Der Bestand umfaßt 410 Katalognummern mit Inschriften von der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts bis zum Jahr 1528, dem Datum der Einführung der Reformation in Braunschweig. Eine große Anzahl von Inschriften steht im Zusammenhang mit dem Braunschweiger Dom. In diesen Inschriftenkomplex gehört vor allem der seit dem 19. Jahrhundert als „Welfenschatz“ bezeichnete Stiftsschatz mit seinen hervorragenden Kunstwerken. Die frühesten Schriftzeugnisse befinden sich auf den Schenkungen des Brunonischen Grafenhauses; drei Inschriften nennen Heinrich den Löwen als Stifter. In die Zeit Heinrichs des Löwen gehen möglicherweise auch die Wandmalereien des Doms zurück. Ihre Beischriften werden hier zum ersten Mal vollständig publiziert und in deutscher Übersetzung wiedergegeben.
Die städtischen Inschriften setzen mit dem Ende des 13. Jahrhunderts ein. Stadtmauern, Türme und Brunnen geben Zeugnis von der baulichen Entwicklung : Stifter und Meisterinschriften auf den Ausstattungsstücken der Pfarrkirchen dokumentieren den wachsenden Reichtum und das Selbstbewußtsein der Bürger. Vor der Zerstörung Braunschweigs im Zweiten Weltkrieg wurde das Stadtbild besonders durch die Fachwerkbauten geprägt. Heute sind im Stadtgebiet noch neun Häuser mit mittelalterlichen Inschriften erhalten. Diese, wie auch die aus dem 18. und 19. Jahrhundert überlieferten Hausinschriften (insgesamt 199 Artikel) geben noch einmal einen Eindruck von der Größe der einstigen Hansestadt.

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1. Vorworte, Vorbemerkungen und Hinweise zur Benutzung

1.1 Vorwort Dietrich Mack

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatten die vereinigten Akademien der Wissenschaften im Deutschen Reich damit begonnen, unter dem Titel ‚Die Deutschen Inschriften‘ auf landschaftlicher Grundlage alles vor 1650 auffindbare Material zu sammeln, aufnehmen zu lassen und zu edieren. Die Kriegszerstörungen ließen diese Aufgabe, deren Lösung noch in den Anfängen steckte, doppelt dringlich erscheinen. Am 15. 10. 1944 war Braunschweigs Altstadt in Trümmer gesunken. Als nach Kriegsende an Wiederaufbau zu denken war, ging es nicht nur darum, die materiellen Bedürfnisse der Bewohner zu befriedigen. Auch das kulturelle Erbe, das unter den Ruinen zu vergehen drohte, galt es zu erhalten. Im Einvernehmen mit der Akademie der Wissenschaften in Göttingen nahm sich die Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft dieser Verpflichtung an.

Am 1. 9. 1946 erhielt ich seitens der Kulturwissenschaftlichen Abteilung dieser Institution durch deren Mitglied, Herrn Professor Dr. Wilhelm Jesse, den Auftrag, für die Stadt Braunschweig in Anlehnung an den ersten Band der Heidelberger Reihe die Inschriften zur Edition zu sammeln und kritisch zu prüfen. Da die Stadt noch in Schutt und Asche lag, war diese Aufgabe nur unter Aufarbeitung historisch gewonnenen Materials zu lösen. Als Sohn des langjährigen Archiv- und Bibliotheksdirektors (1904–1934) Professor Dr. Heinrich Mack war mir von Jugend an dessen Arbeitsstätte vertraut. Auch zu seinen Mitarbeitern hatte ich persönlichen Kontakt behalten. Glücklicherweise waren die Verluste des Archivs nur geringfügig. Ich hatte auch bei Fritz Rörig in Kiel eine hervorragende Ausbildung in mittelalterlicher Geschichte erhalten. In der Festlegung der Zeitgrenze kam man mir großzügig entgegen. Meiner Anregung, die Inschriftensammlung bis auf das Jahr 1671 auszudehnen, wurde entsprochen. In diesem Jahr endete die Selbständigkeit und Selbstverwaltung der Stadt mit der Eroberung durch Herzog Rudolf August.

Man könnte meinen, es sei angesichts des Verlustes der meisten originären Texte sehr schwer gewesen, das gesteckte Ziel zu erreichen. Daß dem nicht so war, ja, daß durch den historischen Rückgriff sogar erhebliche Vorteile gewonnen werden konnten, danken wir den Quellen. Zwei Kupferstecher, Maler und Zeichner, Johann Georg Beck (1676–1722) und sein Sohn Anton August Beck (1713–1787), hatten zu ihren Lebzeiten bereits aus Sorge um den baulichen Verfall und Verluste an beweglichen kirchlichen und weltlichen Gegenständen in Bild und originärer Schrift aufgenommen, was sie vorfanden. Ebenso hatte Philipp Julius Rehtmeyer in ‚Der berühmten Stadt Braunschweig Kirchenhistorie‘ (1707), die fünf Bände umfaßte, ein monumentales Werk geschaffen, das über die zahllosen Kirchen und Kapellen sowie ihre Prediger hervorragende Auskunft gab. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts machte sich Johann August Heinrich Schmidt als Forscher um seine Heimatstadt verdient. Außer zahlreichen Notizen hinterließ er uns in einer Phase romantischer Geschichtstradition zwei Bücher, die die Titel ‚Versuch einer historisch-topographischen Beschreibung der Stadt Braunschweig‘ (1821) und ‚Die Martinskirche in Braunschweig‘ (1846) trugen. Der Polyhistor und Kreisgerichtsregistrator Carl Wilhelm Sack (1792–1870) sammelte in 300 Foliobänden, was ihm in die Hände kam. Mehr als bloße Stoffsammlungen sind die Arbeiten des Stadtbaurats Hans Pfeifer über die Fachwerkarchitektur (1892), die Kirchenglocken in der Stadt Braunschweig (1920–1926) und die Glockengießergeschlechter (1927). Dasselbe gilt für die Publikationen zweier Museumsdirektoren, Paul Jonas Meier und Karl Steinacker. Alle diese Autoren werteten, was sie gesehen hatten, kunstgeschichtlich aus. In seinem Meisterwerk ‚Das Kunsthandwerk der Bildhauer in der Stadt Braunschweig seit der Reformation‘ (1936) hinterließ Meier ebenso wie Steinacker in seinem Häuserkatalog, der zur Zeit in Hannover im Institut für Denkmalpflege liegt, der Nachwelt eine unschätzbare Quelle. Schließlich ist Rudolf Frickes Monographie ‚Das Bürgerhaus in Braunschweig‘ (1975) für den Fachwerkbau mit seinen über 800 Inschriften ein Buch, auf das keiner verzichten kann.

Die ersten drei Jahre von 1946–1949 dienten dazu, mit Hilfe dieser und zahlreicher nur im Literaturverzeichnis dieses Bandes aufgeführter Vorarbeiten Material zu sammeln. Davon ist in Band I der Abhandlungen der Braunschweiger Wissenschaftlichen Gesellschaft von mir ein erster Bericht geschrieben, den Professor Dr. Jesse 1949 vorlegte. In der Folgezeit prüfte ich an Ort und Stelle, was der [Druckseite VIII] Krieg den Braunschweigern an Schätzen belassen hatte. Der Weg führte in alle Kirchen, zu den Epitaphien, Grabmälern, Glocken und Abendmahlsgeräten. Es ging ins Städtische, in Anton Ulrich- und ins Landesmuseum, wo Kataloge die Auswahl erleichterten. An Häusern ließ sich in einer Reihe von Fällen durch Vergleich überprüfen, ob die archivalisch überlieferten Fachwerkinschriften mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Manche der von J. G. und A. A. Beck hinterlassenen Texte suchte ich durch Konjekturen lesbar zu machen. Vor allem ging es mir schließlich um eine erste Gesamtsicht der Hausinschriften, die 1952 in den Abhandlungen der Braunschweiger Wissenschaftlichen Gesellschaft vorgenommen ist.

Abgesehen von den ersten acht Monaten war ich ständig durch meine Lehrtätigkeit an der Schule belastet. Am 15. 11. 1952 wurde ich zum Direktor des Gymnasiums Johanneum in Lüneburg berufen und damit aus meiner Braunschweiger Tätigkeit plötzlich herausgerissen. Die Rückkehr in eine gleichwertige Position am Braunschweiger Wilhelmgymnasium änderte 1959 an dieser Situation wenig. Zur Arbeit an den Inschriften kam ich nur noch sporadisch. Ich konnte zwar einige Literatur einarbeiten, aber an eine Edition war vor Beendigung des Schuldienstes, die 1980 erfolgte, nicht zu denken.

