Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 663 St. Ulrici-Brüdern 1596–98

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Gemälde an den Priechen. Sie wurden bei der Renovierung der Kirche in den Jahren 1861 bis 1865 entfernt. Auf insgesamt 63 Gemälden an den Priechen waren Szenen aus dem Alten und Neuen Testament dargestellt. Mit Ausnahme von zwei Gemälden stand unter jedem Bild der Stiftername. Diese – möglicherweise auf gesonderten Täfelchen angebrachten – Inschriften wurden schon im Jahr 1781 entfernt.1) Die unter A zusammengefaßten Inschriften befanden sich an der großen Prieche auf der Südseite der Kirche, die Inschriften B an der Prieche unterhalb der Orgel und die Inschriften C an der kleineren Prieche auf der Nordseite.2)

Inschriften nach der Sammlung Sack.

Schriftart(en): Kapitalis.

(Thorsten Henke) [1/4]

  1. A

    B(URGERMEISTER) HENRICH HOLSTE // M(AGISTER) ANDREAS MÜLLERUS // B(URGERMEISTER) HENNI FISKER // M(AGISTER) BARTHOLD VÖLCKERLING // B(URGERMEISTER) DANIEL ARNDES // K(AEMMERER) HANS ALVELT3) // K(AEMMERER) JASPER HACKE // K(AEMMERER) HANS WESTFALE // HANS LÜDERS // SIMEN LÜDDEKE4) // HANS HOWBOM // ALMER GEISMER // BERENTH WISSEL // DIRICH BRANDES // HANS SCAPER // HENNING FLOER // ZACHARIAS WULF // JERONIMUS REMMERS // BENEDIC MÖLLER // HEINRICH MARTENS // PAUL KRÖGER // HEINRICH ESICH // HERMAN SCMIDT // VALENTIN GLANS // ZACHARIAS BARTKE //HEINRICH LOSSE // HENRICH BUNTE // DIRICK WILKENS // JÜRGEN FLOR // DANIEL GROTE // TILE HASE // FRANS KOCK // ARENTH STARKE // HARMEN GISEKE

  2. B

    BERENTH KARTZ // PETER LEIFF // GERWINS SCHMALIAN // JÜRGEN SIVERS // HANS HEIMERS // HANS BERMAN // HENNI ECKLEFF // JOST ROSENHAGEN // DIRICK LAKEMANN

  3. C

    MARTEN ZORNITZ // HANS KOCK // PETER KICHLER // CLAWES OFFEMANN // HINRICH NILANDT // MELCHER LADE // HANS BRUNLEDER // OLRICH MOLLE // ARENDT WETREDER // HANS BRECHT // HENNI BETKE // CHRISTOFFEL REHEL // CASTEN SALGEN // JÜRGEN FELTHUSEN // MELCHIOR BORNEMANN // JOST GLANS // HANS MEIGER // LORENS RALEF

Kommentar

Einen großen Teil der in den Jahren 1596 bis 1598 entstandenen Gemälde fertigten die Maler Floris von der Mürtel und Hans Geitel an.5) Viele der Namen, die hier genannt sind, wiederholen sich in den Gemälden des Gestühls der Brüdernkirche (vgl. Nr. 667).

Anmerkungen

  1. Mack, Bildzyklen, S. 11.
  2. Vgl. Sack, Barfüßer, S. 410.
  3. Zu Hans Alfeld vgl. Nr. 723.
  4. Zu Simon Lüddecke vgl. Nr. 596.
  5. Zur Stiftung und Herstellung der Gemälde vgl. Mack, Bildzyklen, S. 10–13.

Nachweise

  1. Sammlung Sack, Nr. 133, Teil 1, p. 127 u. 165.
  2. Sack, Barfüßer, S. 410.
Addenda & Corrigenda (Stand: 17. Juni 2020):

