Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 522 Münster, Westfälisches Landesmuseum 1569

Beschreibung

Zwei als Gegenstücke konzipierte Porträts des Superintendenten Martin Chemnitz und der Anna Jäger.1) Öl auf Eichenholz. Die Gemälde stammen von Ludger tom Ring d. J. Chemnitz und seine Ehefrau sind jeweils hinter einer steinernen Brüstung stehend dargestellt. Chemnitz hält in der Rechten eine Paternosterschnur mit Bisamapfel, um den herum die Inschrift A verläuft. Oben auf der Brüstung die Inschrift B und das Künstlerzeichen tom Rings (M3). Rechts daneben ein Zettel mit der nur schemenhaft erkennbaren Inschrift C. Vor der Brüstung zwei querrechteckige Tafeln, darauf die Inschrift D. In der oberen rechten Ecke des Gemäldes ein Wappenschild. Dieselbe Anordnung findet sich gespiegelt im Porträt der Ehefrau: ein Wappenschild in der oberen linken Ecke; oben auf der Brüstung die Inschrift E, links davon liegt ein aufgeschlagenes Buch, darin angedeutete, aber nicht lesbare Buchstaben; vor der Brüstung in zwei querrechteckigen Tafeln die Inschrift F. Anna Jäger trägt an einer Kette um den Hals eine rautenförmige Medaille, um die die Inschrift G verläuft.

Im Städtischen Museum Braunschweig existieren Kopien der Gemälde, bei denen es sich nicht beurteilen läßt, ob sie noch im Berichtszeitraum entstanden sind. Auch wenn dies wahrscheinlich ist, werden die Kopien hier nicht als eigene Katalognummer verzeichnet, da die Inschriften der Kopien mit denen der Originale übereinstimmen.

Maße: H.: 36,3 cm; B.: 25,2 cm (Bild des Mannes); H.: 38 cm; B.: 25 cm (Bild der Frau); Bu.: 0,15 cm (A), 0,3 cm (B, E), 0,1 cm (C, G), 0,35 cm (D, F).

Schriftart(en): Schräggestellte humanistische Minuskel mit Versalien (A–F), Kapitalis (G).

Sabine Wehking [1/5]

  1. A

    Christus ierea)

  2. B

    Anno , 1569 , / Aetatis sue , 46 ,

  3. C

    Sive vivimus/ sive · morimur / domini sumus / Rom . 14 b) 2)

  4. D

    Sicubi Doctoris nome(n) tibi venit ad aures Kemnicii , ipsius hic aspicis effigiem , / Illi , sex annis cum pentaeteridas octo , Auxisset, facies haec fuit atq(ue) color .

  5. E

    An(no) . D(omini) . 1569 . / Aeta(tis). su(ae) · 36 ·

  6. F

    Dote probata sua virtute probata mariti Siue Rebecca fuit siue Susanna fuit . / Vxor Kemnicij nunqua(m) co(n)cedet honori Siue Rebecca tuo siue Susanna tuo .

  7. G

    VON · G(OTTES) · GNA(DEN) / · IVLHc) · HER/[...]d) · BRVN(SWIK) · /·VN · LVN(EBVRG)

Übersetzung:

Im Jahr 1569 im Alter von 46 (Jahren). (B)

Ob wir leben oder sterben, (so) sind wir des Herrn. (C)

Wenn dir irgendwo der Name des Doktor Chemnitz zu Ohren gekommen ist, hier siehst du das Bild desselben. Er hatte, als er die 40er um sechs Jahre vermehrt hatte, dieses Gesicht und Aussehen. (D)

Im Jahr 1569 im Alter von 36 (Jahren). (E)

Wenn Rebecca ihrem Ehemann durch ihre Begabung lieb war, Susanna durch ihre Tugend, die Ehefrau des Chemnitz wird deinem Ansehen, Rebecca, oder deinem Ansehen, Susanna, niemals nachstehen. (F)

Versmaß: Elegische Distichen (D, F).

