Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 214† Gördelingerstraße 43 (ass. 83) 1482/1584/1590

Beschreibung

Hausinschriften. Der zweigeschossige Steinunterbau unter dem 30 Fach langen Speichergeschoß wurde 1584 errichtet. Bauelemente aus dem 14. oder 15. Jahrhundert waren nicht erhalten, nur eine in die linke Brandmauer eingelassene Steinplatte mit Inschrift A aus dem Vorgängerbau. Das Erdgeschoß wurde im 18. Jahrhundert durch den Ausbau von Messgewölben mit sechs Korbbogentürgewänden neu gestaltet1). Das rundbogige, mit eingelegter Blüten- und Ornamentgirlande und am Scheitel mit einer Tiermaske verzierte Einfahrtsportal und das rechts mit Abstand daneben gesetzte Eingangsportal blieben unverändert erhalten. Am Eingangsportal tragen ionische Säulen den zwischen Gebälk leicht vorgewölbten Architrav mit Inschrift B, erhaben aus dem Stein gehauen. Darunter ein geschrägter, mit Ziermustern ausgelegter Rundbogen, in den Zwickeln von Engeln gehaltene Wappenschilde. Über dem Architrav eine aus korinthischen Säulen gebildete Attika mit Wappen, jeweils zur Seite ein aus Fruchtbündeln und Blattwerk blickender männlicher Kopf, im dreieckigen Giebel ein sich herausbeugender Kriegerkopf. Da die Farben der Wappen am Portal abgeblättert waren, wurde im 19. Jahrhundert das Wappen der damaligen Besitzer, Familie Poll, aufgemalt. Ab 1914 wurden die Originalwappen wiederhergestellt. Links am Haus in Höhe der Fensterreihe des ersten Geschosses befand sich ein in die Mauer eingetiefter Wappenstein mit der Jahreszahl C, in gleicher Höhe auf der rechten Seite des Hauses ein weiterer Wappenstein. Das Haus wurde 1944 zerstört. Das restaurierte Eingangsportal steht heute an der Bartholomäustwete, Ecke Gördelingerstraße. Die Wappensteine von 1590 befinden sich auf der Rückseite des Portals.

Inschrift A nach Mack.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalie (A), Renaissance-Kapitalis (B).

  1. A

    Anno d(omi)ni m lxxxiia) i(n) die tiburcii co(m)pletu(m) e(st)

  2. B

    NISI DOMINVS : FRVSTRAb)2) · ANNO 1584

  3. C

    1590

Übersetzung:

Im Jahr 1482 am Tiburtiustag (14. 4.) ist es vollendet worden. (A)

Wenn nicht der Herr (das Haus erbaut), (so ist) vergeblich (gebaut worden). Im Jahr 1584. (B)

Wappen:
Hilmar von Strombeck3), Catharina Schrader4).

Kommentar

Das Grundstück war seit der Mitte des 15. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Velstede. Wedego von Velstede, Goldschmied und Ratsherr der Altstadt 1445, vererbte das darauf stehende Haus seinem gleichnamigen Sohn (genannt Wedde), der es 1482 neu erbaute. Er war ebenfalls Goldschmied, Ratsherr der Altstadt von 1476–1516 und Großer Bürgermeister von 1502–15165). Im Jahr 1581 ging das Haus in den Besitz des Hilmar von Strombeck (1557–1627) und seiner Frau Catharina Schrader (1566–1620) über. Bis 1689 blieb es im Besitz der Familie von Strombeck. Der Neubau begann 1584 unter Leitung des Baumeisters Weymar Heinemann, die Portale sind Arbeiten der Steinmetzmeister Balthasar Kircher und Wolter Hasemann, die auch am Gewandhausvorbau gearbeitet haben6). 1590 wurden die Arbeiten am Haus beendet. Im 18. Jahrhundert war es im Besitz der Familie Ridder.

Textkritischer Apparat

  1. 1483 Meier/Kämpe, 1903, S. 1.
  2. Beide R mit unter den nächsten Buchstaben verlängerter geschwungener Kauda.

Anmerkungen

  1. Vgl. die Kupferstichvorlage aus der Werkstatt Beck: Spies, 1985, Bd. 2, Abb. 108, S. 99.
  2. Vgl. Ps. 126,1: Nisi dominus aedificaverit domum in vanum laboraverunt qui aedificant eam.
  3. Kämpe, Wappenbuch I, S. 69.
  4. Ebd., S. 110.
  5. Vgl. Reidemeister, S. 162; Spieß, 1970, S. 224.
  6. Vgl. P. J. Meier, 1936, S. 24f.

Nachweise

  1. Abb.: wie Anm. 1; Fricke, 1975, Taf. 30a, c, d.
  2. Lit.: Dietrich Mack, Drei Patrizierhäuser in Braunschweigs Gördelingerstraße – ihre Inschriften im Wandel von drei Jahrhunderten, Braunschweig 1982 (Arbeitsberichte aus dem Städtischen Museum Braunschweig, Heft 40), S. 4–6; Fricke, 1975, S. 58, 126f., 154.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 214† (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0021409.