Seit dem Erscheinen des Inschriftenbandes ‚Stadt Braunschweig 2‘ im Jahr 2001 ist es dem „Kirchenkunstkriminalisten“ Wolfgang Jünke (Braunschweig) gelungen,6) einen Teil der 1876 von der Kirchengemeinde an private Hand verkauften und inzwischen verloren geglaubten Priechengemälde in Westfalen ausfindig zu machen – zum Teil in Privatbesitz, zum Teil im Stadtmuseum Warendorf.7) Anlässlich des Reformationsjubiläums wurde die wechselvolle Geschichte der Gemälde dokumentiert und die Bildtafeln unter kunsthistorischen Gesichtspunkten im Einzelnen behandelt.8) Die nun entdeckten und publik gemachten 22 Bildtafen zeigen die im Folgenden benannten, in hohe Rundbogenfelder eingepasste Szenen, unter denen jeweils auf einer gemalten Rollwerkkartusche der Stiftername in Schwarz auf braunem Grund angebracht ist, auf einigen Kartuschen unten die Jahreszahl. Die Stifternamen wurden mehrfach übermalt bzw. überklebt, auf einigen Kartuschen kann man noch eine ältere Version durchscheinen sehen. Die Bezeichnungen A–C dienen der Lokalisierung der Gemälde nach der Sammlung Sack (s. Beschreibung in der alten Version), die Nummerierung folgt der durchgehenden Nummerierung aller Gemälde von Nr. 1 bis Nr. 63 in der Sammlung Sack. Es handelt sich bei den erhaltenen Priechengemälden um die folgenden Motive: A2 – Erschaffung Evas; A4 – Vertreibung aus dem Paradies; A5 – Adam und Eva nach der Vertreibung mit Kain und Abel; A7 – der betrunkene Noah; A8 – die Trennung von Abraham und Lot; A11 – Isaak segnet Jakob, A12 – Jakobs Traum von der Himmelsleiter; A13 – Jakobs Flucht; A15 – Joseph wird in den Brunnen geworfen; A16 – Erhöhung Josephs in Ägypten; A18 – das Wiedersehen Josephs und Jakobs; A20 – die Überführung von Jakobs Leichnam, auf dem Leichentuch der Name; A21 – Jakobs Begräbnis; A22 – Moses und der brennende Dornbusch, im Dornbusch das Tetragramm; A24 – Auszug aus Ägypten?; A26 – Moses schlägt Wasser aus dem Fels; A27 – Empfang der Gesetzestafeln; A28 – Moses auf dem Berg Sinai; A35? (nicht bei Sack, vgl. Kommentar) – Aufrichtung der ehernen Schlange; B39 – David und Goliath; B 44 – Darstellung Jesu im Tempel; B46 – Taufe Christi.

Maße: H.: ca. 92 o. ca. 103 cm; B.: ca. 43 o. ca. 53 cm (ohne Rahmen); Bu.: ca. 3 cm, 1 cm (Ziffern), 2 cm (Tetragramm A22).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien, Hebräisch (A22).

  1. A2

    M(AGISTER) · ANDREAS MVLLERVS

  2. A4

    M(AGISTER) · BARTOLDVSa) VÖLKERLING

  3. A5

    B(VRGERMEISTER) · DANIEL ARNDES

  4. A7

    K(AEMMERER) IASPER HACKE

  5. A8

    K(AEMMERER) · HANS WESTFALE // · 1 · 5 · 9 · 6 ·

  6. A11

    HANS HAWBOM // · 1 · 5 · 9 · 6 ·

  7. A12

    ALMER GEISMER // · 1 · 5 · 9 · 6 ·

  8. A13

    BERENTH WISSEL // · 1 · 5 · 9 · 6 ·

  9. A15

    HANS SCAPER

  10. A16

    HENNING FLOER

  11. A18

    IERONIMVS REMMERS

  12. A20

    IACOBb) // HEINRICH MARTENS

  13. A21

    PAVL KRÖGER

  14. A22

    hwhy // HEINRICH ESICKE

  15. A24

    VALENTIN GLANS

  16. A26

    HEINRICH LOSSE.

  17. A27

    HEINRICH BVNTEc)

  18. A28

    DIRICH WILKENS.

