Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)
Nr. 741 Dom St. Blasii 1615
Beschreibung
Epitaph des Wilhelm von der Ow. Holz, farbig gefaßt, Ölgemälde. Das Epitaph hing früher an einem Pfeiler des südlichen Seitenschiffs, heute ist es an der Nordwand des nördlichen Querarms angebracht. Im Mittelteil des Epitaphs ein hochrechteckiges Ölgemälde, das den Verstorbenen unter dem Kreuz kniend darstellt, am Kruzifix der Titulus A, darunter ein querrechteckiges Gemälde der Geburt Christi. Gerahmt werden die beiden Bilder links und rechts von einer innen mit Engelsköpfen besetzten Einfassung, die beidseitig drei übereinander angeordnete Nischen mit Figuren der Tugenden darin aufweist. Die Figuren sind namentlich durch über den Nischen stehende Beischriften (B) bezeichet und durch Attribute ausgewiesen. Den äußeren Abschluß des Mittelteils bilden zwei von Rollwerk umgebene Nischen, darin links die Figur des Adam, rechts der Eva. Vor dem Fries über dem Mittelteil ein Wappenschild, links und rechts davon eine Beischrift (C). Oberhalb des Mittelteils ein von zwei Säulen eingerahmtes Gemälde der Verklärung Christi, in den Bogenzwickeln oben zwei Engelsköpfe. Darüber und seitlich davon sowie unten links und rechts des Mittelteils früher wohl insgesamt sieben Figuren der Erzengel, die durch Beischriften auf den Gesimsen bezeichnet sind (D). Zwei Namen sind nur kopial überliefert, über ihren ursprünglichen Anbringungsort ist nichts bekannt. Heute stehen nur noch zwei Engelsfiguren oben auf dem Epitaph, auf dem Gesims oberhalb des Mittelteils die Figuren zweier Tugenden, die linke ohne Attribut, die rechte Temperantia mit Schale und Gefäß. Den unteren Abschluß des Epitaphs bildete eine von Rollwerk eingefaßte Kartusche mit den in drei Spalten angeordneten Inschriften E–G. Die in Fraktur ausgeführten u sind durch Häkchen bezeichnet.
Inschrift D ergänzt nach der Sammlung Sack.
Maße: H.: ca. 350 cm; B.: 246 cm; Bu.: 2 cm (A), 3 cm (B, D), 4 cm (C), 1 cm (E–G).
Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D), mit Fraktur (E); Fraktur (C), mit Kapitalis (F, G).
- A
I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)1)
- B
GRATIA // PAX // PROVIDENTIA PIETAS // VERITAS // CONCORDIA
- C
wilhelm von // Der ow
- D
GABRIEL // MICHAEL // RAZIEL // RAPHAEL // IOPHIEL // [VRIEL // PELIEL]
- E
REVERENDVS ET DOCTVS / VIR GVILIELMVS von der Ow IVNIOR / ECCLESIAE SAN(CTAE) BLASIANAE CANONICVS . / PATRE HENRICO von der Ow DVC(IS) / BRVNS(VICENSIS) ET LVNAEBVRGENS(IS) SECRETA=/RIO INTIMO . MATRE ELISABETHA / HELMOLDIA . NATVS ANNO REPARATAE SA/LVTIS M . D . LXXVI . DIE XIIX IVNII . / HOR(A) I . POMMER(IDIANA) A POTENTISSIMO OMNIVM RE=/RVM DOMINO . EX HOC IMMVNDO MVNDO / AD COELESTEM PATRIAM AVOCATVS , FIRMA / IN CHRISTVM SPE DECESSIT . DIE XII / IANVARII . INTER HORAM QVINTAM ET / SEXTAM VESPERTINAM INEVNTIS / ANNI M . DC . XV . VIDVAM ET FILIOLAM / VNICAM ANNOR(VM) FERME SEX POST SE / RELINQVENS . DEVS ANIMAE IPSIVS / SIT PROPITIVS
- F
Der Erwürdiger Herr vnd frommer Christa) / WILHELM von der Ow hie begraben ist / Seines alters 39 Jahr / Erlebet hat viell Creutz und gfahr / Von der argen und snoden welt / Ist ihm viell mals hartt Nach gestelt / Doch hat ihn der getrewer Gott / Steds beigestanden in seiner noth / Wie es den alzeit also geschicht / Wer Gott vertrawt dem mangelt nicht / Er ist durch den zeitlichen tod / Endlich erlost aus aller noth / Aus sorg . Vnd . muh . Vnd Jammer viell / Vnd hat erreicht das rechte Ziell
- G
Als tausent und 6 hundert Jahr / 15 darzu die Jahr Zall war / Den 12 IANVARIVS gar behend / Beschert ihm Gott ein seliges end·/ Sprach liebester Gott erbarm dich meinb) / Las dir mein Seell befolen sein / Jm glauben am Herrn IESV Christ / Darauff still Vnd sanft entschlaffen ist / Vnd kommen ins recht Vaterland / Wir sint aber noch in Vnglücks stand / Frölich lebt er ins Himmels sall / Wir sint noch hie in angst und quall / Gott geb seim leib ein gut aufferstec) / Vnd bescher Vns auch ein seli/ges end
Übersetzung:
Die Dankbarkeit. Der Friede. Die Fürsorge. Die Frömmigkeit. Die Wahrheit. Die Eintracht. (B)
Der ehrwürdige und gelehrte Mann Wilhelm von der Ow der Jüngere, Kanoniker der Kirche St. Blasii, wurde geboren durch den Vater Heinrich von der Ow, Geheimsekretär des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg, und die Mutter Elisabeth Helmolt im Jahr des wiederhergestellten Heils 1576 am Tag des 18. Juni zur ersten Nachmittagsstunde. Von dem mächtigsten Herrn aller Dinge aus dieser unreinen Welt in das himmlische Vaterland berufen, verschied er in der festen Hoffnung auf Christus am Tag des 12. Januar zwischen der fünften und sechsten Abendstunde des beginnenden Jahres 1615. Er ließ eine Witwe und das einzige Töchterchen, das beinahe sechs Jahre alt war, zurück. Gott sei seiner Seele gnädig. (E)
von der Ow2) |
Textkritischer Apparat
- Christ] Klein unter der Zeile nachgetragen.
- mein] Klein unter der Zeile nachgetragen.
- Sic! Aus Reimgründen eigentlich aufferstend.
Anmerkungen
- Io. 19,19.
- Wappen von der Ow (Balken, daraus nach oben zwei Blätter hervorwachsend). Nach der Zeichnung in der Sammlung Sack, Nr. 129, Teil 1 (o. P.).
- Döll, Kollegiatstifte, S. 321.
Nachweise
- Sammlung Sack, Nr. 129, Teil 1 (o. P.) u. Teil 3, p. 6.
- Abb.: Meier, Kunsthandwerk, Abb. 120.
Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 741 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0074109.
Kommentar
Wilhelm von der Ow wurde im Jahr 1602 dem Stift St. Blasii von Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg als Kanoniker präsentiert.3)