Nach der Pensionierung war der Wiederbeginn an den ‚Inscriptiones‘ schwierig. 28 Jahre waren vergangen, seit ich nach Lüneburg zog. Viel Literatur war aufzuarbeiten, viele Probleme bei der Inschriftendeutung blieben offen. Einige davon konnte ich klären. Zunächst reizten drei Patrizierhäuser in der Gördelingerstraße, sodann die durch die Reformation vom Franziskanerkloster in eine Stadt- und Weichbildkirche umgewandelte ‚Brüdern- bzw. Ulricikirche‘. Daraus entstanden eigene Aufsätze, die zu einem Vortrag 1981 vor der Inschriftenkommission in Göttingen und zu Beiträgen für das Braunschweigische Städtische Museum (1982) sowie für die kleinen Schriften des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek (1983) führten.

Drei Bildzyklen mit 121 Bildern zwischen 1596 und 1638 in der Brüdernkirche gaben durch ihre Stifter, die namentlich bekannt waren, Anstoß zu neuer Forschung. Als sich daraus eine große genealogische Arbeit mit drei Bänden über ‚Braunschweiger Bürgergeschlechter des 16. und 17. Jahrhunderts‘ entwickelte, entschloß ich mich zur Trennung von der Inschriftensammlung. In der Überzeugung, daß die Arbeit der Jahre 1946–1952 nicht umsonst getan sein dürfte, gab ich 1986 alle Unterlagen einschließlich meiner umfangreichen Personalkartei an die Akademie der Wissenschaften in Göttingen zu Fotokopie und Edition ab. Daß diese Entscheidung richtig war, bezeugt die jetzt möglich gewordene Herausgabe des ersten Bandes. Dafür Voraussetzungen geschaffen zu haben, erfüllt mich mit Freude und ein ganz klein wenig Stolz.

Dietrich Mack

1.2 Vorwort Andrea Boockmann

Dieser Band „Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis zum Jahr 1528“ wurde in den Jahren 1986 bis 1993 auf der Grundlage des von Herrn Oberstudiendirektor i. R. Dr. Dietrich Mack seit 1945 gesammelten Inschriftenmaterials und seiner Archivstudien erarbeitet. Er erscheint als 5. Band der Göttinger Reihe innerhalb der Reihe „Die Deutschen Inschriften“.

Als Bearbeiterin habe ich besonders Herrn Dr. Mack für seine Unterstützung und für bereitwillig erteilte Auskünfte zu danken. Herrn Archivdirektor Dr. Manfred R. W. Garzmann und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Braunschweiger Stadtarchivs bin ich für die außerordentlich gute Zusammenarbeit sehr verpflichtet. Freundliche Beratung wurde mir auch von Herrn Museumsdirektor Dr. Gerd Spies, Städtisches Museum Braunschweig, zuteil. Spezielle Fragen zur mittelalterlichen Geschichte Braunschweigs hat mir Herr Dr. Matthias Puhle, jetzt Leiter des Kulturhistorischen Museums Magdeburg, immer wieder bereitwillig beantwortet. Unterstützung erhielt ich auch von Herrn Museumsdirektor Dr. Jochen Luckhardt und Herrn Dr. Bertold Wex, Herzog Anton Ulrich-Museum; desgleichen von Herrn Dr. Christof Römer, Braunschweigisches Landesmuseum. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Dietrich Kötzsche, Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, der mir mit großer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft auf einem mir fremden Gebiet zur Seite stand. Im Institut für Denkmalpflege in Hannover erhielt ich freundliche Auskünfte von Herrn Dr. Urs Boeck und durch Frau Grosche Hilfe bei der Zusammenstellung des Abbildungsteils. Frau Professor Dr. Renate Neumüllers-Klauser, Heidelberg, hat die Bearbeitung dieses Bandes von Anfang an mit Rat und bereitwilliger Hilfe unterstützt. Herr Professor Dr. Fidel Rädle, Göttingen, hat sich der Mühe unterzogen, die Übersetzung der lateinischen Inschriften zu prüfen. Ich bin ferner den Herren Professoren Dr. Hartmut Hoffmann und Dr. Berndt Schaller, Göttingen, Dr. Herbert Blume, Braunschweig und Herrn Dr. Karl Friedrich Waack, Hannover, für wiederholte freundliche Auskünfte zu Dank verpflichtet. Frau Dr. Renate Baumgärtel, Diözesanmuseum Bamberg, danke ich für die Korrespondenz zu Spezialfragen der Epigraphik. Mein Sohn Bernhard Boockmann hat zur Fertigstellung des Abbildungsteils wesentlich beigetragen.

Am Zustandekommen dieses Bandes sind die Mitarbeiterinnen der Göttinger Inschriftenarbeitsstelle, Frau Dr. Christine Wulf und Frau Dr. Sabine Wehking, beteiligt gewesen. Ihnen wie auch den zeitweiligen Mitarbeitern Frau Christine Magin, Herrn Dr. Tibor Pézsa und besonders Herrn Falk Eisermann, der über seine bloße Mitarbeit hinaus viele wertvolle Hinweise beigesteuert hat, sei für die gute Zusammenarbeit gedankt.

Herr Professor Dr. Dr. h. c. Karl Stackmann, der Vorsitzende der Göttinger Inschriftenkommission, der mich veranlaßte, diese Edition zu übernehmen, hat mich damit auf ein mir neues Arbeitsgebiet geführt. Dafür danke ich ihm herzlich.

Göttingen, im Dezember 1992

Andrea Boockmann

1.3 Vorbemerkungen und Hinweise zur Benutzung

Dieser erste Band des Braunschweiger Inschriftencorpus enthält die Inschriften der Stadt Braunschweig bis zum Reformationsjahr 1528. Die Teilung des Bestands ist bedingt durch den großen Umfang des Inschriftenmaterials. Die Grenze für den ersten Band wurde deshalb auf 1528 festgesetzt, weil die Inschriften der folgenden, nachreformatorischen Zeit sprachlich und thematisch andere Formen annehmen. Aus dieser zeitlichen Begrenzung folgt die topographische: Die Sammlung und Herausgabe der Inschriften dieses Bandes umfaßt die fünf mittelalterlichen Weichbilde innerhalb der Stadtmauern. Einbezogen sind darüber hinaus das vor der Stadt gelegene Kreuz-Kloster und das St. Leonhards-Hospital. Entsprechend dem für die Herausgabe der Deutschen Inschriften maßgeblichen Provenienzprinzip wurden die Inschriften aufgenommen, die vor 1528 in Braunschweig nachzuweisen sind. Deshalb sind auch die Inschriften des sog. Welfenschatzes verzeichnet worden, nicht aber diejenigen auf mittelalterlichen Gegenständen der späteren fürstlichen Sammlungen, die sich heute vorwiegend im Herzog Anton Ulrich-Museum befinden. Handwerkliche Serienprodukte, wie z.B. Messingbecken, bleiben in diesem Band ebenfalls unberücksichtigt, da bei den einzelnen Stücken die Braunschweiger Provenienz nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Über die Hälfte der in diesem Band edierten Inschriften ist kopial überliefert. Das liegt vor allem an der Zerstörung der Fachwerkbauten im Zweiten Weltkrieg. Da jedoch die kopiale Überlieferung der Hausinschriften seit etwa 1740 kontinuierlich fortgeführt wurde, ist hier eine relative Vollständigkeit gegeben. Anders verhält es sich bei den Inschriften auf Grabdenkmälern, kirchlichen Ausstattungsstücken oder anderen mittelalterlichen Sachzeugnissen. Bei diesen Inschriftengruppen läßt die Überlieferung keine vollständige Erfassung zu. Weiterhin kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich in auswärtigen Museen noch Stücke Braunschweiger Provenienz befinden.

Die Aufnahme und Anordnung der Inschriften sowie die Einrichtung der einzelnen Artikel folgt den Richtlinien der Interakademischen Kommission für die Herausgabe der Deutschen Inschriften. Entsprechend wurden alle Inschriften aufgenommen, die nicht Gegenstand anderer Disziplinen wie der Sphragistik oder Numismatik sind. Unberücksichtigt bleiben grundsätzlich Haus- und Künstlermarken, es sei denn, sie erscheinen in Verbindung mit Inschriften.

Die Inschriften sind chronologisch angeordnet. Für undatierte Inschriften wurde eine möglichst enge Eingrenzung ihres Entstehungszeitraumes vorgenommen. Sie sind jeweils am Ende des ermittelten Zeitraums eingeordnet. Konnte ein terminus post oder ante quem ermittelt werden, ist der Artikel vor oder hinter der Inschrift mit dem nächstliegenden Datum eingeordnet. Mehrere Inschriften mit gleicher Datierung wurden nach alphabetischer Abfolge der Standorte angeordnet.

1.4 Der Aufbau der Katalogartikel

Die Katalogartikel sind untergliedert in Kopfzeile, beschreibenden Teil, Wiedergabe des Inschriftentextes, Kommentar und Apparat.

