Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 304 St. Ägidien A. 16. Jh.

Beschreibung

Kanzel; Kalkstein in barocker Fassung. Die aus der Paulinerkirche am Bohlweg stammende, seit Anfang des 18. Jahrhunderts in die Kreuzkirche auf dem Rennelberg versetzte Kanzel hat nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Platz in der Ägidienkirche am zweiten Langhauspfeiler der Südseite gefunden. Als Sockel dient der Kanzel ein achteckiger Sandsteinquader. Auf ihm liegt der an der unteren Rundung mit einer die Gemeinde zur Aufmerksamkeit ermahnenden Inschrift A versehene Fuß der Kanzel, der in zwei versetzt übereinanderstehenden, sechseckigen Bogenreihen über zwei Rankenkränze zu einer gedrehten Säule aufsteigt. Etwa in der Mitte der Säule steht auf einem Kranz kugelartiger Blätter ein lockenköpfiger Knabe als Hochrelief, wohl Johannes d. T. als Kind1). Darüber ein aus sechs Blättern gebildetes, durch ein doppeltes Band verschnürtes Kapitell, das in den ebenfalls durch zwei übereinanderliegende sechsteilige Blätterkränze verzierten Unterteil des Kanzelkorbes übergeht. Unter diesem schlingt sich ein vergoldetes Schriftband (B) auf jeder Seite dreimal um einen goldenen Stab auf weißem Untergrund; die Wörter der Inschrift sind auf zehn Bänder verteilt. Die Kanzel ist sechseckig, eine der Seiten dient als Eingang, eine andere ist durch den Pfeiler verdeckt. Von den vier Seitenteilen sind zwei Hochreliefs mit Darstellungen der Maria mit dem Kind und der Anna selbdritt aus dem Originalzustand bewahrt und nach der Renovierung 1974 in den Farben blau, weiß, rosa und gold neu gefaßt. Die beiden anderen Seiten sind barock erneuert und mit Sprüchen in Kartuschen versehen2).

Maße: L. (der Schriftzeile): 109,5 cm (A); Bu.: 3 cm (A), 4 cm (B).

Schriftart(en): Textura (A), gotische Minuskel (B).

Bernhard Boockmann [1/1]

  1. A

    Beten vnd gots / wort horenkan / ich mit klappern3) / vor storen

  2. B

    Ite / in / orbem / predi/cate / ewa(n)/gelium / omni / crea/ture4)

Übersetzung:

Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. (B)

Kommentar

P. J. Meier sah an der linken Seite des Säulenschaftes die Initialen H. W. eingeschnitten5), die Zuweisung an den Meister Hans Witten von Köln ist jedoch ungesichert. Die barocke Umgestaltung der Kanzel nahm Anfang des 18. Jahrhunderts Anton Detlev Jenner vor.

Anmerkungen

  1. Vgl. Paul Jonas Meier, Die Kanzel in der Kreuzklosterkirche zu Braunschweig, in: Zs. für Kunstgeschichte, 3, 1934, S. 275–281, hier S. 278.
  2. Lc. 1,46 und 48.
  3. ‚schwatzen‘.
  4. Mc. 16,15.
  5. P. J. Meier (wie Anm. 1), S. 277.

Nachweise

  1. Abb.: Dorn, Abb. 155; Kat. Stadt im Wandel 2, Nr. 1106, S. 1280.
  2. Lit.: Scheffler, S. 245; ders., Spätgotische Plastik, in: Braunschweigische Heimat 38, 1952, S. 14–17, hier S. 14; Herbert Grundmann, Der Meister HW, Berlin 1976; Roderich Piekarek, Das Liebfrauenmünster St. Ägidien in Braunschweig, Braunschweig 21982, S. 30; Kat. Stadt im Wandel 2, Nr. 1106, S. 1279f.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 304 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0030408.