Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 17† Dom St. Blasii vor 1180

Beschreibung

Reliquienschrein; Silber. Er erscheint im Reliquienverzeichnis des Blasius-Stifts von 1482 mit der kurzen Beschreibung in quoddam schrinio argenteo pretioso cum quinque turribus1). In dieses „kostbare silberne, mit fünf Türmen“ versehene Reliquiar war, wohl auf einem umlaufenden Schriftband, eine Inschrift graviert2), von deren Text im Reliquienverzeichnis nur der letzte Teil angegeben wird.

Inschrift nach Reliquienverzeichnis von 1482.

  1. [...] Hinrici Ducis Saxonie et Bawariea)

Übersetzung:

(...) des Herzogs Heinrich von Sachsen und Bayern.

Kommentar

Nach dem in der Inschrift genannten Namen und Titel kann das Reliquiar für eine Stiftung Heinrichs des Löwen gehalten werden, die dieser vor dem Verlust beider Herzogtümer im Jahr 1180 getätigt haben müßte. Schon Neumann hatte das in den späteren Verzeichnissen des Stifts nicht mehr nachgewiesene Reliquiar in seine Beschreibung des Reliquienbestandes des welfischen Hauses einbezogen und es Heinrich dem Löwen zugeschrieben. Die erwähnten fünf Türme ließen ihn die „Form einer Kirche“ vermuten3). G. Swarzenski nahm diese Vorstellung auf, zog aber in seinen Überlegungen auch andere Architekturformen in Erwägung: den byzantinisch beeinflußten Baustil von S. Marco und Aachen, das Vorbild der Kuppelreliquiare oder die Türmchen der Radleuchter4). Vorstellbar wären auch eine größere zentrale Kuppel, um die sich vier Türme gruppierten oder, nach dem Vorbild erhaltener Elfenbeinreliquiare, ein Schrein in basilikaler Form mit je zwei Ost- und Westtürmen und einem im Westwerk befindlichen dazwischengesetzten Glockenturm5). Die Fünfzahl der Türme könnte auf das bei der Ausstattung der Braunschweiger Stiftskirche durch Heinrich den Löwen mehrfach erwiesene Vorbild des Tempels Salomos hindeuten (vgl. Einleitung, Kapitel 2.1 Die Inschriften aus dem Umkreis Heinrichs des Löwen.) und auch zu den fünf Säulen des Marienaltars in Beziehung zu setzen sein6).

Textkritischer Apparat

  1. Die Inschrift war sicherlich in Majuskeln ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Reliquienverzeichnis von 1482, S. 14.
  2. Ebd.: In cuius circumferenciis continentur Hee litere (es folgt die Teilinschrift) subscripte (...).
  3. Neumann, S. 28. Das Schnütgen-Museum in Köln besitzt z. B. ein aus Köln oder vom Niederrhein stammendes bronzenes Reliquiar in Gestalt eines doppelchorigen, einschiffigen Kirchenbaus mit vier die Apsiden flankierenden dreigeschossigen Rundtürmen und einem Dachreiter, 11./12. Jh. (Inv.-Nr. H 43).
  4. G. Swarzenski, S. 316.
  5. Ich danke Dietrich Kötzsche, Berlin, für die Bestätigung der Datierung und besonders für seine Überlegungen zur Form dieses Reliquiars.
  6. Zur Bedeutung der Fünfzahl zur Rechten und zur Linken des Tempels Salomos bei der Ausstattung mit Kesseln, Leuchtern, Tischen vgl. II Par. 4,6–8; zum Tempel allgemein: LCI 4, Sp. 255–260. Zum Marienaltar als „Tisch“ des Tempels: Jordan, S. 237.

Nachweise

  1. Lit.: wie Anm. 1, 3, 4.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 17† (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0001700.