Die Kopfzeile enthält die laufende Nummer, die Bezeichnung des Standortes und die Datierung(en) der Inschrift(en).

Ein Kreuz neben der laufenden Nummer kennzeichnet Inschriften, deren Original verloren ist.
(1524) Die Klammern bezeichnen eine genaue Datierung, die nicht aus der Inschrift selbst hervorgeht.
13. Jh.? Ein Fragezeichen bezeichnet eine zweifelhafte Datierung.

Der beschreibende Teil eines Artikels enthält Angaben zur Ausführung der Inschrift(en) und des Inschriftenträgers. Die Beschreibung erfolgt vom Blickpunkt des Betrachters aus. Handelt es sich um mehrere Inschriften auf einem Inschriftenträger, so werden diese mit A, B, C bezeichnet. Sind die Inschriften im Original überliefert, werden die Maße des Inschriftenträgers, die Buchstabenhöhe und die Schriftart angegeben. Sind die Inschriften kopial überliefert, ist die Quelle, nach der zitiert wird, [Druckseite XII] genannt. Bei photografischer Überlieferung wird darauf entsprechend verwiesen. Soweit aus der kopialen Überlieferung Maße und Schriftart bekannt sind, werden diese mit einem entsprechenden Verweis übernommen.

Der Inschriftentext ist eingerückt. Mehrere Inschriften auf einem Inschriftenträger sind entsprechend der Beschreibung mit A, B, C bezeichnet. Die Zeilenumbrüche des Originals werden bei der Wiedergabe der Inschriften nicht eingehalten, sondern nur bezeichnet. Verse werden auch dann voneinander abgesetzt, wenn das Original den Text fortlaufend wiedergibt.

[...] Eckige Klammern bezeichnen Textverlust, der nicht ergänzt werden kann. Läßt sich die Länge des verlorenen Textes feststellen, markiert ein Punkt jeweils einen ausgefallenen Buchstaben. Ist dies nicht der Fall, stehen drei Punkte. Ergänzter Text steht ebenfalls in eckigen Klammern.
( ) Kürzungen werden in runden Klammern aufgelöst. Bei der Auflösung der Abkürzungen ist AE- oder E-Schreibung je nach Usus der Inschrift eingesetzt, ebenso wurde mit der U- und V-Schreibung verfahren. Wenn die Inschrift keinen Anhaltspunkt gibt, wird nach klassischem Gebrauch verfahren.
< > Nachträge oder für Nachträge freigelassene Stellen stehen in spitzen Klammern.
/ Ein Schrägstrich markiert das Zeilenende.
// Doppelte Schrägstriche markieren einen aus Platzgründen nicht weitergeführten Inschriftentext.
__ Ein unter die Zeile gesetzter Strich bezeichnet eine aus zwei Buchstaben bestehende Ligatur, zwei Striche unter drei Buchstaben eine Ligatur aus drei Buchstaben.

Einer lateinischen Inschrift schließt sich unmittelbar die Übersetzung an. Längere oder schwer verständliche niederdeutsche Inschriften werden gelegentlich übersetzt.

Bei metrischen Inschriften folgt die Bestimmung des Versmaßes.

Soweit sich auf dem Inschriftenträger Wappen befinden, wird deren Beschreibung nachgewiesen. Die Braunschweiger Geschlechterwappen sind außerdem in den von Carl Kämpe zusammengestellten Wappenbüchern im Stadtarchiv Braunschweig (Sign. H III 3, Nr. 4) verzeichnet.

Der Kommentarteil enthält Erläuterungen zu verschiedenen – mit der Inschrift oder dem Inschriftenträger zusammenhängenden – Fragestellungen. Diese können sich beispielsweise auf Besonderheiten der Schrift, der Sprache oder des Inhalts einer Inschrift beziehen, historische oder biographische Angaben enthalten oder der Erklärung ikonographischer Zusammenhänge dienen.

Der Apparat gliedert sich in Buchstaben- und Ziffernanmerkungen.

Die Buchstabenanmerkungen beziehen sich auf textkritische Probleme der Inschrift, sie enthalten Abweichungen von Parallelüberlieferungen, soweit sie relevant sind, und weisen auf orthographische Besonderheiten oder fehlerhafte Stellen hin. Die Ziffernanmerkungen enthalten Erläuterungen und Literaturhinweise.

Die am Schluß der Inschrift aufgeführten Literaturhinweise beziehen sich auf die wichtigsten kopialen Überlieferungen der Inschrift und geben Abbildungsnachweise. Vollständigkeit ist hier nicht angestrebt. Ist die Inschrift lediglich kopial überliefert, steht an erster Stelle die Quelle, nach der die Inschrift zitiert wird. Wurde die Inschrift nach einer Photographie wiedergegeben, steht ein entsprechender Verweis auf die Bildarchive des Instituts für Denkmalpflege, Hannover, und des Städtischen Museums Braunschweig in einer Ziffernfußnote. Ein Verweis auf die Abbildungen in der Literatur ist nachgestellt.

2. Die Inschriften der Stadt Braunschweig – Ihre Einordnung in die Stadtgeschichte

Die Stadtgeschichte Braunschweigs ist seit dem 18. Jahrhundert mehrfach umfassend dargestellt worden. Daneben steht eine große Zahl von Untersuchungen zur Bau-, Wirtschafts- und Sozial- und zur Kunstgeschichte. Sinnvoller als eine allgemeine historische Übersicht erscheint deshalb eine Einordnung der erhaltenen und kopial überlieferten Inschriften in die Stadtgeschichte bis zum Reformationsjahr 1528.

Die Gründungslegende, nach der der sächsische Herzog Dankward die herzogliche Burg Dankwarderode und sein Bruder Bruno die Stadt Brunswik erbaut und begründet haben sollen, erscheint erstmals im 13. Jahrhundert in der sächsischen Chronistik1). Das sagenhafte Datum dieser frühen Grün-[Druckseite XIII]-dung im Jahr 861, das seit dem Ende des 15. Jahrhunderts auf dem Turm der am Eiermarkt gelegenen Jacobskirche zu lesen war (Nr. 288), galt noch am Anfang des 18. Jahrhunderts als glaubwürdiges Zeugnis für die Stadtgründung, und St. Jakob wurde neben der ehemaligen Burgkirche als älteste städtische Kirche angesehen2). 1861 feierte die Stadt ihr – freilich schon damals umstrittenes – 1000-jähriges Bestehen. Grabungen in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts stießen auf Fundamente und Mauerreste des 9. Jahrhunderts im Umkreis der Kirche3). Damit schien eine Bestätigung der Stadtgründungslegende gegeben. Neuere Grabungen im Stadtgebiet führten jedoch zu der Annahme, daß eher der Kohlmarkt mit einem Vorgängerbau der ehemaligen Kirche St. Ulrici als Zentrum eines frühen Marktortes des 9. Jahrhunderts anzusehen sei4). Damit rücken die Anfänge der Stadt um einiges näher an die herrschaftliche Burg auf der östlich gelegenen erhöhten und befestigten Okerinsel heran, die die Okerfurt und damit die beiden sich dort in ost-westlicher und nord-südlicher Richtung kreuzenden Handelswege schützte. Die Straße von Magdeburg nach Hildesheim führte an der dem Herrschaftssitz grundherrlich verbundenen villa brunesguik, der späteren Altwiek, nördlich vorbei. Hier wurde 1031 die früheste bezeugte Kirche Braunschweigs, St. Magni, von Bischof Branthag von Halberstadt geweiht5). Die Dotierung dieser Kirche durch den adligen Besitzer der Dorfes wurde von dem auf der nahegelegenen Burg Dankwarderode ansässigen Brunonengrafen Liudolf bestätigt und durch eine weitere Schenkung ergänzt. Um 1030 weihte Bischof Godehard von Hildesheim auch die Ulrichskirche des Marktortes und die von Liudolf und seiner Gemahlin Gerdrud erbaute Stiftskirche6). Sie wurde noch 1067 in einer Stiftung des Propstes Athelold nach dem Burgsitz Thancguarderoth genannt7).

