Einleitung: Stadt Braunschweig. Kloster Riddagshausen und eingemeindete Dörfer

4. Inschriften und Inschriftenträger

4.1 Denkmäler des Totengedächtnisses

Rund ein Drittel der Inschriften des bearbeiteten Bestandes stammen von Denkmälern des Totengedächtnisses und bilden somit die größte Gruppe inschrifttragender Objekte. Von den 25 Grabdenkmälern stammen 18 aus der Riddagshäuser Klosterkirche (etwa 70 Prozent); die restlichen sieben verteilen sich auf vier andere Ortschaften. Erhalten haben sich gut die Hälfte der Denkmäler, die andere Hälfte konnte anhand älterer Abschriften ediert werden. Bei den meisten Objekten handelt es sich um steinerne Grabplatten, die als Abdeckung des unterhalb des Fußbodens befindlichen Grabes dienten, wohingegen die aus Holz oder Stein gefertigten Epitaphien unabhängig vom Begräbnisort an einer Wand angebracht waren; gleiches gilt für die beiden ehemals auf dem Chor der Klosterkirche befindlichen Fahnen verstorbener Soldaten (Kat.-Nr. 61). Da die meisten Grabplatten im Laufe der Zeit aufgenommen und an Wänden aufgestellt worden sind, ist eine Unterscheidung von einem Epitaph nicht immer ganz eindeutig. Lediglich zwei Grabplatten sind noch in einer liegenden Position erhalten (Kat.-Nr. 47 u. Kat.-Nr. 65); die Grabplatte des Abtes Peter Windruwe wurde jedoch von ihrem originalen Standort innerhalb der Klosterkirche versetzt.

Die frühesten Grabdenkmäler stammen aus dem 14. Jahrhundert, sind jedoch lediglich kopial überliefert (Kat.-Nr. 2 u. Kat.-Nr. 3); das erste noch erhaltene Grabdenkmal ist die Grabplatte eines Unbekannten aus dem Jahr 1440, die sich an der südlichen Außenwand der Klosterkirche Riddagshausen befindet (Kat.-Nr. 10). Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sind ausschließlich Grabdenkmäler aus der Klosterkirche nachgewiesen, erst in der folgenden Zeit lassen sich auch Grabdenkmäler außerhalb Riddagshausens nachweisen. Dies mag mitunter mit der recht dichten Überlieferungslage der Riddagshäuser Grabdenkmäler zusammenhängen (vgl. Kap. 3); von den 13 bis 1600 produzierten Grabdenkmälern sind acht nach kopialer Überlieferung ediert.

Ein Großteil der Grabmäler waren für Geistliche, fünf für Mitglieder des Adels, drei für Frauen, drei für Militärangehörige und zwei für Kinder bestimmt. Die Grabmäler sind einheitlich mit einer umlaufenden Inschrift versehen; Ausnahmen bilden die beiden hölzernen Epitaphien in Leiferde und Bevenrode (Kat.-Nr. 60 u. Kat.-Nr. 67) sowie die Grabplatte der Kinder des Zacharias Brandshagen in Riddagshausen (Kat.-Nr. 65). Für die kopiale Überlieferung ist nicht immer sicher festzumachen, an welcher Stelle sich die Inschriften befanden. Das von der Grabschrift umschlossene Mittelfeld war zumeist mit der figürlichen Darstellung des/der Verstorbenen versehen; die Darstellung entspricht dabei dem jeweiligen sozialen Stand. Zur Veranschaulichung der adeligen Abkunft findet sich auf den Grablatten Adelsangehöriger zusätzlich das Familienwappen; die Grabplatte des im Kindesalter Verstorbenen Hans Georg von Löhneysen enthält eine vierteilige Ahnenprobe (Kat.-Nr. 39). Neben dem Adel präsentierten sich auch die beiden Äbte Johannes Lorber und Peter Windruwe mit ihren jeweiligen Abtswappen (Kat.-Nr. 38 u. Kat.-Nr. 47). Im Falle des 1440 unbekannten Verstorbenen, dessen Grabplatte sich an der südlichen Außenwand der Riddagshäuser Klosterkirche befindet, wurde zu Gunsten des Wappens auf eine figürliche Darstellung verzichtet (Kat.-Nr. 10); gleiches ist auch für die Grabplatte des 1452 verstorbenen Ludolf von Veltheim festzuhalten (Kat.-Nr. 11). Erst mit dem 1641 bei Wolfenbüttel verstorbenen schottischen Oberfeldherrn David Sibbald tritt in dem bearbeiteten Bestand eine reine Wappendarstellung wieder auf (Kat.-Nr. 60). Die häufig im sepulkralen Kontext anzutreffende Darstellung des Verstorbenen in betender Haltung vor dem gekreuzigten Christus lässt sich im Bestand in drei Fällen nachweisen. Während das Epitaph des Riddagshäuser Priors und Pastors Christian Probst den Verstorbenen allein zeigt (Kat.-Nr. 45), sind die beiden Pfarrer Johannes Hess aus Bevenrode und Hartwieg Flor aus Hondelage von ihrer Familie umgeben (Kat.-Nr. 67 u. Kat.-Nr. 41).