  19. A35?

    HIR(ONIMVS). REMMERS // 15 · 97

  20. B39

    GERWINS SMALGAN

  21. B44

    IOST. ROSENHAG // 15 · 97

  22. B46

    PETTER · KICHLERd)

Kommentar Die Stifternamen sind in einer zumeist schlanken Kapitalis mit deutlichem Wechsel von Haar- und Schattenstrichen sowie Bogenverstärkungen und Sporen ausgeführt, E mit kurzem Mittelbalken, G mit senkrecht eingestellter Cauda und dünnem unteren Bogenende, R mit unter die Zeile gezogener Cauda. Der erste Buchstabe des Vor- und Nachnamens ist jeweils als Versal ausgeführt. Ausnahmen bilden die Inschriften A28 und A35?, die sehr viel einfacher ausgeführt sind als die anderen Inschriften und kein besonderes Bemühen um die Buchstabenform zeigen. Die Buchstaben weisen darauf hin, dass diese Inschriften nicht 1597 ausgeführt wurden, wie bei A35? unten auf dem Rahmen vermerkt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt unsachgemäß erneuert wurden. Besonders deutlich wird der andere Schriftcharakter an den langen Mittelbalken der E und an der kurzen Cauda der R. In der Inschrift A28 beginnt der Vorname nicht mit einem Versal, den man allerdings im Hintergrund noch zu erkennen glaubt; insgesamt kann man hier wohl noch Reste einer älteren übermalten Fassung durchschimmern sehen.9) Die Inschrift A35? ist als einzige der Stifterinschriften nicht in der kopialen Überlieferung von Sack notiert, der unter den bei ihm nicht nach den Motiven benannten, sondern nur durchnummerierten Gemälden unter Nr. 35 und Nr. 36 leere Inschriftenfelder notiert. Der Name des Hieronymus Remmers kommt unter dem Gemälde A18 bereits in einer anderen Schreibweise vor. Wie diese Doppelung, die unterschiedliche Buchstabengestaltung und das Fehlen der zweiten Inschrift bei Sack zu erklären ist, bleibt unklar. Zu den graphischen Vorlagen der Gemälde vgl. Henke (wie Anm. 8). Anhand der wiedergefundenen Gemälde und ihrer Einordnung in das bei Sack nur durch die Stifternamen festgehaltene 63teilige Bildprogramm, lässt sich feststellen, dass dem Alten Testament hier mit mindestens 39 Bildtafeln ein bedeutend größerer Platz eingeräumt wurde als dem Neuen Testament mit maximal 24 Bildtafeln. Eine solche Aufteilung ist für größere Bildprogramme an Emporen oder Gestühlen der frühen Neuzeit eher ungewöhnlich, da man sonst zumindest um eine Gleichgewichtung von Altem und Neuem Testament in Fortsetzung mittelalterlicher typologischer Bezüge bemüht war. Henke weist aber darauf hin, dass hier die übrige Kirchenausstattung von St. Ulrici-Brüdern aus derselben Zeit mit zu bedenken ist (vgl. a. Nr. 667).10)

Textkritischer Apparat

  1. Das S klein in die rechte Schräghaste des V eingehängt.
  2. Das B teilweise durch den Rahmen verdeckt.
  3. Ob die Gesetzestafeln Text tragen, ist auf dem Foto nicht erkennbar.
  4. Der Balken des L nicht restauriert, obwohl Platz dafür vorhanden ist.

Anmerkungen

  1. 6.Vgl. hierzu Wolfgang A. Jünke, Die verschwunden geglaubten Tafelbilder der Braunschweiger Brüdernkirche von 1597/98 und ihre Wiederauffindung. In: Reformation: Themen, Akteure, Medien, hg. v. Birgit Hoffmann, Heike Pöppelmann u. Dieter Rammler. Wendeberg 2018 (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig 26), S. 151–166. Ein großer Dank gilt Thorsten Henke, der mich auf diesen Fund aufmerksam gemacht hat.
  2. 7.Inv. Nr. 2008 1440–1443 (B46, A5, A35?, A16). Zu den Bildern im Privatbesitz können keine näheren Angaben gemacht werden.
  3. 8.Ebd., u. Thorsten Henke, Die Emporentafeln von 1596–1598 in der Kirche St. Ulrici-Brüdern zu Braunschweig. In Reformation: Themen, Akteure (wie Anm. 6), S. 167–182. Die folgende Edition beruht auf – teilweise aus Privatbesitz stammenden – Fotos, die mir Thorsten Henke freundlicherweise zum Zweck der Textedition zur Verfügung gestellt hat.
  4. 9.Leider erlauben die Fotos keine sichere Beurteilung. Eine nähere Untersuchung des Gemäldes könnte sicherlich weitere Aufschlüsse bringen.
  5. 10.Henke (wie Anm. 8), S. 176.

Nachweise

  1. Henke (wie Anm. 8, S. 172f.).

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 663 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0066303.