Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 643 Städtisches Museum 1591, 1593

Beschreibung

Steingutkanne mit Zinndeckel. Bei der Kanne handelt es sich um Siegburger Steingut. Da sie jedoch kurz nach ihrer Fertigstellung in Braunschweig von einem dortigen Zinngießer mit dem Deckel versehen wurde (vgl. Kommentar) und wohl in der Stadt verblieb, gehört das Stück trotz anderer Provenienz zum Braunschweiger Inschriftenbestand. Die Kanne erhebt sich über einem runden mehrfach profilierten Fuß. Die gekehlte Wandung wird durch einen umlaufenden Fries mit einem Relief unterbrochen, das nach einem Kupferstich Hans Sebald Behams mit dem Titel ‘Das Bauernfest oder die zwölf Monate’ gestaltet ist.1) Allerdings ist das Relief auf der Kanne offenbar keine vollständige Umsetzung des Kupferstichs, was möglicherweise auch dadurch bedingt ist, daß die Ausgußtülle erst nachträglich angefügt wurde. Darauf deutet der glatt gestrichene Übergang zwischen Tülle und Wandung, der auch in die umlaufende Inschrift eingegriffen hat. Das Relief zeigt elf tanzende Paare und drei Einzelfiguren. Im Relief die Signatur des Meisters (A). Oberhalb des Reliefs läuft die Inschrift B um, die durch den Henkel und den Ansatz der Tülle unterbrochen ist. Auf der langen Ausgußtülle unten ein herausmodellierter Kopf, auf der Seite zur Kanne hin die Jahreszahl C, die ebenfalls auf eine nachträgliche Anbringung der Tülle verweist. Auf dem Deckel die Initialen des Zinngießers (D) zwischen zwei Braunschweiger Beschauzeichen.

Maße: H. (mit Deckel): 28 cm; Dm.: 9 cm (unten); Bu.: 0,4 cm (A), 0,3 cm (B), 0,2 cm (C), 0,1 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis.

Sabine Wehking [1/5]

  1. A

    H H

  2. B

    DE 12 · MONAT · SEIN · GETHAN · WOL AVF · GRED · WIR · FAN · WOL Fa) · GRED · WIR · FANGENS · WIDERVM · AN · ANNO · 1591 · ICH Nb)

  3. C

    15 93

  4. D

    M / Z

Kommentar

Die Wiederholung des Textes innerhalb der Inschrift B ist offensichtlich dadurch entstanden, daß man zweimal denselben Model angesetzt hat, auf dem sich sowohl die Inschrift als auch die figürlichen Darstellungen befanden. Unterhalb des F von AVF beginnt eine Folge von drei Figuren, die sich ab dem F auf dem Henkelansatz wiederholt. Dadurch erscheint die Buchstabenfolge F GRED WIR FAN in der umlaufenden Inschrift doppelt. Die Verwendung von Modeln erklärt wohl auch den abrupten Abbruch der Inschrift am Tüllenansatz.

Die Initialen HH werden dem Siegburger Meister Hans Hilger zugeschrieben, der in den Jahren 1569 bis 1595 nachweisbar ist.2) Die Initialen MZ stehen für den Braunschweiger Zinngießer Martin Zornitz, der sich in der Zeit von 1583 bis 1621 nachweisen läßt.3)

Textkritischer Apparat

  1. Zwischen WOL und F wird die Inschrift durch den Henkel unterbrochen. Das F steht auf dem Henkelansatz.
  2. Die N durchgehend retrograd.

Anmerkungen

  1. Vgl. Spies, Kostbarkeiten, o. S., u. ders., Siegburger Tüllenkanne, Miszellen Städtisches Museum Braunschweig 11, 1972, o. S.
  2. Vgl. Barbara Lipperheide, Das rheinische Steinzeug und die Graphik der Renaissance. Berlin 1961, S. 38ff.
  3. Vgl. Spies, wie Anm. 1.

Nachweise

  1. Gerd Spies, Siegburger Tüllenkanne, Miszellen Städtisches Museum Braunschweig 11, 1972, o. S., Abb. ebd.
  2. Abb.: Spies, Kostbarkeiten, o. S.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 643 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0064309.