Die Liudolfinger oder Brunonen, die mehrere zusammenhängende Komitate im Bereich zwischen Weser und Aller beherrschten, treten erst im 10. Jahrhundert mit Namen hervor. Am Anfang des 11. Jahrhunderts folgte auf einen princeps Bruno († 1010) sein Sohn, der comes Liudolf. Er war durch die Wiederverheiratung seiner Mutter, Gisela von Schwaben, mit dem späteren Kaiser Konrad II. Stiefsohn des Kaisers geworden und wahrscheinlich öfter in dessen Umgebung zu finden. Nach Liudolfs frühem Tod im Jahr 1038 übernahm seine Gemahlin Gerdrud, deren Stiftungen den Namen durchgehend in dieser Form schreiben, die Herrschaft. Ihr kam es offenbar weniger auf den Ausbau territorialer Interessen als auf die Ausstattung der Stiftskirche und die Wahrung des dynastischen Anspruchs für ihre Kinder und deren Nachkommen an. Zu ihren Stiftungen gehören zwei goldene Stabkreuze (Nr. 1, 2) und ein künstlerisch bemerkenswerter Tragaltar (Nr. 3). Während die in Schmuck und Größe schlichteren Vortrage- oder Altarkreuze dem Seelenheil der Stifter gewidmet waren, tritt der dynastische Anspruch in den Figuren Konstantins und Helenas, die das Kreuz verehren, auf der linken Schmalseite des Tragaltars programmatisch ins Blickfeld, da diese von den Hll. Sigismund und Adelheid begleitet sind, die auf burgundisch-ottonische Verwandtschaftsbindung der Brunonen verweisen. Die Verehrung des Hl. Kreuzes hatte in Braunschweig bis ins späte 15. Jahrhundert hohen Rang (vgl. Nr. 6, 23 [D3–L3], 216). Auf dem zweiten, ihrem Seelenheil gestifteten Kreuz (Nr. 2) ließ sich Gerdrud auf der Rückseite am Fuß des Kreuzstammes als Orantin abbilden. Die Stiftskirche war nicht nur Maria und dem Hl. Kreuz, Petrus, Paulus, Johannes d. T. und Blasius und einer Reihe von Heiligen und Märtyrern geweiht; in Konstantin und Helena konnte die comitissa Gerdrud für sich und ihren – nach dem Tod ihres ersten Sohnes Brun im Jahr 1057 – einzigen Sohn Egbert ein hagiologisches [Druckseite XIV] Vorbild finden. Egbert wurde 1067 mit der Markgrafschaft Meißen belehnt, starb jedoch 1068 noch vor seiner Mutter, deren Todesdatum 1077 eine Bleitafel (Nr. 4) und die Memorienbücher des Stifts St. Blasii überliefern7). Wieweit Liudolf an der Gründung des Burgstifts beteiligt war, ist aus den Quellen nicht zu ersehen. Es existiert weder eine Nachricht über den Ort seiner Bestattung, noch gab es in Braunschweig eine Memorienstiftung für ihn. Alles deutet darauf hin, daß allein Gerdrud den zentralen Begräbnisplatz als Stifterin in der Krypta erhielt. Oberhalb ihrer Tumba stand ein Marienaltar8). Der erste bekannte Propst des Stifts war Adelvoldus (auch Atheloldus; vor 1068-1100), der Grundbesitz und Bücher zu dessen Ausstattung beisteuerte9). Von ihm stammt auch der dem hl. Blasius gestiftete Tragaltar (Nr. 7). Zwei weitere Tragaltäre (Nr. 8, 9) und das Sigismund-Armreliquiar (Nr. 29) wurden möglicherweise von Mitgliedern des brunonischen Hauses gestiftet, um den Vorfahren und Märtyrerkönig in der Braunschweiger Kirche zu ehren. Die Stücke gehörten am Ende des 11. Jahrhunderts zur Ausstattung der Stiftskirche10). Aus den in einer Notiz des frühen 12. Jahrhunderts überlieferten sechs Altarstiftungen lassen sich Umfang und Grundriß der Kirche als dreischiffige Basilika mit zwei Kapellen unterhalb der Westwerktürme rekonstruieren11).

In der städtischen Chronistik späterer Jahrhunderte trat die Gestalt der Gräfin Gerdrud hinter der ihrer Enkelin Gerthrud, der Tochter Egberts I., zurück. Auch sie, die marchionissa, hat der Braunschweiger Kirche fromme Stiftungen zugewendet, darunter wahrscheinlich das Armreliquiar des hl. Blasius, dessen Stifterinschrift auf der Standfläche ihren Namen trägt (Nr. 5). Sie gründete 1115 das Marien-(später Ägidien-)Kloster, dessen Gründungslegende ihr nicht nur den ‚frommen Raub‘ der Gebeine des nachmaligen Stadtpatrons St. Auctor aus Trier zuschrieb, sondern in ähnlicher Weise auch die Translation einiger kostbarer Reliquien des hl. Ägidius und anderer Heiliger aus Frankreich12). Gerthrud II. wurde 1090, nach der Ermordung ihres in die Kämpfe des sächsischen Adels gegen Kaiser Heinrich IV. verwickelten Bruders Egbert IL, Erbin der brunonischen Herrschaft13). Sie verheiratete ihre Tochter Richenza mit Lothar von Süpplingenburg, dem späteren Kaiser Lothar III., dem auf diese Weise zu seinen eigenen Gütern ein beträchtliches Erbe zufiel. Dieses Erbe brachte Lothars einzige Tochter Gertrud dem Welfen Heinrich dem Stolzen zu, mit dem sie 1127 verheiratet wurde. Ihr Sohn Heinrich der Löwe erbte nach dem frühen Tod des Vaters 1139 zugleich mit dem Titel eines Herzogs von Bayern und Sachsen einen umfangreichen territorialen Komplex mit unterschiedlichen Rechts- und Besitzmodalitäten, die der Anlaß für seine Expansionspolitik nach Norden und Osten wurden. Als Heinrich im Jahr 1142 die Herrschaft im Herzogtum Sachsen antrat, fand er am Ort der späteren Stadt Braunschweig fünf bestehende, noch unverbundene Siedlungszentren vor: die alte Burg und das Stift der Brunonen auf der Okerinsel, die Altstadt als Kaufmannssiedlung um Ulricikirche und Eiermarkt, das Dorf Brunswik mit der Magnikirche, das Ägidienkloster und das wohl 1090 von Markgraf Egbert II. gestiftete Cyriacusstift14). Es wird angenommen, daß der Altstadt durch Lothar III. um oder vor 1130 das Stadtrecht verliehen wurde15). Am Rand der Altstadt entstand um 1158 an der Michae-[Druckseite XV]-liskirche eine von Kleinhandwerkern und Gärtnern bewohnte Siedlung16). Diesem noch nicht geschlossenen Stadtkomplex wurde um 1160 als weiteres Weichbild der Hagen, eine Handwerkersiedlung mit eigenem Recht, angegliedert. Die erste Umwallung der räumlich zusammenwachsenden Siedlungen, in die das Dorf Brunswik und das Stift St. Cyriacus noch nicht einbezogen waren, wird um 1166 angenommen. Dies bedeutete jedoch noch nicht den rechtlichen Zusammenschluß der Stadt17). Im Mittelpunkt dieses sich nun verdichtenden Komplexes, dessen Bevölkerung seit der Mitte des 12. Jahrhunderts schnell zunahm, lag die herrschaftliche Burg, vor der als Rechts- und Gerichtszeichen der bronzene Löwe aufgestellt war. In seinem im Lauf der Jahrhunderte mehrfach erneuerten Sockel wurde 1858 eine rechteckige Steinplatte mit einer rätselhaften, auf den Ort und den Rechtscharakter hinweisenden mittelhochdeutschen Inschrift gefunden, deren nur als Zeichnung erhaltene Abschrift die Anlehnung an eine gotische Majuskel erkennen läßt (Nr. 410). Der Braunschweiger Löwe erschien als Herrschaftssymbol zunächst auf Münzen und Siegeln Heinrichs, 1231 dann aber auch auf dem Stadtsiegel18). Er blieb bis heute in verschiedenen Ausprägungen das Symbol zur Kennzeichnung städtischen Rechts und Besitzes auf Brunnen (Nr. 83), an Brücken und Stadttoren (z.B. Nr. 110, 142), auf den Schwellbalken der in städtischem Besitz befindlichen Häuser (z.B. Nr. 250) oder auf dem Beschauzeichen der Goldschmiedegilde19). Mit der baulichen Erneuerung der Burg Dankwarderode zu einer Pfalz nach Goslarer Vorbild, mit deren Beginn etwa für das Ende des siebten Jahrzehnts des 12. Jahrhunderts gerechnet wird, bekam Braunschweig den Charakter einer frühen Fürstenresidenz20). Die Stadt wurde, abgesehen von den Jahren der Verbannung nach 1180, zum Hauptaufenthaltsort Herzog Heinrichs des Löwen. 1172 trat er in Begleitung einer großen Gesellschaft von hohen Geistlichen und namhaften Adligen seines sächsischen Herrschaftsgebietes eine Pilgerfahrt ins Hl. Land an, in deren Verlauf er am Hof Kaiser Manuels in Byzanz mit königlichem Zeremoniell empfangen und mit reichen Geschenken entlassen wurde. In den Deutungen der von ihm konzipierten und wahrscheinlich von seinen Söhnen vollendeten Wandmalereien von St. Blasii ist verschiedentlich vermutet worden, daß diese den tiefen Eindruck widerspiegeln, den der Besuch der heiligen Stätten bei Heinrich hinterließ21). Guten Grund zu dieser Annahme gibt die Darstellung des Himmlischen Jerusalem im Vierungsgewölbe mit sechs Szenen aus dem Leben Christi im Mittelpunkt, deren Handlungsorte Heinrich nachweislich besucht hatte. An die in der zeitgenössischen Chronistik gut dokumentierte Pilgerfahrt knüpften sich später sagenhafte Motive z.B. aus dem Herzog Ernst-Stoffkreis an, die im 14. Jahrhundert in einem Teppich verarbeitet wurden (Nr. 66). Auch eine Bildtafel der Zeit um 1400 (Nr. 72) zeigt Heinrich und seine Gemahlin Mathilde in einer nach der legendarischen Überlieferung gestalteten Abschiedsszene.