Ein Großteil der Grabinschriften folgt einem weitgehend festgelegten Grundformular; lediglich drei Grabmäler weichen von diesem durch ihre in Versform abgefassten Inschriften ab (Kat.-Nr. 3, Kat.-Nr. 25 u. Kat.-Nr. 26). Das Grundformular besteht aus dem Todesdatum, einem Ausdruck für „sterben“, standestypischen Attributen, dem Namen des/der Verstorbenen und gegebenenfalls der Amtsbezeichnung; beendet werden die meisten Grabschriften von einem kurzen Fürbittgebet. Das Formular ist in lateinischer sowie in deutscher Sprache gleichermaßen üblich. Findet auf den frühen Grabmälern noch ein schlichtes obiit bzw. starb/starf Verwendung, werden seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Ausdrücke wie placide in Christo servatore obdormivit bzw. in Gott seliglich entschlafen, die das sanfte Sterben betonen, gebräuchlich; ausgenommen sind hiervon die durch einen gewaltsamen Tod Verstorbenen (Kat.-Nr. 22, Kat.-Nr. 39 u. Kat.-Nr. 60). Weitere Änderungen ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zeigen sich auch durch die zunehmende Aufnahme weiterer Elemente in das Grundformular. Auf sieben Grabmälern wird das Alter des/der Verstorbenen angegeben; im Falle des im Kindesalter Verstorbenen Hans Georg von Löhneysen sogar auf den Tag genau (Kat.-Nr. 39). Auf drei Grabmälern ist die genaue Todesstunde vermerkt (Kat.-Nr. 39, Kat.-Nr. 41 u. Kat.-Nr. 44), zwei Grabplatten nennen die Amtsjahre der verstorbenen Äbte (Kat.-Nr. 47 u. Kat.-Nr. 53) und auf dem in Leiferde befindlichen Epitaph des schottischen Oberfeldherrn David Sibbald ist dessen Herkunft durch den Namen seines Vaters festgehalten (Kat.-Nr. 60). Auf den drei Frauengrabmälern ist stets der Name des Ehemannes vermerkt; im Falle der Frau des Riddagshäuser Abtes Peter Windruwe zusätzlich die Dauer der Ehe (Kat.-Nr. 44).

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts treten zusätzlich zu den reinen Grabschriften vermehrt auch Bibelzitate auf, die in einem abgetrennten Schriftfeld oder entlang der Architekturverzierungen im Mittelfeld angebracht sind. Die Quellen der Zitate sind weit verstreut, sodass sich für den bearbeiteten Bestand keine Aussagen hinsichtlich einer Präferenz treffen lassen. Neben den Bibelzitaten sind zwei Grabplatten darüber hinaus mit Herstellervermerken versehen (Kat.-Nr. 37 u. Kat.-Nr. 43); bemerkenswert ist die auf dem Epitaph der Margaretha Gercken zusätzlich angebrachte Angabe der Herstellungsdauer (IOCHIM WINTER HERVF GEARBEIT ˑ 5 ˑ TAG). Zwei weitere Grabmäler können durch einen Schriftvergleich dem Braunschweiger Bildhauer Jürgen Röttger zugesprochen werden (Kat.-Nr. 45 u. Kat.-Nr. 47), der auch für die Geschichtstafel der Riddagshäuser Kirche (Kat.-Nr. 48) verantwortlich war. Die Grabplatte des Abtes Johannes Lorber (Kat.-Nr. 38) kann zudem durch eine alte Rechnung dem Braunschweiger Bildhauer Weimar Heinemann zugewiesen werden. Die Werkstätten der restlichen Grabdenkmäler sind unbekannt.

