Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 308 Dom St. Blasii 1502

Beschreibung

Glocke Salvator oder Blasius maior. Sie ist die größte der drei im Jahr 1502 von Gerdt Wou, der sich in der Inschrift mit seinem Herkunftsnamen Gerdt Campis nennt, gegossenen Domglocken. Aufgehängt sie ist im Glockenhaus zwischen den Türmen. Auf den sechs mit Perl- und Taustäben verzierten Bügeln der Krone je ein Christuskopf1). Die Inschrift auf der Glockenschulter verläuft einzeilig in einem breiten Band, das oben von einem Lilien-, unten von einem Kreuzblumenfries eingefaßt wird. Zwei schmale Hilfslinien begrenzen die mittleren Buchstabenschäfte, während die Ober- und Unterlängen sie durchbrechen. Je zwei breite halbrunde Stege setzen das Inschriftenband oben und unten gegen die Ornamentbänder ab2). Vor dem Glockenspruch ein griechisches Kreuz, zwischen den Worten Rosetten; die Versenden sind durch jeweils zwei Rosetten markiert. Zwischen den vier letzten Worten quadratische Punkte als Worttrenner. Auf der Flanke unterhalb des griechischen Kreuzes das Relief des Salvators mit Liliennimbus, in der linken Hand die Weltkugel mit dem Kreuz haltend, die rechte Hand segnend erhoben. Auf der gegenüberliegenden Seite der Flanke der hl. Blasius mit Mitra und Bischofsstab, in der rechten Hand das Hifthorn haltend, eines seiner legendarischen Attribute. Der Schlagring ist oben und am unteren Rand durch schlicht verlaufende Stegreihen begrenzt3).

Inschrift nach Peter.

Maße: Dm.: 193 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [1/1]

  1. + Inclitus · altisono · Salvator · fulmina · pellit ·Exequias · pandit · sevocat · atque · pios ·Qui · numerum · poscis · mille · accipe · secula · quinque ·Binos · Gerdt · Campis · fecit · et · arte · sua

Übersetzung:

Mit mächtigem Klang vertreibt der berühmte Salvator die Blitze, verkündet Begräbnisse und ruft die Frommen herbei. Erfragst du die Jahreszahl, so vernimm: tausend, fünf Jahrhunderte und zwei Jahre. Gerdt von Campen machte sie mit seiner Kunst.

Versmaß: Zwei elegische Distichen.

Kommentar

Die Herstellung der Glocke am 2. August 1502 ist gut dokumentiert4). Gegossen wurde in der Burg am Dom; um zwei Uhr morgens wurde das Feuer entzündet und das Metall durch ständiges Aufblasen der Flammen verflüssigt, bis um elf Uhr vormittags der Meister de spise lopen ließ, während die Domherren in Prozession singend mit der Hostie den Gießplatz weihten.

Gerdt Wou campensis oder de Campis wurde um 1440 in s’Hertogenbosch geboren. Aufgrund seines Ansehens als einer der besten Glockengießer seiner Zeit dehnte sich sein Tätigkeitsfeld auf ganz Nordeuropa aus. Er war nicht nur im Gebiet der heutigen Niederlande (Utrecht, Kampen, Arnheim, Haarlem), sondern auch in Norddeutschland (Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Braunschweig, Frankfurt, Osnabrück), in der Altmark und in Thüringen tätig5). Die Glocke mit dem größten Durchmesser ist die Gloriosa im Erfurter Dom (256 cm)6). Die Braunschweiger Glocke Salvator hat ein Gegenstück in der 1505 gegossenen, im Durchmesser größeren Salvatorglocke zu Utrecht. Die Glocken ähneln sich nicht nur in Form und Gestaltung (gleiche Schulterinschriftenfriese, gleiche Schlagringstege), auch die in Braunschweig verwendete Model des Salvators kehrt auf der Flanke der Utrechter Glocke auf beiden Seiten wieder7).

Anmerkungen

  1. Wie auch bei mehreren anderen Glocken Gerdt Wous; vgl. DI 26 (Osnabrück), Nr. 60, 61, S. 63–65; Peter, Abb. 2–6, S. 358f.
  2. Vgl. ebd., Abb. 10–15, S. 361–363.
  3. Ausführliche Beschreibung der Glocke auch bei Pfeifer, 1927/1928, S. 59ff.
  4. Vgl. ebd., S. 59, Anm. 2; Ribbentrop 1, S. 178f.
  5. Zur Biographie vgl. Theodor Hach, Zur Geschichte der Erzgießkunst, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 4, 1881, S. 401–420 und DI 26 (Osnabrück), Nr. 60, S. 63f. (Lit.)
  6. Vgl. Peter, S. 394f.
  7. Vgl. ebd., S. 400; Abb. 20, S. 367; Abb. 25, S. 370. Zur Schriftbeschreibung vgl. DI 26 (Osnabrück), Nr. 61, S. 64 und Peter, S. 358–365. – Die Zusammenstellung und die Namen der drei Braunschweiger Glocken Wous – Salvator, Maria und Johannes Baptista – lassen an eine motivische Anlehnung des Geläuts an den ikonographischen Typus der Deesis-Gruppe denken. Die Inschriften und Reliefs spiegeln allerdings eine solche Referenz nicht wider.

Nachweise

  1. Abb.: Peter, Abb. 15, S. 363; Abb. 20, S. 367; Abb. 27, S. 371.
  2. Lit.: Peter, S. 392f.; Pfeifer, 1927/1928, S. 59ff.; Quast, S. 38–49.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 308 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0030806.