Nach seiner Heimkehr im Jahr 1173 begann Heinrich mit der Niederlegung der alten Stiftskirche und dem umfangreichen Neubau, der in den Gesamtkomplex der pfalzartigen Anlage einbezogen wurde und für das sächsische Herrschaftsgebiet neuartige und beispielhafte Architekturformen aufwies. Das gilt namentlich für die möglicherweise in Anlehnung an den Hildesheimer Dom bis unter die Vierung erweiterte Krypta, die die brunonischen Stiftergräber einbezog und die Memorialstiftungen der Herrscherfamilie aufnahm22). Neu war auch die einheitliche Überwölbung der drei Schiffe, des Querhauses und des Hohen Chores. Zusammen mit den achteckigen Westwerktürmen wurde diese Anlage maßgebend für die weiteren Kirchenbauten Heinrichs und für die späteren Erweiterungen der Braunschweiger Stadtkirchen23). Die Ausstattung der Stiftskirche mit ‚Bildern‘, Säulen, Leuchter, Altar und Reliquiaren kommt in einem Exkurs über die Inschriften im Umkreis Heinrichs des Löwen zur Sprache (S. XIX-XXIII).

[Druckseite XVI] Der exzeptionell frühe, konsequente Plan einer landesherrlichen Residenz, die Hauptaufenthaltsort, Herrschaftsmittelpunkt und Grablege der Dynastie umfaßte, konnte schon von Heinrichs Söhnen nicht mehr aufrechterhalten werden. Zwar stützte sich Otto IV. als erster deutscher König auf eine landesfürstliche Hauptstadt und förderte die Stadt durch eine weitere Befestigung des Mauerrings, der nun auch die vielleicht von ihm gegründete Neustadt einbezog. Doch kann bei seinem selten längeren Verweilen von einer Residenz kaum die Rede sein; die Möglichkeit einer „zentralen Königstadt“24) ließ sich zu Anfang des 13. Jahrhunderts mit den Pflichten imperialer Präsenz im Reich nicht vereinen. Ottos Bruder, Pfalzgraf Heinrich, hat nach Ottos Tod 1218 das Erbe bewahrt und besonders die Stiftskirche St. Blasii gefördert25). Die Bau- und Stiftungstätigkeit Herzog Ottos (genannt das Kind) und der nachfolgenden Herzöge wie auch die Ausbildung einer herzoglichen Kanzlei ließen Braunschweig noch bis über die Mitte des 14. Jahrhunderts hinaus gelegentlich als Verwaltungsmittelpunkt der Landesherrschaft erscheinen, obwohl diese durch Erbteilung und Pfandpolitik bereits erheblich gemindert war26). Das wirtschaftliche Erstarken Braunschweigs und das Zusammenwachsen der fünf Stadtteile mit einem gemeinsamen Rat seit 1269, der schrittweise vorgenommene Erwerb der stadtherrlichen Rechte, vor allem der Gerichtsvogtei, der 1345 abgeschlossen war, wie auch die Verfügung über Münze, Zölle und Mühlen drängte den Landesherrn aus der Stadt. Die Braunschweiger Huldigungsordnung von 1345 erkennt den bei seinem Regierungsantritt die städtischen Privilegien bessernden und bestätigenden Stadtherrn an und verweigert ihm nicht den Huldigungseid, doch werden weitergehende Verpflichtungen abgelehnt27). Das wachsende Autonomiestreben der Stadt zeigt auch der mit einem fast reichsstädtisch zu nennenden Wappenprogramm und Inschriften verzierte, 1408 errichtete Altstadtbrunnen (Nr. 83).

Seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts läßt sich die Tendenz des herzoglichen Hauses feststellen, den Aufenthaltsort von Braunschweig nach Wolfenbüttel zu verlegen. Seit dem 15. Jahrhundert ist Braunschweig nicht mehr als herzogliche Residenz anzusehen28). Doch verlor es allein durch den Namen des Herrschergeschlechts nie die Hauptstadtfunktion und gab diese auch nicht von sich aus auf, wie Inschriften und städtische Traditionen zeigen. Die Burg und die Stiftskirche blieben in der Hand der Herzöge. Die von ihnen vorgenommenen baulichen Erweiterungen (vgl. Nr. 33), die Stiftungen von Reliquien und Reliquiaren (Nr. 32, 42)29), das Aufhängen von Gedächtnistafeln (Nr. 72, 294), besonders aber die Tradition der Grablege hielten die Bindung an die welfische Familie aufrecht30). Die Folge der seit der Brunonengräfin Gerdrud im ‚Dom‘ bestatteten Herzöge und ihrer Gemahlinnen konnte von der sog. Tabula Blasiana, der Fürstentafel, die an einem Pfeiler neben dem Grab Heinrichs des Löwen hing, abgelesen werden (Nr. 356). Die von 1367 bis in das 16. Jahrhundert hinein fortgesetzte Tradition, die von den Herzögen und der Stadt in Kriegen und Fehden gemeinsam errungenen Siege inschriftlich neben dem Portal und im Kreuzgang der franziskanischen Brüdernkirche zu dokumentieren (Nr. 48, 59), bestätigt die Verbundenheit von Stadt und Stadtherrn. Sie zeigt gleichzeitig die integrierende Rolle, die die seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vom Landesherrn geförderten Franziskaner, deren Kloster vor 1244 gegründet wurde, in Braunschweig spielten. Ihr Remter diente auch dem Rat immer wieder als Versammlungsort31). Aus den Texten der Siegesinschriften geht nicht hervor, ob der Rat, die Herzöge oder etwa die Franziskaner selbst die Inschriften anbringen ließen. Der Stolz der Bürger auf die historische Verbundenheit mit illustren kaiserlichen und königlichen Stadtherren zeigte sich besonders an den Skulpturen der Laube des Altstadtrathauses, die jedoch nicht mit Inschriften versehen [Druckseite XVII] waren. Die geharnischte Figur und das Wappen des Stadtherrn beherrschten auch die Stadttore (Nr. 255, 258).

Die Konfrontation der einen reichsstadtähnlichen Status anstrebenden Stadt mit einem zunehmend feindselig reagierenden Landesherrn im 16. und 17. Jahrhundert, die sich gelegentlich schon in den Schriften Hermen Botes angekündigt hatte32), darf noch nicht auf das Verhältnis im 14. und frühen 15. Jahrhundert bezogen werden. Die Inschriften der Stadt Braunschweig waren bis über das Jahr 1300 hinaus mehr oder weniger diejenigen der Herzöge von Braunschweig.

In der Chronologie dieses Bandes zeichnet sich seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts ein deutlicher Bruch zwischen den Inschriften der herzoglichen Stiftungen und der im Lauf des Jahrhunderts zunehmenden Zahl städtischer Inschriften ab. Vom dritten Viertel des 14. Jahrhunderts bis zum Reformationsjahr 1528 bestimmen die niederdeutschen städtischen Bauinschriften, die in konventionellen Formen gehaltenen Sepulchralinschriften und vor allem die sich aus frühen Kurzformen der reinen Datumsangabe entwickelnden Hausinschriften die öffentlich präsentierte Schriftlichkeit der städtischen Gesellschaft. Bezüge zur Stadtgeschichte, zur aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation der Stadt oder zu religiösen Themen des Spätmittelalters ergeben sich aus ihnen nur in wenigen Fällen. Deshalb sollen im folgenden nur einige bezeichnende Ausnahmen genannt und schließlich auf einige Inschriften von historiographischem Interesse eingegangen werden.

Die erste ‚bürgerliche‘ Inschrift, kurz vor oder um 1300 in Sandstein gehauen, bezieht sich auf eine Memorienstiftung eines Bürgers und Ratsherrn der Altstadt, Daniel von Pattenhusen (Nr. 28), der die Ausstattung einer Kapelle in der Benediktiner-Klosterkirche St. Ägidien und ein ewiges Licht für das Dormitorium der Brüder gestiftet hatte. Der im nördlichen Eingang vermauerte Stein zeigt eine gotische Majuskel von großem Formenreichtum, der in Braunschweig sonst nicht zu finden ist.

