Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)
Nr. 651 St. Ulrici-Brüdern / Städtisches Museum 1593, 1594
Beschreibung
Lettner. Holz, farbig gefaßt; schmiedeeiserne Gitter. Der Lettner, der den Chor vom Kirchenschiff abschloß, wurde bei der Restaurierung der Kirche in den Jahren 1861 bis 1865 abgebaut; der obere Aufbau wurde mit Ausnahme der beiden äußeren Teile im östlichen Joch des Seitenschiffes an der Wand angebracht; das mittlere Eisengitter fand als Tür zur Taufkapelle Verwendung; das Uhrwerk und die seitlichen Gitter kamen ins Städtische Museum.1) Die nach der Zerstörung der Kirche im Zweiten Weltkrieg noch erhaltenen Teile des Lettners sind zusammen mit dem Mittelteil der Ziergitter heute im Westen des Kirchenschiffs hinter dem Eingang wieder errichtet, die verlorenen Teile und die im Museum befindlichen Originalgitter der Seiten sind durch schlichte Nachbildungen ersetzt. Den alten Zustand des Lettners zeigt eine Zeichnung von Beck.2) Die untere Zone bestand aus einer Architektur mit zwei oben rundbogig abgeschlossenen Durchgängen und drei Fenstern mit Ziergittern, dazwischen Säulen, außen links und rechts der Fenster auf Sockeln je eine Engelsfigur. In dem mittleren Gitter ein durchbrochen gearbeiteter Wappenschild mit dem Braunschweiger Burglöwen, um diesen herum die Ziffern der Jahreszahl A. Über das Gesims, das über den Durchgängen vorsprang, verlief oben die heute nur noch im linken Teil erhaltene Inschrift B. In der Zone darüber im Mittelteil verzierte Brüstungstafeln, in deren Mitte der sogenannte „Seier“, die heute im Städtischen Museum befindliche Uhr, eingebaut war; auf dem heute noch im Original in der Brüdernkirche vorhandenen Zifferblatt die Zahlen der Minuten im äußeren, der Minuten in Fünferschritten im mittleren und der Stunden im inneren Kreis (C), im Innenkreis die Sternkreiszeichen, in der Mitte die Sonne. Die Ziffern des äußeren Kreises sind nicht mehr vollständig erhalten. Über der Uhr die Inschrift D, darüber ein oben rundbogig abgeschlossenes, heute stark beschädigtes Relief der Kreuzigungsszene, aus dem das den Lettner bekrönende Kruzifix herauswuchs, daran früher ein Titulus mit der Inschrift E, der nicht erhalten ist. Die Kreuze der beiden Schächer standen oben links und rechts des Rundbogens. Im Rundbogen über der Kreuzigungsszene die Inschrift F. Zu beiden Seiten der Uhr und des Kreuzigungsreliefs befinden sich über den mit Ornament verzierten Brüstungstafeln von Säulen gerahmt links ein Relief der Aufrichtung der Ehernen Schlange, rechts ein nur teilweise erhaltenes Relief der Auferstehung, in dem heute die Figur der Maria fehlt. Auf dem Fries über den beiden Reliefs in zwei Kartuschen die Jahreszahl G, auf dem Gesims darüber links die Inschrift H, rechts die Inschrift I. Darüber links und rechts zwei oben durch einen flachen Giebel abgeschlossene Aufbauten, darin links in einer Nische der Burglöwe, rechts die Figur des heiligen Ulrich. In den beiden äußeren Achsen oberhalb der unteren Zone je zwei durch Karyatiden voneinander getrennte Rundbogenfelder mit Reliefs; links die Erschaffung Evas und der Sündenfall, rechts die Geburt Christi und die Verkündigung. Auf dem Gesims darüber links die Inschrift J, rechts die Inschrift K. Oben auf den äußeren Gesimsen links und rechts auf Sockeln je zwei größere männliche Figuren und neben ihnen je zwei kleinere geflügelte Figuren, von denen heute der rechte äußere Putto fehlt. Zu beiden Seiten und über dem Giebel der bekrönenden Aufbauten links und rechts der Mittelachse ebenfalls je drei größere Figuren und zwei kleinere Putten. Bei den Figuren auf der linken Seite des Lettners handelt es sich um Personen des Alten Testaments: König David, zwei Propheten, Moses und Aaron; die Figuren auf der rechten Seite, die vier Evangelisten mit ihren Symbolen und Johannes der Täufer, stellen das Neue Testament dar. Die beiden außen stehenden Figuren der Evangelisten Markus und Johannes tragen jeweils eine mit einer Inschrift versehene Tafel (L, M). Die u beider Inschriften sind mit diakritischen Punkten versehen. Alle über die Friese des Lettners verlaufenden Inschriften sind in goldener Farbe auf blauem Untergrund ausgeführt, die beiden Inschriften auf den Tafeln in schwarzer Farbe auf weißem Grund.
