Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 64 Herzog Anton Ulrich-Museum 2. H. 14. Jh.

Beschreibung

Altardecke; Leinen, mit Leinen- und Seidengarn bestickt. Sie setzt sich aus mehreren thematisch unterschiedlichen Stücken verschiedenen Alters zusammen. Den älteren Mittelteil1) bilden zwölf (drei mal vier) quadratische Motive in Blumenrankenlauben. Sie zeigen je einen ritterlich gekleideten Reiter, der in der rechten Hand einen Wappenschild trägt. Rechts und links sind zwei motivisch gleich ausgeführte Seitenteile mit Tierdarstellungen aus dem ‚Physiologus‘ angesetzt, Arbeiten aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Unter dem Mittelstück ist eine ebenso breite, dreiteilige Borte jüngerer Fertigung angesetzt, deren quadratisches Anfangsteil Blütenornamentik in Vierpässen und achteckigen Sternen zeigt. In der Mitte folgen Rapporte von zehn Frauenhalbfiguren mit verschiedenen Kopfbedeckungen, u.a. drei Kronen. Die Frauen halten jeweils in der linken Hand geschwungene, an den Enden gerollte Schriftbänder mit gleichlautenden Inschriften und in der rechten Hand Eichenblätter und gestielte Blüten als Trennmotive. In der rechten Ecke befindet sich als Abschluß der Galerie ein einzelnes Frauenbild ohne Schriftband in einem Eichenkranz. Oben schließt die Decke mit einer fünfteiligen Borte ab, auf der Vögel in Eichenblattranken, das Agnus Dei und die Halbfigur der hl. Katharina in Kreuzblumenranken und einem Pfauenfries, sechs springende Hirsche mit Eichenblatt in Einzelquadraten und nochmals zwölf bzw. zehn Vögel in Blätterranken dargestellt sind. Die Altardecke gehört zu den Paramenten, die 1836 bei Umbauten an der Martinikirche in einem zugemauerten Wandschrank entdeckt wurden. Das Mittelteil ist z.T. ausgebessert. Die Reihe der Frauenhalbfiguren ist nicht in allen Teilen vollständig ausgeführt2).

Maße: H.: 108 cm; Br.: 220 cm; Bu.: 0,9 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. · AMOR ·

Wappen:
Gustedt, Echte3).

Kommentar

Die Buchstabenformen sind breit ausgestickt: A mit nach rechts geschwungener Kauda und kräftigem überstehenden Deckbalken; rundes, nicht geschlossenes M, O mit spitzrunden Schwellungen. – Die Darstellungen von Adler, Greif, Strauß, Pelikan, Löwe, Drachen und Phönix sind möglicherweise vorher Teil einer Lesepultdecke gewesen4).

Anmerkungen

  1. Vgl. Renate Kroos, Niedersächsische Bildstickereien des Mittelalters, Berlin 1970, S. 116. Sie datiert diesen Teil auf 1340/50.
  2. Vgl. ebd. und Abb. 237.
  3. Vgl. Bilderhefte 1, S. 18. Die Familie Gustedt oder Gustede gehörte von etwa 1250 bis 1500 zum Braunschweiger Patriziat, vgl. Spieß, 1970, S. 118f.
  4. Vgl. ebd.

Nachweise

  1. Abb.: Kroos (wie Anm. 1), Abb. 237–239, 347; Bilderhefte 1, Abb. 26.
  2. Lit.: Riegel, Nr. 54; Schuette 2, S. 13f.; Kroos (wie Anm. 1), Nr. 7, S. 116 und S. 77, 94; Bilderhefte 1, Nr. 26, S. 18f.; Leonie von Wilckens, Die textilen Künste. Von der Spätantike bis 1500, München 1991, S. 230.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 64 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0006409.