Das Ägidienkloster bewahrte die Reliquien des Stadtheiligen St. Auctor in einem Schrein, der einmal jährlich, am 20. August, dem Festtag des Heiligen, in vereinigter Prozession aller fünf Weichbilde um und durch die Stadt getragen wurde. Die Reliquien des heiligen Trierer Bischofs Auctor wurden der im 15. Jahrhundert im Ägidienkloster schriftlich fixierten Tradition zufolge, wie oben bereits erwähnt, von der Markgräfin Gerthrud II. aus Trier nach Braunschweig überführt. Die neuere Forschung hält es für wahrscheinlicher, daß die Auctor-Reliquien aus dem Kloster Helmarshausen an das Ägidienkloster kamen33), wo sie zunächst hinter den weit bekannteren des hl. Ägidius zurückstanden. Die Belagerung und fast geglückte Einnahme Braunschweigs im Jahr 1200 durch den staufischen Gegenkönig Philipp von Schwaben wurde nach der hagiographischen Überlieferung durch das Eingreifen Auctors, der dem beim Heer befindlichen Erzbischof von Trier warnend im Traum erschien, abgebrochen. Im Lauf des 13. Jahrhunderts und später wurde Auctor zunehmend zum Beschützer der Stadt bei äußerer Bedrohung, aber auch bei innerem Unfrieden. Ein Beispiel für seine Verehrung ist die in einer Zeichnung von A. A. Beck überlieferte Konsolinschrift von 1336 am Standbild des Heiligen aus dem alten Klosterhof von St. Ägidien (Nr. 31). Auctor erschien als Beschirmer des Hauses auch als Knaggen- oder Konsolfigur am Fachwerk (vgl. Nr. 168, 350). Ein Tafelaltar des sog. Braunschweiger Sippenmeisters um 1510 zeigt ihn mit dem Stadtmodell Braunschweigs im Arm (Nr. 341 [F3]), ähnlich ist er auch auf dem 1499 von der Stadt geprägten ,Auctorgroschen‘ abgebildet34). Ein versilbertes Stadtmodell ohne Inschrift stiftete der Braunschweiger Rat 1494 als Votivgabe an das Ägidienkloster35). Nach der Schicht von 1374, einem Aufruhr, der durch die Uneinigkeit zwischen Rat und Gildemeistern entstanden war, bei dem acht Angehörige des Rats getötet und die anderen vertrieben worden waren, wurde der von den Aufständischen gebildete neue Rat von den Hansestädten für längere Zeit mit Sanktionen belegt [Druckseite XVIII] (,Verhansung‘). Die Aufhebung dieser Handelssperren geschah 1380 auch unter der Bedingung, daß dem Stadtheiligen St. Auctor eine Sühnekapelle für die Seelen der acht Getöteten im alten Rathaus gewidmet werden sollte36). Die acht Wappenschilde wurden entlang der Kapellenwand aufgehängt. Es kann nicht als gesichert gelten, daß die Wappenschilde mit Beischriften versehen waren. Die Namen, die Hermen Bote überliefert37), weisen zwei Verwechslungen von Vornamen auf, die eigentlich ausschließen, daß er diese an den Originalen abgelesen hat; daher ist es wahrscheinlich, daß nur die Wappenschilde ohne Namensbeischriften in der Kapelle hingen und Bote ein Jahrhundert später die Namen der Opfer nicht mehr geläufig waren und er sie aus anderen Quellen ergänzte bzw. aus den Wappen ableitete. Die Kapelle selbst wurde nach 1680 abgebrochen, die Schilde sind verloren; sie wurden nicht in den Inschriftenkatalog aufgenommen.

Die im Lauf des 15. und frühen 16. Jahrhunderts immer wieder neu aufbrechenden Schichten (1446, 1487-1492, 1512) haben keine inschriftlichen Spuren hinterlassen. Aus Botes Schilderung des Aufstands von 1446 ist eine Inschrift auf einem Banner der aufständischen Bürger erschlossen worden (Nr. 122), doch könnte man es auch mit einer dichterischen Zutat zu tun haben.

Die Siegesinschriften vor dem Portal der Brüdernkirche, deren Reihe im Kreuzgang bis ins 16. Jahrhundert fortgesetzt wurde, sind schon im Zusammenhang mit dem Verhältnis der Stadt zum Landesherren zur Sprache gekommen. Sie sind zugleich Zeugnisse volkssprachiger städtischer Historiographie. Die Bedeutung der Einträge wird etwa im Fall der Schlacht von Winsen an Fronleichnam 1388 bestätigt durch die Stiftung einer jährlichen Dankprozession38). Auch an der Stadtbefestigung, an Türmen, Toren und Brücken und den Kanalisationsanlagen der durch die Stadt fließenden Oker dokumentierte sich das städtische Selbstverständnis und -bewußtsein in niederdeutschen Inschriften. Die Umwallung aus dem 12. und 13. Jahrhundert wurde seit 1384 durch eine im Umkreis um die Stadt gelegte Landwehr verstärkt39). Der neue, erweiternde Ausbau der Stadtmauer ist in den Bauinschriften seit 1403 greifbar (Nr. 77). Zu den Inschriften an der Stadtbefestigung gehört auch eine Geschützinschrift des Jahres 1411 auf der sog. ,Faulen Mette‘ (Nr. 86).

Die vom Beginn des 15. Jahrhunderts bis ins 17. Jahrhundert fortgesetzte Tradition, im Braunschweiger Dom Schrifttafeln aufzuhängen, die eine deutlich auf die landesherrliche Gründung der Stadt verweisende historiographische Tendenz haben (Nr. 72, 294, 356)40), hat die in Braunschweig früh einsetzende Beschäftigung mit der Stadtgeschichte beeinflußt41). Bei den nach dem ersten Umbau 1375 (vgl. Nr. 54, 55) nötig gewordenen Erneuerungen des Turms der Jakobskirche legte man 1519 eine Bleitafel in den Turmknopf ein, in die die Gründungslegende der Stadt, mit der die Kapelle in Verbindung gebracht wurde, eingeritzt war (Nr. 368). Als 1617 die Bleibedachung des Turms wieder schadhaft geworden war, fand man die Bleitafel im Turmknopf vor und ergänzte sie um weitere Daten auf einer beigefügten Pergamenturkunde, um die historische Tradition im Turm der Jakobskirche zu bewahren.

Dietrich Mack hat in seinem 1952 erschienenen ersten Überblick über die Braunschweiger Inschriften gezeigt, daß das Reformationsjahr 1528 für die Thematik, das religiöse Formular von Grab- und Hausinschriften sowie die Verwendung der niederdeutschen und lateinischen Sprache von entscheidender Bedeutung war42). An die Stelle des Heiligentages trat bei der Datumsangabe das Kalenderdatum; statt der Anrufung an Jesus, Maria und die Heiligen stand nun ein Bibelwort auf dem Schwellbalken, und mit dem Verschwinden der Heiligenfiguren als Fassadenschmuck fanden Wappen und Hausmarken mit Namensbeischriften oder Initialen größere Verbreitung. Im gleichen Zeitraum, von etwa 1530 bis etwa 1614, nahm die Zahl der Inschriften insgesamt zu. Dies gilt nicht nur für die Hausinschriften, bei deren Zählung43) berücksichtigt werden muß, daß eben die Häuser und Hausinschriften aus dem [Druckseite XIX] 17. Jahrhundert eher erhalten blieben als die des 15. Jahrhunderts. In noch größerem Maße betrifft dieses Überlieferungsproblem die Grabschriften. Seit etwa 1560 setzte sich neben dem Totenschild und dem als angemessen traditionell empfundenen Bildgrabstein der evangelischen Pastoren das auf eine hölzerne Tafel gemalte Stifterepitaph als meistverbreitete Form des Totengedenkens durch. Als Gegenstände der Stiftung von Altargerät blieben den Gläubigen nur noch Leuchter, Abendmahlskelch und Patene. Dafür gab andererseits die Ausschmückung der Kirchen mit religiösen Bildzyklen auf Priechen und Paneelen dem bürgerlichen Stifter die Gelegenheit, seinen Namen unter einer biblischen Szene zur Darstellung zu bringen.

