Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)
Nr. 512(†) St. Andreas 1568, 1725
Beschreibung
Kelch. Silber, vergoldet. Der Kelch wurde im Jahr 1725 komplett erneuert; lediglich das kleine Kruzifix des alten Kelches wurde offenbar auf das Nachfolgerstück übernommen. Auch die Stifterinschrift des alten Kelches wurde auf den neuen Kelch übertragen, der diese somit kopial überliefert. Da man die Renovierungsinschrift des Jahres 1725 auf die alte Inschrift abstimmte (vgl. den Kommentar), bildet sie heute zusammen mit der älteren Inschrift eine Einheit, die sich auch in der Art der Anbringung dokumentiert. Daher wird hier – abweichend vom sonstigen Editionsprinzip – die kopial überlieferte Inschrift wie ein Original behandelt und die Inschrift aus dem Jahr 1725 in die Textedition einbezogen.
Der gebuckelte und abgetreppte Sechspaßfuß erhebt sich über einer breiten Sockelplatte. In einem Segment des Sechspasses ist auf der oberen Platte das Kruzifix des alten Kelches mit einem Titulus (A) daran befestigt. In der Mitte des Fußes steigt der sechsseitige Fußhals steil an, der ohne Überleitung in den Schaft übergeht. Der Nodus ist abgeflacht und weist oben und unten jeweils sechs glatte Zungen auf, in der Mitte dazwischen sechs glatte, rautenförmige Rotuli. Oberhalb des Nodus ein kurzes sechsseitiges Schaftstück, dem die steilwandige hohe Kuppa aufgesetzt ist. Unter dem Fuß ist die Inschrift B eingraviert; die beiden Distichen sind jeweils in einem Halbkreis zweizeilig angeordnet, dazwischen ein Rankenornament. Auf der Sockelplatte das Braunschweiger Beschauzeichen, eine Stichelprobe, der Ältermannsbuchstabe D und die Marke mit den Initialen (C) des Goldschmieds.
Maße: H.: 25 cm; Dm.: 17,5 cm (Fuß), 15,5 cm (Kuppa); Bu.: 0,2 cm (A, C), 0,3 cm (B).
Schriftart(en): Kapitalis (A, C), Kapitalis mit Versalien (B).
- A
I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM) 1)
- B
AVTOR · DE · BRVGGENa) · VENERANS · TVA · DOGMATA · CHRISTE ·/ HOC · TEMPLO · ANDREAE · MVNVS · HABERE · DEDIT · 1568 ·/ ANDREAS RÖPENACK · SIMILI · PIETATE · COLENS TE / HVNC · CALICEM · RENOVAT · CHRISTE · DICATQVE · TIBI · 1725 ·
- C
AR
Übersetzung:
Autor von Brüggen, der deine Lehren verehrt, Christus, hat dieses Geschenk der Kirche St. Andreas zum Besitz gegeben. 1568. Andreas Röpenack, der dich mit gleicher Frömmigkeit verehrt, hat diesen Kelch erneuert und dir, Christus, zugeeignet. 1725. (B)
Versmaß: Elegische Distichen (B).
Textkritischer Apparat
- V mit ü-Strichen.
Anmerkungen
- Io. 19,19.
- Sta Braunschweig, B I 23, fol. 249r–251v.
- Spies, Goldschmiede, Bd. 3, S. 135, Nr. 515f.
Nachweise
- Sammlung Sack, Nr. 128, p. 79.
- Schröder/Aßmann, Stadt Braunschweig, 2. Abt., S. 174f.
- Jesse, Inschriften, S. 143.
- Wandersleb, Inventar, St. Andreas, Nr. 4.
- Spies, Goldschmiede, Bd. 3, S. 136, Nr. 515,22.
Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 512(†) (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0051204.
Kommentar
Da die Schriftform, in der die Inschrift B ausgeführt ist, eher der Entstehungszeit des älteren Kelches entspricht, ist es nicht auszuschließen, daß sich der Goldschmied bei der Ausführung der Inschrift an der älteren Inschrift orientierte. Hierauf läßt sowohl die ausgeprägte Renaissancekapitalis schließen, deren Gebrauch auf Goldschmiedearbeiten in Braunschweig schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hinter den Gebrauch der Fraktur zurücktrat, als auch die Verwendung von V für vokalisches u, die im 18. Jahrhundert nicht mehr üblich ist. Bei der Abfassung der neuen Inschrift wählte man in Entsprechung zu der Inschrift von 1568 die Form des elegischen Distichons und knüpfte auch inhaltlich an die alte Stifterinschrift an. Daß der Goldschmied Andreas Röpenack sich sowohl in Form und Inhalt des Textes als auch in der Ausführung der Buchstaben an die Vorgaben des eingeschmolzenen Kelches hielt, könnte auch auf eine weitgehende Bewahrung des äußeren Erscheinungsbildes des Vorgängerkelches schließen lassen. Zumindest fühlte sich Röpenack in besonderer Weise der Tradition verpflichtet.
Der Stifter des Kelches von 1568, Autor von Brüggen, starb nach einem Vermerk im Testamentbuch im Jahr 1574.2) Der Braunschweiger Goldschmied Andreas Röpenack, von dem zahlreiche Arbeiten überliefert sind, wurde im Jahr 1669 geboren. Seit 1695 war er als Goldschmied tätig, 1713 bis 1719 fungierte er als Gildemeister. Er starb im Jahr 1725.3) Den Kelch, den er laut Inschrift auf eigene Kosten für die Kirche St. Andreas einschmolz und neu gestaltete, fertigte er somit kurz vor seinem Tod an.