Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 537† Gördelingerstr. 42 1572

Beschreibung

Hausinschriften.1) Das Haus und seine Nebengebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Überlieferung der verschiedenen an den Gebäuden angebrachten Inschriften findet sich vollständig nur in der Inschriftensammlung Mack. Es ist dort jedoch nicht gekennzeichnet, woher die Ergänzungen der einzelnen andernorts teilweise nur unvollständig überlieferten Inschriftentexte stammen. Dasselbe gilt auch für die in der Inschriftensammlung Mack enthaltenen Angaben zum Platz der Inschriften im Baugefüge. Die Jahreszahl A befand sich danach über dem Bogen des Eingangstores an der Gördelingerstraße, in den Zwickeln zwei Wappenschilde. Die Inschrift B stand über dem Bogen des Hoftores, die Inschrift C auf einer Messingplatte im Keller des Hauptgebäudes. Die Inschrift D war auf einem Schwellbalken des Vorderhauses angebracht, zu beiden Seiten der Inschrift dieselben Wappenschilde wie über dem Eingangstor. Nach Fricke2) war diese Inschrift vor dem Zweiten Weltkrieg durch eine Bretterverschalung verdeckt. Auf der Hofseite des Hauptgebäudes die Inschrift E auf dem Schwellbalken des ersten und die Inschrift F auf dem Schwellbalken des zweiten Obergeschosses. Die Jahreszahl G zwischen zwei Wappenschilden an einem Seitengebäude auf dem Schwellbalken; die Wappen waren identisch mit denen des Vorderhauses.

Inschriften nach der Inschriftensammlung Mack.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    M D L XX II

  2. B

    QVICQVID AGASa) PRVDENTER AGAS / ET RESPICE FINEM 3) AN(NO) 1572

  3. C

    HINRICH V(ON) ADENSTEDT ME F(IERI) F(ECIT) / M(AGISTER) HANS SCHRADER ME F(ECIT) / ANNO 1572

  4. D

    VITA QVID EST LABOR EST ET HABENDI VANA CVPIDO TRISTIS AD EXTREMVM SOLLICITVDOb) DIEM 4) PH. M.c) ANNO A CHR(IST)O NATO M . D . LXXII .

  5. E

    TRACHTET AM ERSTEN NACH DEM REICH GOTES VND NACH SEINER GERECHTIGKEIT SO WIRD IEDEN ALLES ZVFALLEN MATH CAP V d) 5)

  6. F

    VIVE DIV SED VIVE DEO NAM VIVERE MVNDOe) / MORTIS [ – – – ] VIVERE [ – – – ] DEO f) 6)

  7. G

    15/72

Übersetzung:

Was immer du tust, handle besonnen und bedenke das Ende. Im Jahr 1572. (B)

Heinrich von Adenstedt hat mich errichten lassen, der Baumeister Hans Schrader hat mich errichtet im Jahr 1572. (C)

Was ist das Leben? Es bedeutet Mühe und eitle Begierde zu haben, traurige Besorgnis bis zum letzten Tag. Im Jahr seit Christi Geburt 1572. (D)

Lebe lange, aber lebe Gott, denn der Welt zu leben ist (ein Werk) des Todes; (das wahre Leben ist es,) Gott zu leben. (F)7)

Versmaß: Ein Hexameter (B), ein elegisches Distichon (D), vermutlich ein weiteres elegisches Distichon (F), nur teilweise überliefert.

Wappen:
Adenstedt8)Twedorp9)

Kommentar

Heinrich von Adenstedt immatrikulierte sich im August 1562 an der Universität Rostock.10) Verheiratet war er mit Margarethe Twedorp11), mit der er 1571 den Neubau des Hauses Gördelingerstr. 42 errichten ließ. Heinrich von Adenstedt starb im Jahr 1605, seine Ehefrau 1612.12) Bei dem in der Inschrift C genannten Hans Schrader dürfte es sich um den Baumeister handeln, auch wenn sich in den Quellen dieser Zeit kein Baumeister dieses Namens nachweisen läßt.

Textkritischer Apparat

  1. AGAS] Fehlerhaft für AGIS.
  2. SOLLICITVDO] SOLLICITVDI Fricke.
  3. PH. M.] Die Initialen fehlen bei Fricke, Mack löst sie als PH(ILIPP) M(ELANCHTHON) auf.
  4. VND NACH ... V] VND NA ... Steinacker, Häuserkatalog, nach Brandes. Die Wiedergabe bei Steinacker erweckt den Eindruck, als ob nur noch der erste Teil der Inschrift lesbar war. Möglicherweise haben Fricke und Mack die Inschrift nur nach dem Bibeltext ergänzt.
  5. Das O war nach der Darstellung in der Inschriftensammlung Mack in das D eingestellt.
  6. Der Hexameter stimmt in allen Überlieferungen überein, während sich bei der Überlieferung des zweiten Verses große Abweichungen finden, die darauf schließen lassen, daß die Inschrift nicht mehr vollständig erhalten war. So wie hier im Text ist die Inschrift bei Steinacker, Häuserkatalog, wiedergegeben. Jesse überliefert VIVE ... EST VIVERE VITE DEO DUCE M. BARTRAM. Bei Fricke lautet der zweite Vers MORTIS QVS VIA EST VIVERE VITE DEO, bei Mack, der offenbar nach Walther (vgl. Anm. 6) ergänzt, ohne dies zu kennzeichnen, MORTIS OPVS VIVA EST VIVERE VITA DEO. Am Ende der Inschrift soll laut Mack gestanden haben STICE M. BARH., was er im Sinne von ‘Verse des Martin Barhemius’, eines Rektors der Martinischule in Braunschweig, deutet. Woher Jesse und Mack die Namen am Ende der Inschrift haben, bleibt rätselhaft.

Anmerkungen

  1. Nro. 82.
  2. Fricke, Bürgerhäuser, S. 42.
  3. Walther, Proverbia sententiaeque, Bd. 4, Nr. 25251.
  4. Ebd., Bd. 5, Nr. 33869.
  5. Mt. 6,33.
  6. Walther, Proverbia sententiaeque, Bd. 5, Nr. 33942: Vive diu, sed vive Deo! nam vivere mundo/ Mortis opus: vera est, vivere, vita, Deo.
  7. Übersetzung ergänzt nach dem Vers bei Walther, ebd.
  8. Wappen Adenstedt (geteilt, oben und unten je eine dreiblättrige Blüte). Vgl. Meier/Kämpe, Heraldische Untersuchungen 1903, S. 25.
  9. Wappen Zweidorf (Twedorp) (Balken, darüber zwei, darunter eine halbe Rose). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 11 u. Tafel 9.
  10. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 146b, 157. Die bei Reidemeister, Genealogien, S. 150, für das Jahr 1559/60 verzeichnete Immatrikulation an der Universität Wittenberg ließ sich anhand der Matrikel nicht nachweisen.
  11. Reidemeister, Genealogien, S. 150.
  12. Vgl. die Stammtafeln der Familie Twedorp (Zweidorf), STA Wolfenbüttel, 36 Alt 180.

Nachweise

  1. Inschriftensammlung Mack.
  2. Sammlung Sack, Nr. 90, Teil 2, p. 2 (A, D).
  3. Steinacker, Häuserkatalog (B, Anfang von E, F unvollständig).
  4. Jesse, Inschriften, S. 142 (F).
  5. Fricke, Haussprüche, S. 42 (B, D–F).

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 537† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0053708.