2.1 Die Inschriften aus dem Umkreis Heinrichs des Löwen

Unter dem Eindruck der intensiven Beschäftigung mit den 1930 in einem umfangreichen Band veröffentlichten Werken des sog. Welfenschatzes schrieb Georg Swarzenski 1932: „In dieser Epoche [der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts] ist kein zweiter Fall bekannt, in dem eine gleich große und bedeutende Reihe so verschiedener und verschiedenartiger Werke erhalten oder nachweisbar wäre, die eine so enge und unmittelbare Verbindung mit einer bestimmten Persönlichkeit erkennen lassen“44). Seine Empfindung einer „merkwürdigen Einheitlichkeit“, einer „Gleichheit der Stifter, der Besteller, ja selbst des bloßen ursprünglichen Besitzes“45) führte zur Annahme eines ,Kunstkreises‘ um Heinrich den Löwen. So zeitgebunden dieses Wort und die damit verknüpfte Vorstellung auch erscheinen mögen, der Eindruck der „merkwürdigen Einheitlichkeit“ hat sich auch bei den nachfolgenden Autoren immer wieder eingestellt46). Im Gegensatz zu Swarzenskis sehr weit gezogenem ,Kunstkreis‘ sieht man heute jedoch eher Traditionsgebundenheit und regionale Geschlossenheit als das typische Merkmal der künstlerischen und besonders literarischen Stilrichtung der frühen Welfenresidenz an47). Eine Übersicht der von Heinrich dem Löwen veranlaßten wie der auf ihn bezogenen Inschriften des 12. bis 16. Jahrhunderts mag die Präsenz des Herzogs und das Nachleben seiner Person in Braunschweig anschaulich machen.

Über den ab 1173 begonnenen Bau des Braunschweiger Doms und seine Ausstattung geben zwei zeitgenössische Autoren Auskunft. Abt Gerhard von Steterburg hebt rühmend ein in der Mitte der Kirche befindliches großes Kruzifix hervor, die verzierten Fenster und Wände, ein kostbares, mit Edelsteinen geschmücktes Kreuz und die reichen Gewänder, die den Geistlichen zur Ausübung der Gottesdienste gegeben wurden48). Ähnlich berichtet der Chronist Arnold von Lübeck, Heinrich habe die aus dem Hl. Land mitgebrachten Reliquien, darunter mehrere Armknochen von Aposteln, in Gold und Edelsteine fassen lassen und die Braunschweiger Kirche neben anderen Kostbarkeiten auch mit wertvollen Paramenten ausgestattet49). Den Tod des Herzogs am 6. August 1195 verzeichnet Arnold mit den Worten Salomos nach Ecl. 2, 18 und 2, 14–16 über die Vergeblichkeit aller Mühen unter der Sonne, und er fügt Worte aus Ps. 71, 17 zum Lob Gottes an. Man hat aus diesem Vergleich mit König Salomo weitergehende Schlüsse gezogen, die besonders die Ausstattung des Braunschweiger Doms betrafen50). Tatsächlich bestätigen die beiden noch vorhandenen und unsere Kenntnis zweier verlorener Stücke aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die These, Heinrich habe die Kirche wie den Tempel Salomos schmücken wollen. Der große siebenarmige Leuchter wäre im Kontext von II Par. 4, 7, der Marienaltar von 1188 als der eherne Altar nach II Par. 4, 1 oder als einer der fünf Tische [Druckseite XX] nach II Par. 4, 8 zu sehen; die beiden seit 1801 aus dem Dom entfernten, verschiedenfarbigen Säulen, die im Chor aufgestellt waren, finden sich in der Tempelbeschreibung von II Par. 3, 15-17 wieder. Besonders die fünf Säulen des Marienaltars weisen auf die Zahl fünf hin, die auch die Ausstattung des Tempels Salomos bestimmte. Heinrich der Löwe konnte König Salomo jedoch auch in der in einen farbigen Rahmen gesetzten Halbfigur des sponsus mit einem Schriftband aus dem Hohen Lied in seinem Evangeliar wiedererkennen. Salomo war weiterhin mit königlichen Gewändern und einer hohen Krone auf der rückwärtigen Langseite des Eilbertus-Tragaltars als zweite Figur von rechts unter den Propheten dargestellt (vgl. Nr. 11 [N2]). Die Asymmetrie im Verhältnis zur Vorderseite, auf der König David und der Priesterkönig Melchisedech im Mittelpunkt stehen, erklärt sich aus dem Sinn des Schriftbandes, auf das Salomo mit ausgestrecktem Finger hinweist. Mit dem Wort nam per sapientiam sanati sunt, quicumque placuerunt tibi, domine, a principio (Sap. 9, 19) bezeichnet Salomo sowohl die über ihm auf dem Deckel des Altars in einer Reihe sitzenden vier erstberufenen Apostel wie auch mit dem a principio des aufwärts weisenden Schriftbandes den Anfang des Credo. Als Erbauer des Tempels ist er gleichzeitig eine Präfiguration des Petrus, des Begründers der christlichen Kirche, der direkt über ihm auf dem Deckel des Altars auf einem sesselartigen Stuhl sitzt51). Die Sapientia als die höchste, königliche Tugend nannte auch Arnold von Lübeck in seinem Nachruf auf Herzog Heinrich in einer Paraphrase des salomonischen Textes. Das gleichzeitige Vorkommen von David und Salomo unter den Propheten ist auf vier der erhaltenen rheinischen Schreine gegeben: auf dem Eilbertus-Tragaltar (Nr.11), dem Tragaltar aus St. Maria im Kapitol52), dem Gregorius-Tragaltar in St. Servatius in Siegburg und schließlich dem Dreikönigenschrein im Kölner Dom53). Auf dem Heribert-Schrein steht König David, nicht aber Salomo in der Prophetenreihe54). Es ist die Frage, ob anhand der beiden biblischen Könige auf dem Eilbertus-Altar erneut auf mögliche Königsgedanken Heinrichs des Löwen55) zu verweisen wäre, oder ob dies im Rahmen des typologischen Programms, in das König Salomo gestellt ist, nicht unangemessen ist; eher wäre der Verbindung Salomos zu den das Credo sprechenden Aposteln nachzugehen. Im Evangeliar Heinrichs des Löwen ist mehreren Aposteln mit Credo-Text jeweils eine Szene aus dem Kampf der Tugenden mit den Lastern (aus der ,Psychomachia‘ des Prudentius) zugeordnet. Den Sieg trägt Sapientia davon, die zuletzt als Versinnbildlichung der göttlichen Weisheit inthronisiert wird56). Auf sie weist nicht einer der Apostel hin, sondern der Titelheilige der Braunschweiger Kirche, Johannes d. T.

Das Credo der Apostel tritt ein drittes Mal im Umkreis Heinrichs in der Vierung des Braunschweiger Doms auf (vgl. Nr. 23 [L6-W6]). Hier schauen die Apostel als Halbfiguren aus den zwölf Stadttoren des Himmlischen Jerusalem; die Schriftbänder mit den Abschnitten des Credo wölben sich an der Stadtmauer entlang. In den Gewölbezwickeln darunter stehen acht Propheten, die mit aufwärts gerichtetem Zeigegestus und geschwungenen Schriftbändern auf die Erfüllung ihrer Prophezeiungen weisen57). Alle drei Darstellungen des apostolischen Glaubensbekenntnisses richten sich nach der Berufung der Jünger in den Evangelien58); das erklärt, warum Paulus in den Apostelreihen fehlt. Die Reihenfolge der Apostel ist auf dem Eilbertus-Altar und im Evangeliar identisch, nicht aber die Verteilung des Credo-[Druckseite XXI]Textes. In der Domvierung erscheinen nach den ersten vier die anderen Apostel in abweichender Anordnung, infolgedessen ist auch der Text anders zugeordnet. So ist z.B. das meistens Thomas zugeordnete Bekenntnis der Auferstehung am dritten Tag dem Philippus zugeteilt, so daß der Gedanke an eine fehlerhafte Lesung der Tituli bei der Freilegung der Gewölbemalerei oder bei einer späteren Restaurierung naheliegt59). Entsprechend dem Schema des Eilbertus-Altars und des Evangeliars waren auch die romanischen Fresken mit Propheten und Aposteln in der Stiftskirche Gandersheim einander zugeordnet, wichen jedoch in den Texten ebenfalls ab60). In diesem Zusammenhang wäre die Ursache nicht so sehr in einem ,Kunstkreis‘ in Swarzenskis Sinne zu sehen, sondern es ist mit der Bevorzugung eines theologischen Programms zu rechnen, das man im 12. Jahrhundert an zentralen Orten in verschiedenen Varianten darstellen wollte.

