Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 59 St. Ulrici-Brüdern 1388 / 1393 / 1422

Beschreibung

Gedenkinschriften südlich des Portals im unteren Teil des mit den anschließenden Klostergebäuden verbauten Strebepfeilers. Der Text erinnert an die gewonnenen Schlachten der Herzöge von Braunschweig und der Stadt von 1388, 1393 und 1421. Die in die Quader eingehauenen, heute mit roter Farbe ausgefüllten Buchstaben bilden mit acht Zeilen unter einem sich im rechten Winkel zum Fenster hinaufziehenden steinernen Vorsprung ein Rechteck. Links oben weist eine aus einem Ärmel kommende Hand mit zwei Fingern auf den Textanfang. Die Buchstaben der beiden ersten Zeilen sind höher und die Schäfte breiter gehauen als bei den folgenden sechs Zeilen. Die Schrift macht sonst einen einheitlichen Eindruck, obwohl angenommen werden muß, daß die Siegesmeldungen jeweils kurz nach den Ereignissen eingehauen worden sind, also die letzte mindestens 34 Jahre nach der ersten. Die letzte Eintragung ist nach links gerückt, sie ist um einen Quader länger als die beiden vorangehenden. Die Inschriften der vierten, siebten und achten Zeile sind beschädigt.

Maße: H.: ca. 110 cm; Br.: ca. 186 cm; Bu.: 11 cm (Z. 1 u. 2), 9,5 cm (Z. 3–8).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Bernhard Boockmann [1/1]

  1. an(n)o d(omi)ni m° ccc° lxxxviii in des / hilge(n) licha(m)mes daghe wu(n)ne(n) de / vorste(n) va(n) Brunsw(ik) de(n) strid vor wy(n)se(n) / a(nn)o m° ccc° xc iii i(n) der xi duse(n)t megh[e]de / daghe wu(n)ne(n) vor bene(m)a) de vorsten / van Brunsw(ik) den strid / a(nn)o m° cccc xx[ii i]n1) de(m) gude(n) do(n)nersdage wu(n)ne(n) de / vorste(n) va(n) Brunsw(ik) de(n) strid vor g[ro]ne

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1388, am Fronleichnamstag (28. 5.), gewannen die Fürsten von Braunschweig die Schlacht vor Winsen. Im Jahr 1393, am Tag der 11.000 Jungfrauen (21. 10.), gewannen vor Beinum die Fürsten von Braunschweig die Schlacht. Im Jahr 1422, am Gründonnerstag, gewannen die Fürsten von Braunschweig die Schlacht vor Grohnde.

Kommentar

Die Schlacht bei Winsen (Aller) 1388 führten die Herzöge Friedrich und Heinrich von Braunschweig zusammen mit starken Kontingenten der Stadt Braunschweig gegen Herzog Albrecht von Sachsen. Diesem wurde der Landesteil Lüneburg abgewonnen und damit die vorhergegangenen Erbstreitigkeiten beendet2). Der Schlacht bei Beinum nahe Goslar im Jahr 1393 war ein langjähriger Konflikt mit Bischof Gerhard von Hildesheim und dem Hildesheimer Stiftsadel vorangegangen, der nun von den verbündeten Herzögen Friedrich von Braunschweig und seinem Schwager Wenzeslaus von Sachsen zum Austrag gebracht wurde. Auch an diesem Treffen waren die Braunschweiger zahlreich beteiligt3). In der Schlacht bei Grohnde 1421, wobei das bischöfliche Schloß eingenommen wurde, unterlag der Bischof von Hildesheim. Beteiligt waren die Herzöge Wilhelm von Lüneburg und sein Neffe Otto von Braunschweig, Sohn Herzog Bernhards, sowie die Truppen der Stadt Braunschweig4). Diesen drei sog. Siegesinschriften war bereits die auf dem Grabstein Velstede (Nr. 48) eingehauene Inschrift von 1367 vorausgegangen. An der Kirche und im Kreuzgang wurden bis ins 17. Jahrhundert Gedenktafeln an verschiedene kriegerische Ereignisse befestigt.

Textkritischer Apparat

  1. Rehtmeyer, Kirchen-Historie 1, S. 184, läßt die Ortsangabe vor benem weg mit der Bemerkung: „mehr steht nicht dabei“.

Anmerkungen

  1. Die Schreibung der Jahreszahl 1422, die heute durch Beschädigung nicht mehr lesbar ist, ist in der braunschweigischen stadtgeschichtlichen Literatur mehrmals belegt (Rehtmeyer, Kirchen-Historie 1, S. 184; Schröder/Assmann 2, S. 162; Schiller, 1852, S. 159; Meier/Steinacker, 1926, S. 19). Nur Dürre meldete einige Zweifel an: „entbrannte 1421 der Kampf von neuem (...). Die Entscheidung erfolgte vor Grohnde (...) wie es scheint erst 1422“ (S. 206 mit Anm. 78). Tatsächlich fanden die Schlacht vor und die Eroberung von Grohnde jedoch am Gründonnerstag des Jahres 1421 (20. 3.) statt; vgl. zur Klarstellung der irrtümlichen Datierung Havemann 1, S. 660 Anm. 5. Vielleicht läßt sich daraus schließen, daß die Siegesinschrift erst eine erhebliche Zeit nach dem Ereignis eingehauen wurde, so daß man das Jahr nicht mehr exakt im Gedächtnis hatte.
  2. Rehtmeyer, Chronica, S. 669f.
  3. Ebd., S. 674; vgl. Heinemann 2, S. 181.
  4. Rehtmeyer, Chronica, S. 708f.; vgl. Havemann 1, S. 672. Über die Rolle des Franziskanerklosters im Verhältnis zu Stadt und Landesherrn vgl. Einleitung, Kapitel 2. Die Inschriften der Stadt Braunschweig – Ihre Einordnung in die Stadtgeschichte.

Nachweise

  1. Wie Anm. 1–4; Sack, H V, 90, S. 126; Schiller, 1849, S. 174; ders., 1852, S. 159; Dürre, S. 182; Meier/Steinacker, 1926, S. 19; Fricke, 1952, S. 11ff.; Dorn, S. 211.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 59 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0005905.