Einleitung: Stadt Braunschweig. Kloster Riddagshausen und eingemeindete Dörfer

2. Das Bearbeitungsgebiet

Zwischen 1931 und 1974 wurden in die Stadt Braunschweig insgesamt 30 Ortschaften eingemeindet, die sich in einem Umkreis von wenigen Kilometern um das alte Stadtgebiet erstrecken. Ein Großteil der Gemeinden stammt aus dem ehemaligen Landkreis Braunschweig, der im Zuge der Niedersächsischen Gebietsreform am 01. März 1974 aufgelöst und auf die Stadt Braunschweig sowie die umliegenden Landkreise Wolfenbüttel, Peine und Helmstedt aufgeteilt wurde. Neben den acht bereits seit 1931 (Veltenhof) bzw. 1934 (Gliesmarode, Lehndorf, Melverode, Ölper, Querum, Riddagshausen und Rühme) zur Stadt Braunschweig eingemeindeten Ortschaften, gelangten durch die Gebietsreform 18 Gemeinden aus dem Landkreis Braunschweig in die Stadt Braunschweig; drei weitere Gemeinden wurden der Stadt aus dem Landkreis Wolfenbüttel (Geitelde, Leiferde und Stiddien) und eine aus dem Landkreis Gifhorn (Harxbüttel) zugesprochen.

Seit der Teilung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg 1269 gehörte ein Großteil der heute zur Stadt Braunschweig gehörenden Dörfern zum neu entstandenen Teilherzogtum Braunschweig (später als Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel bezeichnet); einige wenige, im Norden bzw. Nordosten gelegene Ortschaften standen hingegen unter der Herrschaft des Fürstentums Lüneburg. Aufgrund ihrer Grenzlage kam es im Laufe der Zeit zu zahlreichen Grenzstreitigkeiten zwischen den Fürstentümern, die zu wechselnden Gebietszugehörigkeiten einzelner Ortschaften führten. Besonders betroffen waren hiervon die dem Amt Campen zugehörenden Gemeinden. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts gelangten die Gemeinden Bevenrode, Waggum und Bienrode sowie Schapen, Volkmarode und Dibbesdorf endgültig in den Besitz der Wolfenbüttler Linie.3)

Die im Gebiet des Fürstentums Braunschweig(-Wolfenbüttel) gelegene Stadt Braunschweig blieb bei der Teilung des Herzogtums gemeinsames Herrschaftsgebiet beider Fürstentümer und fungierte zunächst als Residenz der Braunschweiger Linie. Das wirtschaftliche Erstarken der Stadt sowie ihr verstärktes Autonomiebestreben führten jedoch zu einer allmählichen Verdrängung des Landesherrn aus der Stadt, der schließlich 1432 seine neue Residenz in Wolfenbüttel bezog. In der folgenden Zeit führte die Frage der Huldigung des Landesherrn durch die Stadt, d. h. die offizielle Unterwerfung unter die Hoheit des Landesherrn, sowie der Bestätigung der städtischen Privilegien seitens des Herzogs zu einer Reihe von Auseinandersetzungen. Verstärkt wurden diese durch die Einführung der Reformation. Bereits 1528 bekannte sich die Stadt Braunschweig zur Reformation und stand damit im konfessionellen Gegensatz zu Herzog Heinrich d. J. (reg. 1514–1568), der bis zu seinem Tod am katholischen Glauben festhielt. Erst unter seinem Nachfolger Julius (reg. 1568–1589) kam es auch im Fürstentum zur endgültigen Einführung der Reformation. Die Spannungen zwischen Stadt und Landesherrn blieben jedoch noch bis zur endgültigen Einnahme und Unterwerfung der Stadt durch Herzog Rudolf August (reg. 1666–1704) 1671 bestehen, die dem Autonomiebestreben der Stadt ein Ende setzte.4)

