Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 57 St. Michaelis 1379

Beschreibung

Bauinschriften; Stifterbild und Weiheinschrift links oberhalb des Nordportals, der Brauttür. Unter einem Kaffgesims befindet sich links das etwa quadratische, durch eine Linie gerahmte Stifterbild. Es zeigt als Ritzzeichnung Christus am Kreuz mit über den Bildrahmen nach oben geschwungenem, unten leicht eingeschlagenen Schriftband mit Titulus (A). Links unter dem Kreuz eine kniende männliche Gestalt in enganliegender Kleidung, unterhalb der Taille gegürtet, mit Schnabelschuhen. Der Mann ist barhaupt, die Hände sind in betender Haltung erhoben; über ihm ein zu einem engen Bogen gewölbtes Schriftband (B). Rechts kniet eine weibliche Gestalt in schlicht herabfallendem Gewand mit Kopf und Hals bedeckender Haube, deren Enden auf die Schulter reichen. Auch sie erhebt die Hände betend zum Gekreuzigten. Das Schriftband um diese Figur (C) ist ihren Konturen folgend geschwungen; wie bei Inschrift B sind die Enden des Schriftbandes leicht eingeschlagen. Die Schrift ist früher mit rotem Mörtel ausgefüllt gewesen1). Rechts neben dem Stifterbild befindet sich die querrechteckige Sandsteintafel mit der sechszeiligen Weiheinschrift (D). Unterhalb der Tafel Reste einer Stützkonsole aus Sandstein. Die Inschrift ist, wie das Stifterbild, durch eine umlaufende Linie gerahmt, die Buchstaben sind mit schwarzer Farbe ausgefüllt.

Maße: Stifterbild: H.: 73 cm; Br.: 65 cm; Bu.: 3 cm (A), 4 cm (B, C). Weiheinschrift: H.: 53 cm; Br.: 72 cm; Bu.: 7,5 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), gotische Minuskel (B, C), gotische Minuskel mit Versalie in gotischer Majuskel (D).

Bernhard Boockmann [1/1]

  1. A

    I(ESUS) · N(AZARENUS) · R(EX) · I(UDAEORUM)2)

  2. B

    leue · here · wes · ghnedich · allen · sunderen · amen ·

  3. C

    vnde · ghif · rowe · allen · kerstenen · selen · amen ·

  4. D

    Na · goddes · bort · ma) · ccc · lxx / ix · iar · is · desse · parkerke · vor/nyget ·vnde · in · sunte · myche/lis · ere · ghewyget ·we · sine · / almesen · hyr · to · gheue ·dat / he · in · goddes · hulden · leue · a(men) ·

Kommentar

Ein Schriftvergleich dieser frühesten erhaltenen Braunschweiger Bauinschrift in deutscher Sprache mit den seit 1388 vor dem Portal der Brüdernkirche angebrachten Siegesinschriften der Herzöge und der Stadt Braunschweig (Nr. 59) zeigt in mehreren Buchstabenformen Übereinstimmung. Das trifft besonders auf das zweifach durchstrichene m der Datumsangabe, die oben nach links abkippenden beiden ersten Hasten des w und das zweistöckige, durch einen Haarstrich geschlossene a zu. Gemeinsam ist auch das g mit der nach rechts abknickenden Unterlänge und das auf der Zeile aufsitzende h. – Stifterbild und Weiheinschrift sind durch die Darstellung der Stifter einerseits, die Erwähnung des Almosens andererseits als zusammengehörig anzusehen. Auch die Kleidung des nicht namentlich bekannten Stifterpaares weist auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Man kann davon ausgehen, daß das Stifterbild im Zusammenhang mit dem Umbau von St. Michaelis zu einer Hallenkirche und der Errichtung des nördlichen Seitenschiffs bzw. des Portals im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts zu sehen ist3).

Textkritischer Apparat

  1. Die beiden ersten Schäfte fast geschlossen, zweiter und dritter Schaft durch zwei waagerechte Striche verbunden, Zierstrich unter dem dritten Schaft.

Anmerkungen

  1. Vgl. Fricke, 1952, S. 11.
  2. Io. 19,19.
  3. Vgl. Dorn, S. 237.

Nachweise

  1. Abb.: Dorn, Abb. 134.
  2. Lit.: Rehtmeyer, Kirchen-Historie 1, S. 193f.; Sack, H V, 140, S. 5; Schröder/Assmann 2, S. 182; Schiller, 1852, S. 3; Dürre, S. 496; Scheffler, S. 233f.; Meier/Steinacker, 1926, S. 35f.; Mack, 1952, S. 224f.; Fricke, 1952, S. 11ff.; Wernsdorff, S. 19f.; Dorn, S. 237f.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 57 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0005704.