Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 32 Berlin, Kunstgewerbemuseum (1339)

Beschreibung

Plenar Herzog Ottos des Milden, Rückdeckel; Silber, teilweise vergoldet. Der gravierte Rückdeckel zeigt vor schraffiertem Hintergrund St. Blasius in bischöflichem Ornat auf einem Faldistorium, das auf ein gestuftes Podest gesetzt ist. Die linke Hand hält das Pedum, die rechte ist segnend erhoben. Auf der oberen Stufe des Podestes sind die Namen des links und rechts knienden Stifterpaares Otto von Braunschweig und Agnes von Brandenburg in ein von zwei Linien gerahmtes Schriftband gesetzt (A). Unter jedem Namen steht der entsprechende Wappenschild. Die im Verhältnis zu den Stiftern übergroße Gestalt des Heiligen ragt mit dem nimbierten, mit der Mitra bedeckten Kopf bis in den oberen Teil des dreipaßgewölbten Spitzbogens. Darüber, zwischen zwei dünnen Linien, der Name des Heiligen (B), vom oberen Knopf des Spitzbogens geteilt. Alle Buchstaben sind mit diagonalen Schraffuren ausgefüllt. In den Zwickeln, aus kreisumzogenen Vierpässen hervorblickend, die nimbierten Köpfe, links Johannes’ d. T., rechts Thomas Beckets. Darunter als Halbfigur die nach der Legende zu Blasius um die Rückgabe ihres einzigen Schweines bittende Witwe. Gegenüber bringt der Wolf auf Befehl des Heiligen das Schwein unversehrt zurück. – Der vordere Deckel ist aus dem Teil eines Spielbretts gebildet, dessen 15 vertiefte mittlere Felder in silbernem, mit Steinen und Perlen verzierten Rahmen Pergamentmalereien1) auf Goldgrund unter Bergkristallscheiben zeigen. Das Mittelfeld dient der Aufnahme zweier Kreuzpartikel, die auf einem goldenen Kreuz mit perlenbesetzten Dreipaßenden unter einer Bergkristallscheibe liegen. Kreuzförmig umgeben in den angrenzenden Feldern die Evangelistensymbole die Reliquie: aus Silberblech gestanzte, vergoldete Medaillons2) unter Bergkristallscheiben. Die apokalyptischen Tiere stehen auf Schriftbändern mit den Namen der Evangelisten, der kniende Engel des Matthäus hält das Schriftband mit beiden Händen seitlich vor sich (C1–C4). Das Plenar gelangte zusammen mit anderen Stücken des Welfenschatzes 1935 durch Kauf des Preußischen Staates an das damalige Schloßmuseum in Berlin (Kunstgewerbemuseum).

Maße: H.: 35,4 cm; Br.: 26 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. A

    · OTTO · AGNES ·

  2. B

    S(ANCTVS) · BLASIVS

  3. C1

    IOHANNES

  4. C2

    LVCAS

  5. C3

    MATEVS

  6. C4

    MARCVSa)

Wappen:
Braunschweig, Brandenburg3).

Kommentar

Die Buchstabenformen mit starken Schwellungen und ausladenden Sporen zeigen an dem besonders gezierten Namen AGNES eine Verbindung zu der über dem Seitenschiffportal angebrachten Stifterinschrift (Nr. 33). Besonders das Kapitalis-T mit betonten Verdickungen am unteren Ende und an den Balkenenden, die gleichen Formen, die auch bei L und S auftreten, sowie geschlossenes, sporenverziertes E finden sich in der Stifterinschrift wieder. Allerdings sind bei der Goldschmiedearbeit des Rückdeckels die Buchstaben durch Doppel- und Dreifachstriche, durch auf der Mittellinie den Buchstaben angesetzte Ziernoppen und die sorgfältige diagonale Schraffierung schöner durchgearbeitet.

Das Plenar ist auf der Innenseite des Vorderdeckels durch einen handschriftlichen Vermerk auf 1339 datiert. Dort sind auch die im Deckel geborgenen Reliquien verzeichnet. Das Spielbrett mit den Pergamentmalereien wird als oberitalienische Arbeit vom Anfang des 14. Jahrhunderts angesehen4).

Textkritischer Apparat

  1. Die Namen sind jeweils durch die Pfoten und Klauen der Tiere bzw. die Hand des Engels unterbrochen.

Anmerkungen

  1. Vgl. deren Aufzählung bei Kötzsche, S. 77, nähere Beschreibung ebd., S. 50.
  2. Sie entsprechen denen auf dem Braunschweiger Plenar für die Sonntage (Kunstgewerbemuseum Berlin, Inv.-Nr. W 31. Dort sind die Medaillons jedoch nicht durchbrochen. Die Schriftbänder sind nicht beschriftet; vgl. Falke/Schmidt/Swarzenski, Nr. 41, S. 167f.; Kötzsche, S. 47f., 76.
  3. Meier/Kämpe, 1914, S. 124.
  4. Falke/Schmidt/Swarzenski, S. 169 und 172, datierten Ende des 13. Jahrhunderts; Kötzsche, S. 50, aufgrund neuerer Forschungen in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts.

Nachweise

  1. Abb.: Falke/Schmidt/Swarzenski, Taf. 76–81; Kötzsche, Farbtaf. VI und Abb. 56–58; de Winter, S. 135 und 139.
  2. Lit.: wie Anm. 3; Neumann, Nr. 40; Kötzsche, S. 48–51, 77f.; de Winter, S. 121ff.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 32 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0003207.