Bedingt durch ihre Lage in diesem konfliktträchtigen Spannungsfeld hatten die umliegenden Gemeinden häufig unter den zahlreichen Kampfhandlungen zu leiden und waren den verheerenden Plünderungen und Zerstörungen ausgeliefert.5) Besonders betroffen war hiervon das unweit der Stadt Braunschweig gelegene Zisterzienserkloster Riddagshausen. Bereits seit seiner Gründung 1145 stand das Kloster in unmittelbarer Nähe zu den welfischen Herrschern. So ging zwar die erste Initiative für die Klostergründung von dem herzoglichen Ministerialen Ludolf von Wenden aus, die Wahl des Standortes, in unmittelbarer Nähe zum herzoglichen Hauptsitz, dürfte jedoch, wie auch die Ausstattung des Klosters, auf eine Entscheidung des welfischen Herrschers Heinrichs des Löwen (reg. 1142–1180) zurückgegangen sein. Dieser hatte dem Kloster 1146 das Dorf Riddagshausen übertragen und sorgte, wie auch seine Nachfolger, für eine Reihe von Privilegien und Rechten für das Kloster und seine Angehörigen.6)

Auch nach der Teilung des Herzogtums und der Verlegung der Residenz nach Wolfenbüttel verblieb das Kloster in enger Beziehung zum Landesherrn. Aufgrund seiner räumlichen Nähe zur Stadt Braunschweig diente das Kloster bei den wiederholten Auseinandersetzungen zwischen der Stadt mit den Wolfenbüttler Herzögen als Quartier der herzoglichen Truppen und zog auf diese Weise den Zorn der Braunschweiger Bürger auf sich, der sich nach Abzug der herzoglichen Truppen in den wiederholten Zerstörungen des Klosters zwischen 1492 und 1606 entlud.7) Nach einem gescheiterten Versuch des Riddagshäuser Abtes Lambert von Balven (1536–1553), durch eine List 1549 die Stadt Braunschweig einzunehmen, erhielt das Kloster von den Braunschweiger Bürgern schließlich den Spottnamen Verrätershausen.8)

Inwieweit das Kloster unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte, ist nicht sicher belegt, doch muss auch in dieser Zeit von allerlei Zerstörungen, Plünderungen und Verwüstungen ausgegangen werden, wie sie auch die umliegenden Gemeinden betrafen. Besonders verheerend erwiesen sich die Kriegsfolgen für die südlich der Stadt Braunschweig gelegenen Gemeinden. Diese hatten im Zuge der Belagerung der Stadt Wolfenbüttel in den Jahren 1627 und 1641 nicht nur die Truppen der Belagerer zu beherbergen, sondern wurden auch nach dem Abbruch des sog. Schwedendamms, der durch die Aufstauung der Oker zu einer Überschwemmung der Stadt Wolfenbüttel geführt hatte, vollständig überflutet.9)

Der auch nach dem Dreißigjährigen Krieg noch bestehende Konflikt zwischen der Stadt Braunschweig und seinem Landesherrn, der auch weiterhin zu schwerwiegenden Verheerungen in den umliegenden Gemeinden führte, wurde schließlich nach der Belagerung der Stadt 1671 – Riddagshausen diente abermals als Lager der herzoglichen Truppen – und der Einverleibung der Stadt in das Herzogtum endgültig beendet.

Zitationshinweis:

DIO 7, Braunschweig III, Einleitung, 2. Das Bearbeitungsgebiet (Anna Weissmüller), in: www.inschriften.net,   urn:nbn:de:0238-dio007g003e008.

  1. Vgl. Landkreis Braunschweig, Bd. 1, S. 5–9. »
  2. Zu den Auseinandersetzungen siehe Spieß, Geschichte, Bd. 1, S. 19–215 sowie DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XVIIXXI»
  3. Beispielhaft sei hier auf Habekost, Chronik Mascherode, S. 40f. und Bornstedt, Chronik von Stöckheim, S. 198–202 verwiesen. »
  4. Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 3, S. 1299–1301. »
  5. Siehe hierzu Langerfeldt, Verheerungen im Kloster Riddagshausen. »
  6. Vgl. hierzu Steding, Jericho und Verrätershausen. »
  7. Siehe hierzu u. a. Bornstedt, Chronik Rüningen, S. 192–199 und Bornstedt, Chronik von Stöckheim, S. 202–206.  »