4.2 Bau- und Hausinschriften

Von den insgesamt 15 Bau- und Hausinschriften haben sich acht im Original erhalten, die restlichen sieben konnten auf Grundlage der kopialen Überlieferung ediert werden. Die Inschriften zeugen von Neubau-, Renovierungs- bzw. Umbaumaßnahmen, die vornehmlich an kirchlichen Gebäuden vorgenommen wurden. Ein Großteil der Inschriften stammt aus dem 15. bzw. frühen 16. Jahrhundert und zeugt von einem steigenden Bevölkerungswachstum, dem sich die kirchlichen Räumlichkeiten anzupassen hatten.

Ein Großteil der Bauinschriften sind auf schlichten Steinquadern, die sich außen am oder im Mauerwerk des Gebäudes befinden, angebracht; die meisten Inschriften tragen nicht viel mehr als eine Jahres- bzw. Datumsangabe. Eine etwas längere Inschrift findet sich hingegen an der Stöckheimer Kirche, an deren Ostwand ein Kreuzigungsrelief (Kat.-Nr. 12) mit einer darunter befindlichen Inschrift angebracht ist, die neben dem Baujahr auch den Stifter sowie eine Aufforderung zur Fürbitte trägt. Ähnliche Kreuzigungsreliefs sind auch aus anderen Gemeinden aus dem 15. und 16. Jahrhundert bekannt.13)

Die beiden im Bearbeitungsgebiet noch erhaltenen Hausinschriften befinden sich an den beiden ehemaligen Landwehrschänken des Rüninger (Kat.-Nr. 63) bzw. Ölper Turms (Kat.-Nr. 62). Beide Inschriften sind erhaben geschnitzt und am Schwellbalken des Fachwerkbaus angebracht. Das mit reichen Schnitzereien verzierte Fachwerk beider Häuser ähnelt denen der innerstädtischen Bürgerhäuser; die Inschriften sind ähnlich kurz gehalten14): am sog. Rüninger Turm befindet sich lediglich das Baujahr, der sog. Ölper Turm ist zusätzlich mit einem in Reimvers abgefassten Hausspruch versehen.

4.3 Glocken

Von den insgesamt sieben Glocken, die im Bearbeitungsgebiet nachgewiesen sind, haben sich vier im Original erhalten; die drei jüngsten Glocken aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind nur noch kopial überliefert. Die älteste Glocke stammt aus der Kirche von Volkmarode und datiert in das 14. Jahrhundert (Kat.-Nr. 6), ihr folgt die in Lehndorf befindliche Glocke von 1488 (Kat.-Nr. 14). Beide aus dem Spätmittelalter stammenden Glocken weisen für ihre Zeit typische Glockensprüche auf. Die ihnen zeitlich nachfolgenden Glocken sind hingegen mit Gießersignaturen versehen; die kleinere der beiden aus Bienrode stammenden Glocken trägt lediglich das Herstellungsjahr (Kat.-Nr. 20).

Die drei aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammenden Glocken sind Werke regionaler Werkstätten, die mit für den Gießer typischen Spruch versehen sind; für die 1488 gegossene Lehndorfer Glocke wird der Braunschweiger Gießer Hinrik Menten d. Ä. vermutet. Die beiden in Bienrode befindlichen Glocken des 16. Jahrhunderts hingegen sind niederländischen Ursprungs. Diese wurden nach dem Raub der alten Kirchenglocke 1624 durch dänische Soldaten von der Gemeinde neu angekauft. Die Arbeit der größeren Glocke (Kat.-Nr. 28) sticht durch ihre filigrane Arbeit hervor, die von den handwerklichen Fähigkeiten ihrer beiden Gießer Wilhelm van Aelten und Thomas Both zeugt.

4.4 Kelche, Patenen und Altarleuchter

In dem bearbeiteten Bestand sind neun Kelche, zwei Patenen sowie zwei Altarleuchterpaare nachgewiesen; abgesehen von zwei Kelchen sind alle genannten Objekte noch vorhanden. Drei der Kelche sind datiert (Kat.-Nr. 55, Kat.-Nr. 57 u. Kat.-Nr. 58), zwei weitere nennen, wie die dazugehörigen Patenen, das Jahr einer späteren Stiftung (Kat.-Nr. 17 u. Kat.-Nr. 23); die restlichen Objekte sind undatiert und nur durch stilkritische Erwägungen zeitlich einzuordnen. Die beiden ältesten Kelche stammen aus der Kirche von Volkmarode und sind um 1400 zu datieren (Kat.-Nr. 42 u. Kat.-Nr. 5); die jüngsten sind die beiden Zinnkelche aus Bienrode und Bevenrode, welche während des Dreißigjährigen Krieges in den 1630er Jahren hergestellt wurden und von dem Bedürfnis der Bevölkerung zeugen, auch unter den schwierigen Kriegsumständen das Abendmahl zu feiern (Kat.-Nr. 57 u. Kat.-Nr. 58).