Wappen:
Chemnitz3)Jäger4)

Kommentar

Den Bibelvers aus dem Römerbrief, der auf dem auf der Brüstung liegenden Zettel steht (C), bezeichnete Martin Chemnitz in seinem Testament als mein Epitaphium.5)

Martin Chemnitz wurde am 9. November 1522 in Treuenbrietzen geboren.6) Im Jahr 1543 immatrikulierte er sich an der Universität Frankfurt a. d. O.;7) im Jahr 1550 wurde er Bibliothekar am Hof in Königsberg; 1554 ging er zu Melanchthon nach Wittenberg und hielt an der dortigen Universität Vorlesungen. 1554 wurde er nach Braunschweig berufen, um dort das Amt des Koadjutors unter dem Superintendenten Joachim Mörlin zu übernehmen. Nach dem Weggang Mörlins aus Braunschweig wurde Chemnitz im Jahr 1567 Superintendent. Im Jahr 1568 erwarb er auf Wunsch des Braunschweiger Rates an der Universität Rostock den Titel eines Doktors der Theologie.8) Das Amt des Superintendenten legte er 1584 aus Gesundheitsgründen nieder. Er starb am 8. April 1586 (vgl. das Epitaph in St. Martini, Nr. 574). Martin Chemnitz gehörte zu den bedeutendsten Theologen der nachreformatorischen Zeit. Er wirkte u. a. an der Gründung der Universität Helmstedt mit und war maßgeblich an dem lutherischen Konkordienwerk beteiligt. Seine Ehefrau Anna Jäger wurde 1533 in Köthen geboren und zog später mit ihren Eltern nach Wittenberg, von dort nach Helmstedt und schließlich nach Braunschweig um. Hier heiratete sie im Jahr 1555 Martin Chemnitz, mit dem sie zehn Kinder hatte. Anna Jäger starb am 30. November 1603 und wurde wie ihr Mann in der Martinikirche begraben (vgl. ihre Grabplatte Nr. 704).9)

Textkritischer Apparat

  1. iere] Eventuell auch zu lesen als lere. Die Bedeutung der Inschrift ist unklar. Die in Kat. tom Ring, Bd. 2, S. 462, vorgeschlagene Möglichkeit, das Wort als aus dem Griechischen übertragen anzusehen, erscheint wenig plausibel. Eher wäre ein deutscher Spruch der Art ‘Christus, lehre uns ...’ wahrscheinlich.
  2. Die Inschrift ist insgesamt nur sehr undeutlich zu lesen, läßt sich aber einwandfrei als die zugrundeliegende Bibelparaphrase erkennen.
  3. IVLH] Lesung unsicher, gemeint ist IVLIVS.
  4. HER[...]]Die Stelle ist nicht lesbar, sinngemäß ist hier zu ergänzen HERZOG ZV.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 81 WKV u. 1536 LM.
  2. Nach Rm. 14,8.
  3. Wappen Chemnitz (geteilt, oben oberhalbe Lilie).
  4. Wappen Jäger (aus dem oberen Schildrand wachsender Arm, ein Jagdhorn am Band haltend).
  5. Sta Braunschweig, B I 23, fol. 90r.
  6. Die biographischen Daten in: NDB, Bd. 3, S. 201f.
  7. Matrikel Frankfurt, S. 88.
  8. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 165b u. 166.
  9. Die biographischen Angaben zu Anna Jäger nach ihrer Leichenpredigt, Roth, Auswertungen, Nr. 2853.

Nachweise

  1. Riewerts/Pieper, Maler, S. 118f., Nr. 134 u. 135, Abb. 117 u. 118 (A, B, D–F).
  2. Kat. tom Ring, Bd. 2, S. 462f. u. 621f. (A, B, D–F), Abb. S. 463.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 522 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0052201.