Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 324 Dom St. Blasii 1506

Beschreibung

Glocke Blasius minor et medius; sie trägt wie die größte, 1502 gegossene Salvator- oder Blasius maior-Glocke das Relief und den Namen des Braunschweiger Stiftspatrons. Auch bei dieser Glocke hat Heinrich von Kampen die Verzierung der Kronenbügel mit gedrehten Seilornamenten und Perlenschnüren, auf die je ein weiblicher Kopf gesetzt ist, von Gerdt Wou übernommen. Das Inschriftband auf der Schulter ist nach oben von einem Ornamentfries aus Lilien und Kreuzblumen, unten von hängendem Laubwerk begrenzt. Die Inschrift verläuft zwischen zwei schmalen Stegen. Das Ornamentband unterhalb der Inschriftzeile besteht aus fünfteiligen Rosetten. Als Worttrenner dienen die gleichen Rosetten. Auf der Flanke ist das Blasiusrelief mit den Attributen Mitra, Bischofsstab und Hifthorn auf eine von zwei Lämmern getragene Konsole gesetzt; auf der gegenüberliegenden Seite sitzt Maria im von Kreuzblumen umgebenen hortus conclusus, vor ihr das in ihrem Schoß Zuflucht suchende Einhorn, das von dem Erzengel Gabriel und vier Jagdhunden gejagt wird. Die zugehörigen Spruchbänder sind nicht lesbar1).

Inschrift nach Peter2).

Maße: Dm.: 94 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. + nu(n)cupor · en · blasius · miniuma) · sum · uoce·q(ue) · clara+ anno · m° · u° · ui° · henrick · uan · campen ·

Übersetzung:

Ich bin Blasius genannt; die kleinere bin ich, und von heller Stimme. Im Jahr 1506. Heinrich von Kampen.

Versmaß: Erste Zeile ein Hexameter.

Kommentar

Die Glocke trug den volkstümlichen Namen ‚Bergglocke‘. Der Deutung, daß damit das Bergen der Toten in den Särgen gemeint sein könnte, widerspricht die Benutzung der helltönenden Glocke als Hora- und Weckglocke, nicht als Begräbnisglocke. Möglicherweise hängt berg/bergen3) mit dem Einläuten der Tageszeiten zur Mahlzeit zusammen. Zur hora canonica wurde bis ins 18. Jahrhundert zwischen 13.30 und 14 Uhr geläutet4).

Textkritischer Apparat

  1. minimum Sack, minum Pfeifer. Ein Kürzungszeichen ist nicht zu erkennen; zu erwarten wäre minor, da eine Glocke mit dem Namen Blasius minimus bereits vorhanden war (Nr. 270).

Anmerkungen

  1. Vgl. Hach, Abb. 113, 138. Das gleiche Medaillon, in gleicher Größe, aber ohne Kreuzblumenkranz, weist Schilling, Nr. 411, S. 339, bei mehreren Glocken des Gießers Heinrich Ciegeler nach, der es zwischen 1509 und 1518 verwendete. Pfeifer, 1927/1928, S. 70, weist auf die entsprechende Darstellung auf den Außenflügeln des im selben Jahr entstandenen Domaltars (Nr. 327) hin.
  2. Briefliche Mitteilung, vgl. Nr. 320.
  3. ‚bergen‘ = sich ernähren, Nahrung suchen oder aufnehmen, vgl. Schiller/Lübben 1, S. 244bf.
  4. Pfeifer, 1927/1928, S. 55f.

Nachweise

  1. Quast, S. 46f.; Einhorn, S. 370; wie Anm. 1.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 324 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0032400.