Im Städtischen Museum sind zwei Ziergitter des Lettners ausgestellt, die aus Blattranken bestehen. In dem einen Gitter zwei Schilde, auf dem linken Initialen, auf dem rechten eine Jahreszahl (N); die schmiedeeisernen Buchstaben und Ziffern sind aus breiten, auf dem Schild weit hervorstehenden dünnen Metallbändern geformt.
Inschrift B ergänzt nach der Zeichnung Becks, E nach der Zeichnung Becks.
Maße: Bu.: ca. 4 cm (A, B, D–K), ca. 2 cm, 5 cm u. 11 cm (C, Ziffern äußerer, mittlerer und innerer Kreis), 2 cm (L, M), 3,1 cm (N).
Schriftart(en): Fraktur (B, D, F, H, I, L, M), und Kapitalis (J, K); gotische Minuskel (römische Ziffern C); Kapitalis (E, G); frühhumanistische Kapitalis (N).
- A
1 5 / 9 4
- B
Kindlein solches schreibe ich euch auff das ihr [nicht sündiget vnd ob jemand sündiget so haben wir einen Fürsprecher bey dem Vater Jesum Christ der gerecht ist vnd derselbige ist die Versöhnung für unsere Sünden nicht allein aber für die unsern sondern auch für der ganzen welt 1 . Johan(n)es 2 . Cap .] 3)
- C
1 [ – – – ] 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 [ – – – ] 42 43 44 45 [ – – – ] 57 58 59 60 // 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 // · i · ii · iii · iiii · v · vi · vii · viii · ix · x · xi · xii
- D
Alle augenblick vndt stundt , bedenck des todes bundt .
- E†
· I(ESUS) · N(AZARENUS) · R(EX) · I(UDAEORUM) ··4)
- F
Christus hat vns erlöset vom fluch Des Gesetzes , Da er wardt ein fluch für vns , Galat . am 3 . 5)
- G
ANNO DOMINI // M . D .a) XC . IIII
- H
Christus ist vmb vnser Sunde willen dahin gegeben , Röm : 4 . 6)
- I
Vnd vmb vnser Gerechtigkeit willen aufferwecket , Röm : 4 6)
- J
Welches tages du von dem boume issest , wurstu des todes sterben , GEN : [.] 2 7)
- K
Des Weibes samen soll der Schlangen den Kopff zu treten , GENESIS : 3 . 8)
- L
Marcus / am 10 . / Denn auch des / me(n)sche(n) sohn ist nit / ko(m)en d(a)z er ihm die/ne(n) lasze so(n)der(n) d(a)z er / die(n)e v(n)d gebe sein / Lebe(n) zur bezah/lu(n)g fur viele 9)
- M
Johannes / am III / Also hat Gott die / welt geliebet das / er seinen eingebor/nen sohn gab , auff das alle die an ihn , (etcetera) 10)
- N
MHA // 15/93
Textkritischer Apparat
- Neulateinische Zahlzeichen.
Anmerkungen
- Inv. Nr. 11/1/44 (Cl 3) Uhr, Inv. Nr. 11/1/99 u. 100 (B 271) Lettnergitter.
- Gedr. bei Meier, Kunsthandwerk, Abb. 62.
- 1. Jh. 2,1f.
- Io. 19,19.
- Gal. 3,13.
- Rö. 4,25.
- 1. Mo. 2,17.
- Nach 1. Mo. 3,15.
- Mk. 10,45.
- Jh. 3,16.
- Vgl. Meier, Kunsthandwerk, S. 47.
Nachweise
- Scherer, Röttger, S. 30 (E).
- Abb.: Meier, Kunsthandwerk, Abb. 62 (Zeichnung Becks) u. 63.
Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 651 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0065100.
Kommentar
Die Anfertigung des Lettners ist durch Archivalien dokumentiert. Anhand von Rechnungen lassen sich der Bildhauer Georg Röttger, der Maler Floris von der Mürtel und der in der Inschrift N genannte Schmied Hans Anger als die an der Herstellung des Lettners beteiligten Meister ausmachen.11)