Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 66 Städtisches Museum 4. V. 14. Jh.

Beschreibung

Wand- oder Rücklaken; Wollstickerei auf Leinwand. Die stark beschädigte Stickerei1) zeigt in zwei übereinandergesetzten Bildreihen Szenen aus dem Motivkreis der Sage von Herzog Ernst von Schwaben. Die obere, höhere Reihe ist auf blauem Grund ausgestickt und zeigt vier Szenen2): 1. Abschied Herzog Ernsts und seines Begleiters Graf Wetzel; mit dem Wappen Herzog Ernsts (gelber Tierkopf mit weißen Augen und Maul auf rotem Grund, auch im 3. und 4. Bild dieser Reihe sowie im ersten der unteren Reihe). 2. Herzog Ernst vor dem Kaiser in Konstantinopel. 3. Ausritt der beiden Helden. 4. Ernst und Wetzel stehen mit erhobenen Schwertern zu Seiten der Hochzeitstafel des kranichhalsigen Königs Grippia und der indischen Königstochter. Ein Inschriftband mit abwechselnd blauen und roten Buchstaben auf weißem Grund trennt die obere von der niedrigeren, grüngrundig gestickten unteren Bildreihe. In gedrängter Anordnung sind hier sieben Szenen dargestellt: 1. Kampf der beiden Helden mit tierköpfigen Menschengestalten. 2. Herzog Ernst, in eine Haut eingenäht, liegt an Bord eines Schiffes. 3. Ein Greif bringt ihn zum Horst. 4. Herzog Ernst fällt einen Baum mit seinem Schwert. 5. Bau eines Floßes mit seinem Begleiter, beide arbeiten mit erhobenen Schwertern. 6. Bootsfahrt in einer mit Edelsteinen besetzten Tropfsteinhöhle; Herzog Ernst schlägt mit dem Schwert den ‚Waisen‘ aus der Wand. 7. Kampf der beiden Helden mit dem Drachen. Am abgeschnittenen rechten Bildrand ist die vordere Hälfte eines roten Löwen zu sehen. Die untere Abschlußborte zeigt ein Blattrankenmuster. – Das Wandlaken kam 1871 als Geschenk des Jodoci-Stifts an das Städtische Museum. Es ist vermutlich im Kreuzkloster vor Braunschweig angefertigt worden. Nach Tracht und Reitstil ist es in das letzte Viertel des 14. Jahrhunderts zu datieren.

Maße: H.: 78 cm; Br.: 265 cm; Bu.: 2,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. DESSEa) MAT[.]ERIEb) · DE IS VAN · HERTOGHENc) · ERN[.]STd) WOHENe) E[R] UT VAN SINER W[...] WEND[...]

Kommentar

Im Zusammenhang der Bildfolge verwies Schuette besonders auf die letzte, nur noch zur Hälfte vorhandene Szene, den Kampf mit dem Drachen und die Befreiung des roten Löwen aus dessen Gewalt. Diese Episode gehört der Sage um Heinrich den Löwen an3). Die Verflechtung der beiden Themenkreise von Heinrich und Herzog Ernst ist bis ins 16. Jahrhundert nachzuweisen4). Auf dem vorliegenden Wandlaken deutet die rote Ausstickung des Tieres auf den in den herzoglichen Wappen und im Stadtwappen erscheinenden roten braunschweigischen Löwen. Wegen der starken Beschädigung kann die Stickereitechnik des 14. Jahrhunderts in dem Laken gut beobachtet werden. Die mit Bleistift auf den Leinengrund vorgezeichneten Bildvorlagen geben einen Eindruck von der geplanten Gestaltung der Szenen. Sie zeigen eine Verwandtschaft mit dem Wienhäuser Jagdteppich5). Schuette vermutete als Entstehungsort das Braunschweiger Kreuzkloster. Sie schloß dies aus einer Stickgemeinschaft Wienhausens mit dem Kreuzkloster6). Eventuell ist das Laken durch Schenkung oder Erbgang an das Jodoci-Spital gekommen, das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtet wurde, von dort kam es an das Städtische Museum.

Textkritischer Apparat

  1. Das zweite E nur noch als Vorzeichnung vorhanden.
  2. Schuette läßt nach T einen nicht lesbaren Buchstaben aus.
  3. O und E nur noch als Vorzeichnung vorhanden.
  4. Name nur noch als Vorzeichnung vorhanden. Im Teppich geht ein Loch durch den Namen, dennoch sind in der Vorzeichnung alle Buchstaben vorhanden. An der Stelle des heutigen Loches muß sich eine den Namen durchbrechende Stickerei befunden haben.
  5. WO nur noch als Vorzeichnung vorhanden.

Anmerkungen

  1. Über Stickereitechnik und farbliche Gestaltung wie Erhaltungszustand vgl. Schuette 2, S. 20.
  2. Deutung ebd.
  3. Ebd., S. 21; vgl. auch die in den Anmerkungen angeführte Literatur.
  4. Vgl. Zimmermann, passim; Wolfgang Stammler, Wort und Bild. Studien zu den Wechselbeziehungen zwischen Schrifttum und Bildkunst im Mittelalter, Berlin 1962, S. 77–81; Gerndt, S. 445f.
  5. Schuette 1, S. 21. Insbesondere ähneln sich die Textanfänge. Auf dem Jagdteppich ist der Wortlaut DESSE MATHERIE IN DESSEME TOPPEDE DE IS VAN EYNER JACHT (...), jedoch ist er jünger (um 1430) und die Buchstabenformen der Inschrift entsprechen nicht denen auf dem Herzog Ernst-Laken.
  6. Schuette 1, S. 21.

Nachweise

  1. Abb. und Lit.: Schuette 2, S. 20f. und Abb. 3.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 66 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0006603.