An den Schaftstücken sowie den Rotuli sind häufig die Namen Jesu und Marias angebracht; die Unterseite eines Kelchs und seiner Patene sind mit einer Gewichtsangabe versehen (Kat.-Nr. 17). Längere Inschriften finden sich ausschließlich in Form von Stifterinschriften wieder, die am Fuß oder der Kuppa des Kelches eingraviert sind. Insgesamt sechs Kelche sowie die beiden Patenen sind mit Stifterinschriften versehen; zwei der Kelche weisen mehrfache Stiftungen aus verschiedenen Zeiten auf (Kat.-Nr. 55 u. Kat.-Nr. 17). Als Stifter fungierten zumeist wohlhabende Bürger; in einem Fall der amtierende Pfarrer der Gemeinde (Kat.-Nr. 55). Auf drei der Kelche finden sich neben den Stifterinschriften auch die Wappen der Stifter wieder (Kat.-Nr. 55, Kat.-Nr. 17 u. Kat.-Nr. 23). Zwei der Kelche sind darüber hinaus durch ihre Meistermarken einem Goldschmied bzw. Zinngießer zuzuordnen (Kat.-Nr. 55 u. Kat.-Nr. 58).

Die beiden schlicht gestalteten Altarleuchterpaare aus Volkmarode (Kat.-Nr. 68) und Stiddien (Kat.-Nr. 24) sind wie die Kelche mit Stifterinschriften versehen, die lediglich die Namen der beiden Stifterpaare tragen.

4.5 Sonstige Kirchenausstattungsstücke

Die unter dem Oberbegriff Kirchenausstattungsstücke zusammengefassten Objekte umfassen drei Taufsteine, drei Gemälde, eine Kanzel, einen Altar, einen Taufdeckel, eine Orgel, eine Glasmalerei sowie die sog. Geschichtstafel der Riddagshäuser Klosterkirche. Von den genannten Objekten haben sich acht im Original erhalten, vier konnten anhand kopialer Überlieferung ediert werden. Neun Objekte stammen aus der Klosterkirche Riddagshausen, die restlichen drei aus anderen Ortschaften; lediglich der aus Volkmarode stammende und heute in der Kirche von Weddel (Lkr. Wolfenbüttel) befindliche Taufstein (Kat.-Nr. 72) hat sich von diesen drei Objekten erhalten.

Von der mittelalterlichen Kirchenausstattung der Riddagshäuser Klosterkirche hat sich kein einziges Objekt erhalten. Grund hierfür sind die wiederholten, aus konfessionellen Auseinandersetzungen hervorgegangenen Zerstörungen des Klosters zwischen den Jahren 1542 und 1606, denen zahlreiche in der Klosterkirche befindliche Objekte zum Opfer fielen.15) Die neun aus der Klosterkirche stammenden Stücke entstammen daher vorwiegend aus den Jahren nach 1606; eine Ausnahme bilden der 1562 von Abt Johannes Lorber in Auftrag gegebene Taufstein (Kat.-Nr. 30) sowie die beiden heute im Herzog Anton Ulrich-Museum befindlichen Porträts desselben und seiner Frau (Kat.-Nr. 35 u. Kat.-Nr. 36). Mit Ausnahme des Altars (Kat.-Nr. 49), der 1735 durch einen Nachfolgebau ersetzt wurde, sowie der von Heinrich Compenius geschaffenen Orgel (Kat.-Nr. 51), deren Bestandteile sich zum Teil in der 1979 gebauten Orgel wiederfinden, sind alle Stücke noch erhalten und prägen das Bild der heutigen Klosterkirche. Die Kanzel (Kat.-Nr. 54) sowie der Taufdeckel (Kat.-Nr. 52), die zu den Prinzipalstücken lutherischer Kirchenausstattungen gehören und auf deren Gestaltung besonderes Augenmerk gelegt wurde, zeigen sich in ihrem Bild- und Inschriftenprogramm als typische Stücke einer lutherischen Kirche.

Zitationshinweis:

DIO 7, Braunschweig III, Einleitung, 4. Inschriften und Inschriftenträger (Anna Weissmüller), in: www.inschriften.net,   urn:nbn:de:0238-dio007g003e008.

  1. Vgl. Kat.-Nr. 12, Anm. 3. »
  2. Zu den Braunschweiger Hausinschriften siehe DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXXIXXXIII»
  3. Siehe hierzu Langerfeldt, Verheerungen im Kloster Riddagshausen. »