Inschriftenkatalog: Stadt Braunschweig von 1529 bis 1671
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)
Nr. 412† Ölschlägern 40 1530
Beschreibung
Hausinschriften.1) Das dreigeschossige traufenständige Fachwerkhaus mit Zwischengeschoß und vorkragenden Obergeschossen wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Inschrift A befand sich auf der Schwelle des zweiten Obergeschosses, die Inschrift B auf der Schwelle des ersten Obergeschosses. Die Schwellbalken waren mit Laubstab verziert, dem die weit auseinanderstehenden Wörter der Inschriften aufgelegt waren. Auf dem unteren Schwellbalken links und rechts je ein Wappenschild, im linken Wappenschild eine Devise (C).
Inschriften A und B nach Photographien, C nach Meier/Kämpe.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A, B), Kapitalis (C).
- A
an · dem verden Junii vpgericht Des spotters uggelika) achte wy nicht
- B
anno d(omi)ni M ccccc vnde xxx iare Js Duth gebwet Dat ys · ware
- C
V(ERBUM) D(OMINI) M(ANET) I(N) AE(TERNUM) 2)
Übersetzung:
Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. (C)
Juten3) | ?4) |
Textkritischer Apparat
- uggelik] Das Wort war zerstört und wurde so ergänzt (Angabe nach der Inschriftensammlung Mack). Wenn man davon ausgeht, daß die Ergänzung des Wortes nicht willkürlich, sondern aufgrund vorhandener Buchstabenreste vorgenommen wurde, könnte das Wort egelinge oder echelinge (= Verdruß) zugrundegelegen haben. Die Inschrift wäre dann so zu verstehen, daß der Verdruß des Spötters angesichts eines so gelungenen Hauses nicht zur Kenntnis genommen wird.
Anmerkungen
- Nro. 2342.
- 1. Pt. 1,25. Der Bibelvers wurde seit 1522 von Friedrich dem Weisen als Devise verwendet. In der Folgezeit wurde er zur Devise der protestantischen Seite und fand vor allem durch die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes weite Verbreitung. Vgl. Frederic John Stopp, Verbum Domini Manet In Aeternum – The Dissemination of a Reformation Slogan. In: Essays in German Language, Culture and Society, hg. v. S. S. Prawer, R. H. Hinton u. L. Forster. London 1969, S. 123–135.
- Wappen Juten (Balken mit Inschrift VDMIAE, darüber und darunter je ein Stern). Vgl. Meier/Kämpe, Heraldische Untersuchungen 1903, S. 20.
- Wappen ? (Hausmarke
H1 ). - Die Zuschreibung des Hauses an einen Meister Simon Stappen bei Meier (Kunsthandwerk, S. 9) aufgrund der Gestaltung des Laubstabs und der Inschriften beruht auf reiner Spekulation, da sich der genannte Meister nur zweimal archivalisch nachweisen läßt (ebd., S. 10) und in beiden Fällen vom Braunschweiger Herzog mit Arbeiten beauftragt wird, die nicht das Geringste mit einem Hausbau zu tun haben.
- Vgl. Spieß, Goldschmiede, Gerber, Schuster, S. 45.
- Vgl. Spieß, Ratsherren, S. 287.
Nachweise
- Photographien: NLD Hannover, BS 6506, 10514, 10515, 10819, 10975.
- Fricke, Bürgerhaus, S. 161, Abb. Tafel. 59 (A, B).
- Meier/Kämpe, Heraldische Untersuchungen 1903, S. 20 (C).
- Sammlung Sack, Nr. 90, Teil 1, fol. 110 (A, B, Zeichnung), u. Teil 2, p. 34 (A, B, unvollständig).
- Hausinschriften (A, B).
- Edel, Fachwerkhäuser, S. 10 (A).
- Fricke, Fachwerk, S. 34 (A, B).
- Fricke, Haussprüche, S. 45.
- Pfeifer, Holzarchitektur, Sp. 466.
- Mack, Inschriften, S. 216.
- Steinacker, Häuserkatalog.
Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 412† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0041208.
Kommentar
Das Haus Ölschlägern 40 gehörte zu der Gruppe von Häusern mit einem sehr naturalistisch ausgeführten Laubstab auf den Schwellbalken, der die Urform des später stilisierten Laubstabornaments darstellt. Hier lief waagerecht ein plastisch herausgearbeiteter Stab mit Astansätzen über die Balken, um den sich die gewundene aufgefächerte Blattwelle rankte. Die über das Ornament verteilte Inschrift bestand aus plastischen Buchstaben, die dem Stab aufgelegt waren und in diesem Fall eine flache Oberflächenstruktur aufwiesen.5)
Der Erbauer des Hauses war vermutlich Lüdeke Juten, der in den Jahren von 1536 bis 1547 als Mitglied der Gerber- und Schustergilde nachweisbar ist; 1547 ist er als Meister im Gildevorstand genannt.6) In den Jahren 1553 bis 1573 amtierte er als Ratsherr der Altenwiek.7)