Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 20 The Cleveland Museum of Art 2. H. 12. Jh.

Beschreibung

Sog. Patene des hl. Bernward. Sie ist in eine Monstranz des 14. Jahrhunderts gefaßt; Silber, teilweise vergoldet. Die Monstranz steht auf einem Sechspaßfuß, der zu einem mit durchbrochenen Fenstern und Strebepfeilern kapellenförmig gestalteten Schaftansatz aufsteigt. Darüber liegt der wulstige, mit Blattwerk verzierte Nodus, auf den sechs Löwenköpfe aufgesetzt sind, entsprechend den sechs Seiten des Schaftes. Die Patene ist von einer halbmondförmig auf den Schaft aufgesetzten Stütze eingefaßt, an deren Seiten maßwerkverzierte Fialen aus einer gravierten Fensterarchitektur aufsteigen. Über der Patene ein von Maßwerk durchbrochener Wimperg, in dessen Mitte halten zwei runde Bergkristallkapseln zwei goldgefaßte kreuzförmig angeordnete Partikel vom Kreuz Christi sowie einen rahmenden Pergamentstreifen mit der Aufschrift de ligno domini. Der den Wimperg bekrönende Knopf fehlt. Die Patene trägt zwischen dem Rundband der Außenkante und zwei nach innen rahmenden Linien die oben mit einem Kreuz beginnende, umlaufend gravierte, niellierte Inschrift A. In die vertiefte innere Rundung ist, nochmals vertieft, ein Achtpaß eingeformt, in dessen Mitte Christus auf dem Regenbogen thront. Der Kopf ist vom Kreuznimbus umgeben, die ausgestreckten Arme, die Füße und die entblößte rechte Brust zeigen die Wundmale. Ein zwischen zwei Linien verlaufender Inschriftkreis (B) rahmt die Darstellung Christi. An ihn schließen sich acht kreuzweise schraffierte Rundbogenfelder an, die mit einer dreiteiligen niellierten Blattranke verziert sind. Über den Zwickeln erheben sich in acht größeren Rundbogenfeldern die Evangelistensymbole, graviert auf von Spiralranken durchbrochenem Niellogrund, und die vier Kardinaltugenden als Halbfiguren mit Schriftbändern (C), graviert auf kreuzschraffiertem Niello. Auf der Rückseite der Patene sind in einer verglasten Kapsel acht in farbige Seide genähte Reliquienpäckchen befestigt. Ein runder Pergamentzettel bezeichnet die Reliquien1). Waagerecht durch die Mitte verläuft ein Pergamentstreifen mit der Aufschrift: Ista(m) patena(m) fecit S(anctus) Berwardus. Die Bernward-Patene wurde 1930 zusammen mit anderen Stücken des Welfenschatzes vom Cleveland Museum of Art erworben.

Maße: H. (Monstranz): 34,4 cm; Dm. (Patene): 13,4 cm; Bu.: 0,3 cm (A); 0,2 cm (B)2).

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

  1. A

    + EST · CORPVS · IN · SE · PANIS · QVI · FRANGITVR · IN · ME ·a)VIVET · IN ETERNVM · QVI · BENE · SVMIT · EVM ·

  2. B

    + HVC · SPECTATE · VIRI · SIC · VOS · MORIENDO · REDEMI ·

  3. C

    IVSTITIA PRVDENTIA FORTITVDO TEMP(ER)ANTIA

Übersetzung:

Das Brot, das auf mir (der Patene) gebrochen wird, ist eigentlich der Leib (Christi); der erhält das ewige Leben, der es in frommer Weise ißt. (A)

Seht her, ihr Menschen, so habe ich euch durch (mein) Sterben erlöst. (B)

Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit, Mäßigkeit. (C)

Versmaß: Elegisches Distichon, zweisilbig leoninisch gereimt (A), leoninischer Hexameter (B).

Kommentar

Die Patene ist aufgrund ähnlicher Anwendung der Niellotechniken in Zusammenhang mit dem Kopfreliquiar des hl. Oswald im Hildesheimer Domschatz gesehen worden3). Auch das Laurentius-Armreliquiar (Nr. 38) schließt sich hinsichtlich der Spiralranken hinter den Figuren der unteren Borte dieser Stilrichtung an. Als Herkunftsort wird Hildesheim angenommen. Die Verwendung der Patene durch den hl. Bernward und nachträgliche Gravur im 12. Jahrhundert4) gilt als nicht wahrscheinlich. Eine ausführliche Kommentierung der Inschriften und Schriftbeschreibung bei Berges/Rieckenberg5). Die Patene wird im Reliquienverzeichnis von 1482 erwähnt6).

Textkritischer Apparat

  1. Drei übereinandergesetzte Punkte.

Anmerkungen

  1. De s(an)cto goddehardo · De(n)tes s(ancti) nycolai · S(ancto) aucto(r)e · S(ancto) Siluestro · S(ancto) Seruacio · De s(an)c(to) ioh(ann)i crisostimo · De s(an)c(to) allexio · De s(an)c(to) laure(n)cio (‚Vom hl. Godehard; Zähne des hl. Nikolaus; vom hl. Auctor; vom. hl. Silvester; vom hl. Servatius; vom hl. Johannes Chrysostomus; vom hl. Alexius; vom hl. Laurentius‘).
  2. Nach Berges/Rieckenberg, 1983, S. 77.
  3. Falke/Schmidt/Swarzenski, S. 156; G. Swarzenski, S. 371f., 379; Kat. Die Zeit der Staufer 1, Nr. 577, S. 447f. (Kötzsche); de Winter, S. 94ff.
  4. Diese Erwägung bei G. Swarzenski, S. 371f.
  5. Berges/Rieckenberg, 1983, S. 77f.
  6. Reliquienverzeichnis von 1482, S. 23.

Nachweise

  1. Abb.: Falke/Schmidt/Swarzenski, Taf. 71; Kat. Zeit der Staufer 2, Abb. 384; de Winter, S. 102.
  2. Lit.: wie Anm. 2, 3; Neumann, Nr. 65; Stephan Beissel, Der heilige Bernward von Hildesheim als Künstler und Förderer der deutschen Kunst, Hildesheim 1895, S. 18.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 20 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0002007.