Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 433† St. Ägidien 1538

Beschreibung

Epitaph des Heise Oschersleben. Die Holztafel hing im südlichen Seitenschiff am ersten Pfeiler von Westen. Die Inschrift war in goldenen Buchstaben ausgeführt. Über der Inschrift befand sich ein Wappenschild.1)

Inschrift nach der Sammlung Sack.

  1. Hic HAISO fixis cubat oscarolebius armis Gloria qui lucens integritatis erat Ingeniis favit prestantibus auxit honores Artibus et vixit relligionis amans In quem si possent fatalia fila morari Debuerant merito iuris habere nihil Huius enim virtus candor probitas(que) fidesq(ue) Maeonio fuerat carmine digna cani Namq(ue) Sacras coluit sincero pectore musas Et varia doctus saepe levavit ope Salvificiq(ue) pio verbo flagravit amore Et summa coluit relligione deum Concedes igitur coelestis munere vitae Ut possit tecum maxime christe frui Obiit mortem a(nte) d(iem) decimum Calendas Decembri2) Anno MDXXXVIII

Übersetzung:

Hier ruht Heise Oschersleben bei (seinen) aufgehängten Waffen, der der leuchtende Ruhm der Redlichkeit war. Er förderte herausragende Begabungen, mehrte seine Ehrentitel durch die Künste und lebte als ein die Religion liebender Mensch. Wenn die Schicksalsfäden aufgehalten werden könnten, hätten sie verdientermaßen keine Gewalt über ihn haben dürfen. Denn seine Tugend, Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit und sein Glaube wären würdig gewesen, in einem homerischen Gedicht besungen zu werden, denn der Gelehrte beförderte die heiligen Musen mit aufrichtigem Herzen und unterstützte sie oft durch vielfältige Hilfe. Er brannte in frommer Liebe durch das heilbringende Wort und verehrte mit höchster Frömmigkeit Gott. Du wirst ihm also durch das Geschenk des himmlischen Lebens zugestehen, Christus, daß er es bei dir überaus genießen kann. Er starb am zehnten Tag vor den Kalenden des Dezember im Jahr 1538.

Versmaß: Elegische Distichen.

Wappen:
Oschersleben3)

Kommentar

Heise Oschersleben wurde im Jahr 1519 Vorsteher der Beckenwerkergilde.4) In dem kurz vor seinem Tod abgefaßten Testament verfügte Heise Oschersleben ein Begräbnis auf dem Kirchhof von St. Ägidien.5) Es besteht eine eigenartige Diskrepanz zwischen dem Inhalt des Testaments, das Heise Oschersleben als einen vergleichsweise bescheidenen Braunschweiger Bürger erscheinen läßt, und dem Text des Epitaphs, den man ohne Kenntnis der Person einem Adligen zugewiesen hätte. Möglicherweise läßt sich diese Diskrepanz dadurch erklären, daß es sich bei Heise Oschersleben um einen Künstler gehandelt hat; darauf könnte eventuell die Erwähnung der Künste und Musen in der Grabschrift deuten.

Anmerkungen

  1. Angaben nach der Sammlung Sack, Nr. 127, p. 6f. u. 145.
  2. 22. November.
  3. Wappen Oschersleben (Schild geteilt, davor ein Hufeisen). Beschreibung nach der Zeichnung in der Sammlung Sack, Nr. 127, p. 145.
  4. Bergholz, Beckenwerkergilde, S. 69.
  5. Sta Braunschweig, B I 23, Bd. 16, fol. 83v–84v.

Nachweise

  1. Sammlung Sack, Nr. 127, p. 6f. u. 145.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 433† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0043300.