Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 35: Stadt Braunschweig I (1993)

Nr. 46 St. Ulrici-Brüdern nach 1358

Beschreibung

Grabstein der Familie Velstede; Sandstein. Der hochrechteckige, oben in vier stumpfen Winkeln abgeschrägte Stein steht heute an der Südwand des Kreuzgangs als erster Grabstein von Osten. Er wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und danach restauriert. Die eingehauene Umschrift verläuft zwischen zwei Linien, oben links beginnend. Im Mittelfeld das schräglinks geneigte Wappen mit übergroßer Helmzier. Im oberen, abgeschrägten Teil des Steines wurde nach 1367 in drei Zeilen in um die Hälfte kleinerer Schrift eine Meldung über das Treffen bei Dinklar zwischen dem Herzog Magnus von Braunschweig und dem Bischof Gerhard von Hildesheim eingehauen, die in die Reihe der ‚Siegesinschriften‘ in der Brüdernkirche einzubeziehen ist (Nr. 48). Der ursprüngliche Standort des Steines ist deshalb eher vor dem Kirchenportal oder an der Südwestmauer der Kirche zu suchen als im Kreuzgang.

Maße: H.: 148 cm (Sockel: 30 cm); Br.: 103 cm; Bu.: 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit einer Versalie in gotischer Majuskel.

Bernhard Boockmann [1/2]

  1. + an(n)o · d(omi)ni · M · ccc · xxi · / o(biit) [rolvede de velst]edea) · o(mn)i(u)m · s(an)c(t)or(um) · etb) · xxxvii · o(biit) · ioh(ann)esc) · i(n) · die · la(m)berti · / etb) · lvi · o(biit) · bertram(us) · ad · vi(n)cula · / pet(ri) · filii · ei(us) · etb) lviii · o(biit) · ermeg(art) · vxor · rol(vedis) · in die · s(ancti) · viti

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1321 starb Rolvede von Velstede am Tag Allerheiligen (1. 11.), und 1337 starb Johannes am Tag des hl. Lambert (17. 9.), und 1356 starb Bertram an Petri Kettenfeier (1. 8.), seine Söhne, und 1358 starb Ermegard, Rolvedes Gattin, am Tag des hl. Vitus (15. 6.).

Wappen:
Velstede1).

Kommentar

Dieser früheste erhaltene Grabstein einer städtischen Adelsfamilie ist zugleich auch das erste Beispiel einer gotischen Minuskel im Umkreis der städtischen Inschriften. Trotz der starken Beschädigung des Steins ist die mangelhafte Einübung des Steinmetzen in die neuen Schriftformen sichtbar. Das M in der gerundeten und durch Grundstrich geschlossenen Majuskelform ist als Schmuckelement der Datumszeile eingesetzt, auch das e begegnet dreimal in einer majuskelähnlichen Form2). Die Hasten von m und n sind teilweise unverbunden, u und v sind nach links geneigt mit nach links gebrochenen Schäften. Die Unterlänge des g steht auf der Zeile.

Die Familie Velstede gehörte zum Braunschweiger Stadtadel. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts waren zahlreiche Familienmitglieder Ratsherren der Altstadt. Der auf dem Grabstein an erster Stelle genannte Rolvede oder Roleke (Rudolf) war 1320–1321 Ratsherr der Altstadt3). Er wird auch im Testament seiner Witwe Ermegard, geb. Salge, von 1358 erwähnt4). Über den 1337 gestorbenen Sohn Johannes ist nichts bekannt. Bertram von Velstede war 1344 Ratsherr der Altstadt5). Wahrscheinlich hat Rolef, der die Eltern und Brüder überlebte, den Grabstein anfertigen lassen. Er war von 1351–1360 Ratsherr der Altstadt. Sein Testament von 1370 ist überliefert6).

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzt nach Beck.
  2. Tironisch.
  3. iobes Beck. Da außer in o(biit) und s(ancti) keine Kürzungszeichen vorkommen, entging ihm die Abbreviatur der Namensform. Der Name Johannes ist in der Familie Velstede mehrfach vertreten, vgl. Spieß, 1970, S. 223.

Anmerkungen

  1. Kämpe, Wappenbuch I, S. 189.
  2. Vgl. Kloos, S. 137.
  3. Vgl. Spieß, 1970, S. 223.
  4. Vgl. Mack, Testamente 3, S. 570.
  5. Vgl. Spieß, 1970, S. 222.
  6. Vgl. ebd., S. 223; Reidemeister, S. 122; Mack, Testamente 3, S. 568.

Nachweise

  1. Abb.: Sack, H V, 133, S. 199a; Beck, H III 1, 15, S. 148; Spies, 1976, S. 121.
  2. Lit.: Schmidt, 1819, S. 761; Schiller, 1849, S. 166; ders., 1852, S. 159; Schultz, 1963, S. 79f.

Zitierhinweis:
DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 46 (Andrea Boockmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di035g005k0004601.