Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)
Nr. 31† Ägidienkloster 1336
Beschreibung
Standbild des hl. Auctor; Stein. Die Skulptur des Stadtheiligen in etwa halber Lebensgröße befand sich in einer Nische über einer Außentür des Klosterhofes am Zugang zu einem Waschplatz an der Oker. Nach einer Skizze A. A. Becks stand die Figur mit dem Kreuz in der rechten und dem Bischofstab in der linken Hand auf einer Konsole unter einem pultdachartig aus der Mauer vorkragenden Stein. Die erste Zeile der Inschrift zog sich über den oberen Rand der in fünf Fächer ausladenden Konsole. Das dreizeilige Datum darunter war auf dem breiten mittleren Feld und dem sechseckigen unteren Stützstein eingehauen. Der Klosterhof wurde 1756 abgerissen.
Inschrift nach Beck.
S(anctus) Auctor pat(ronus) n(oster) / anno d(omi)ni / M CCC / XXXVI
Übersetzung:
Der hl. Auctor, unser Schutzheiliger. Im Jahr des Herrn 1336.
Anmerkungen
- Vgl. Klaus Naß, Der Auctorkult in Braunschweig und seine Vorläufer im früheren Mittelalter, in: Niedersächsisches Jb. 62, 1990, S. 153–208, hier S. 178.
- Vgl. ebd., S. 183ff.
- Vgl. ebd., S. 200.
- Vgl. Kat. Stadt im Wandel 2, Nr. 947, S. 1079–1081 und z. B. Nr. 341.
Nachweise
- Abb.: Beck, H III 1, 15, S. 16; Spies, 1976, Abb. 67, S. 107; S. 110.
- Lit.: Sack, H V, 127, S. 205 a, b; ders., 1861, S. 2; wie Anm. 1.
Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 31† (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0003100.
Kommentar
Die 1115 erfolgte Gründung des Marien-, später Ägidienklosters durch die Markgräfin Gerthrud († 1117) ist mit der Legende vom Raub der Gebeine des in der Trierer Bischofsliste nicht nachweisbaren hl. Bischofs Auctor aus Trier verbunden. Der Heilige erschien der Markgräfin im Traum und forderte sie auf, seine in Trier nicht angemessen verehrten Reliquien nach Sachsen zu überführen, was ihr unter Bewältigung einiger Schwierigkeiten gelang. Die Legende schildert in der üblichen hagiographischen Topik den ‚frommen Raub‘. Neuerdings wurde nachgewiesen, daß die Auctor-Reliquien wahrscheinlich aus dem Kloster Helmarshausen stammten, mit dem die Markgräfin durch ihren zweiten Ehemann Heinrich von Northeim in Verbindung stand, der Vogt des Klosters war1). Zum Stadtheiligen Braunschweigs wurde Auctor erst durch die Belagerung der Stadt durch König Philipp von Schwaben im Jahr 1200, bei der der Heilige dem im Gefolge des Königs befindlichen Erzbischof von Trier erschienen sei und ihn aufgefordert habe, den König zum Rückzug zu bewegen2). Dieser gehorchte dem Befehl des Heiligen. Eine chronikalische Quelle nennt freilich eher Proviantmangel und Desorganisation des Heeres als Beweggründe für den Rückzug. Seit dieser Rettung der Stadt hat der Auctorkult den ersten Rang in der Heiligenverehrung Braunschweigs eingenommen. Das Ägidienkloster war Zentrum des Kults, der seinen Höhepunkt zweimal jährlich in großen Prozessionen hatte, an denen die ganze Stadtbevölkerung teilnahm. Auctor erwies sich auch in späteren Kriegen und Fehden und bei Stadtaufständen (Schichten) als Retter des Gemeinwesens. Sein Kult steht auch im auffälligen Zusammenhang mit der Autonomie der Stadt gegenüber den welfischen Stadtherren. Durch Reliquienschenkungen und Altarstiftungen für St. Blasii wurde Auctor im 14. Jahrhundert den welfischen Stiftsheiligen Blasius und Johannes d. T. an die Seite gestellt3). – Neben dem nur in Becks Skizze überlieferten kleinen Standbild ist auf das erhaltene große Halbrelief des Heiligen im nördlichen Seitengiebel von St. Ägidien hinzuweisen. Daneben sind einige weitere Auctor-Darstellungen erhalten4).