I 7, Nr. 8, fol. 51v. Sta Braunschweig, Kirchenbücher St. Katharinen, E 60, Teil 2 (Beerdigungen, Trauungen), p. 446: Unter dem 11. Juli 1598 ist Weimar Heinemann verzeichnet, im selben Monat starben auch noch zwei seiner Töchter.
  11. Meier, Kunsthandwerk, S. 19.

Nachweise

  1. Sammlung Sack, Nr. 136, Teil 1, p. 5 u. p. 245 (Zeichnung).
  2. Scherer, Röttger, S. 172 (C).
  3. Schultz, Grabmale, S. 40.
  4. Abb.: Meier, Kunsthandwerk, Abb. 35.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 602 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0060203.