Die beiden erhaltenen Inschriften mit der Nennung Heinrichs des Löwen befinden sich auf den Standflächen der Armreliquiare des Theodorus und des Innocentius (Nr. 15, 16). Sie bezeichnen jeweils die Reliquien und nennen den Stifter: DVX HEINRICVS ME FIERI IVSSIT AD HONOREM DEI (Nr. 16). Arnolds von Lübeck Erwähnung der aus dem Hl. Land mitgeführten Reliquien61) läßt annehmen, daß der Herzog noch weitere Armreliquiare hat anfertigen lassen. Swarzenski hob besonders die stilistische Verwandtschaft des Theodorus-Arms mit zwei nur als Holzkern erhaltenen Stücken im Schatz der Goldenen Tafel in Lüneburg hervor und zog den Kreis der auf Stiftungen Heinrichs zurückgehenden Brachien weiter bis Minden und Wildeshausen62). Seine Annahme, es habe eine in Braunschweig tätige Werkstatt gegeben, gründete sich hauptsächlich auf den Vergleich der Stanzenornamentik an Ärmeln und Standflächen. Auch bei den beiden stilistisch weiter entfernt stehenden Armreliquiaren des Laurentius (Nr. 38) und der Apostel nahm er eine spezielle Fertigung für Heinrich den Löwen an, bestand aber nicht auf Braunschweig als Herstellungsort63). Die heutige Forschung hat Swarzenskis These nicht nur bestätigt, sondern setzt für die Zeit um 1200 die Wanderung ganzer Werkstätten von einem Tätigkeitsort zum anderen voraus64). An der z.T. mehrjährigen Arbeit an größeren Stücken beteiligten sich mehrere Goldschmiede mit verschiedenen Spezialisierungen65). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Meister- bzw. Künstlerinschrift EILBERTVS COLONIENSIS ME FECIT auf der Bodenplatte des Tragaltars neu überlegt worden66).

Eine andere Reliquiarinschrift Heinrichs des Löwen ist nur kopial als Bruchstück im Braunschweiger Reliquienverzeichnis von 1482/83 überliefert (Nr. 17). Es handelte sich um einen schon im 17. Jahrhundert verschollenen, silbernen, fünftürmigen Schrein mit umlaufender Stifterinschrift, von der nur Name und Titelformular bekannt sind: Hinrici Ducis Saxonie et Bawarie. Es ist unzweifelhaft, daß es sich um ein von Heinrich dem Löwen gestiftetes Reliquiar handelte. Die Datierung ist vor dem ‚Sturz‘ Heinrichs im Jahr 1180, bei dem ihm beide Herzogtümer aberkannt wurden, anzusetzen. Eine für das Selbstverständnis Heinrichs des Löwen und für die Baugeschichte des Domes wie für die Datierung seines Evangeliars wichtige Inschrift befindet sich auf der in der Mittelsäule des Marienaltars geborgenen Reliquienpyxis (Nr. 19). Die in vier konzentrischen Kreisen auf dem Deckel eingeritzte Weiheinschrift von 1188 nennt den Hildesheimer Bischof Adelog als Konsekrator, Herzog Heinrich und seine [Druckseite XXII] Gemahlin Mathilde als Stifter des Altars und zählt abschließend die kaiserlichen und königlichen Ahnen beider Seiten auf. Da das Widmungsgedicht des Evangeliars Heinrichs des Löwen eine Ahnenreihe herstellt und auch auf dem im Evangeliar auf fol. 171v dargestellten Krönungsbild die namentlich bezeichneten Vorfahren dem Herzogpaar zur Seite stehen, läßt sich aus diesen Zusammenhängen auf eine bewußte Rückwendung Heinrichs zu den brunonischen und sächsischen Vorfahren schließen67).

Zwei Inschriften aus dem 14. und 15. Jahrhundert kommentieren Bildszenen, in denen Heinrich der Löwe als Gestalt der Sage erscheint. Auf einem gestickten Wandlaken aus dem Kreuzkloster (Nr. 66) sind Episoden aus der Sage von Herzog Ernst dargestellt, und dieser wird auch in der daruntergesetzten Inschrift namentlich genannt. Mehrere Szenen der Bildfolge sind jedoch aus dem Stoff der Sage von der Pilgerfahrt Heinrichs des Löwen entnommen; der rote braunschweigische Löwe als Begleittier des Helden läßt daran keinen Zweifel. Eine Bildtafel mit lateinischer Versinschrift (Nr. 72), die bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts an einem Pfeiler gegenüber dem Grabmal Heinrichs und Mathildes im Dom hing, zeigt ebenfalls eine Szene aus diesem Sagenkreis68). Die Herzogin hält einen Ring in die Höhe, den Heinrich offenbar einem Kästchen entnommen hat, das noch in seiner Hand ist. Dieser Ring spielt bei der Heimkehr des Herzogs nach langjähriger, abenteuerlicher Fahrt als Erkennungszeichen des Paares eine entscheidende Rolle.

Ebenfalls an einem Pfeiler in der Nähe des Grabmals hing die bereits erwähnte sog. Tabula Blasiana (Nr. 356), eine große Schrifttafel, auf der die Geschichte der Stiftskirche sowie Todesdaten und kurze biographische Angaben zu einigen Braunschweiger Herzögen aufgezeichnet waren. Die letzte Eintragung betraf den Tod Herzog Heinrichs d. Ä. im Jahr 1514. Die historischen Daten der Tafel schließen sich weitgehend dem ,Chronicon picturatum‘ an, das im Herzogtum Braunschweig im 15. und 16. Jahrhundert viel gelesen wurde69). Zum Jahr 1172 wird auf der Tafel die Niederlegung der alten Kirche und die Errichtung des neuen Doms sampt anderen drepliken Gebuwethen dusser Stadt verzeichnet. Im selben Jahr sei auch der Stein mit dem Löwen tho einer ewigen Gedechtnisse van Herthogen Hinriken errichtet worden. Der Löwenstein, wie er auf der Tafel genannt wird, wird also im 15. Jahrhundert nicht als Symbol von Gerichts- und Rechtshoheit angesehen, sondern als ein Denkmal, das sich der Herzog setzte. Die Formel des ewigen Gedächtnisses kehrt auf einer Inschrifttafel des Löwenmonuments wieder, die Rehtmeyer am Anfang des 18. Jahrhunderts in seine Sammlungen aufnahm und die Sack 1866 aus diesen veröffentlichte70). Möglicherweise sind damit Anklänge an eine ältere Inschriftentafel gegeben71). Mit einigen Zweifeln ist in den vorliegenden Band nur die 1858 im Sockel des Löwen aufgefundene und im gleichen Jahr wieder eingemauerte Inschrift auf einer Steintafel (Nr. 410) aufgenommen worden, die Hoffmann von Fallersleben in Bearbeitung herausgegeben und kommentiert hat72). Die noch nicht abgeschlossene Diskussion um die Inschriften des Löwensockels ließ es geraten erscheinen, die von Sack und Rehtmeyer überlieferte Inschrift nicht unter die vorreformatorischen Inschriften Braunschweigs aufzunehmen und die Inschrift der Steintafel ohne Datierung an das Ende des Artikelteils zu stellen.

Zum Jahr 1252 wird auf der Tabula Blasiana der Tod von Herzog Otto dem Kind vermerkt, der [Druckseite XXIII] ebenfalls in der Stiftskirche St. Blasii begraben wurde. Zu Lebzeiten dieses Fürsten, heißt es weiter, kam der Titel ,Herzog von Sachsen‘ der Herrschaft abhanden und gleichzeitig damit die Kurfürstenwürde. Vom Anachronismus des Kurfürstentitels abgesehen, entspricht diese Eintragung den in der neueren Forschung nachgewiesenen Zusammenhängen73). Da das Herzogtum Sachsen jedoch auf der Tafel nur am Anfang im Zusammenhang mit dem sagenhaften Erbauer der Burg, Herzog Dankwart, erwähnt wird, wird der Anschein erweckt, es habe sich seitdem in ungebrochener Kontinuität im Besitz der Braunschweiger Herzöge befunden. In Verbindung mit Heinrich dem Löwen werden weder das Herzogtum Sachsen noch das Herzogtum Bayern erwähnt. Es ist zu fragen, ob hier ein bewußtes Verschweigen, eine Tabuisierung der Biographie Heinrichs des Löwen, die welfische Historiographie bestimmte74). Daß die Tafel den Sturz Heinrichs vermerkte, war nicht zu erwarten; daß der Verlust des Herzogtums Sachsen seinem Enkel Otto angelastet wurde, bedeutet jedoch schon fast ein bewußtes Verdecken der offenbar im Dom des Löwen nicht geduldeten historischen Wahrheit.

2.2 Die Inschriften auf den Reliquiaren des sog. Welfenschatzes

Der mißverständliche Name ,Welfenschatz‘ für den Kirchenschatz des Braunschweiger Stifts St. Blasii entstand im 19. Jahrhundert, als mit der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen und mit Vermögens- und Eigentumsfragen des welfischen Herzogshauses auch der noch verbliebene Bestand mittelalterlicher Reliquiare die öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Schon 1697 hatte jedoch Gerhard Wolter Molanus, Abt des evangelischen Klosters Loccum, ein mit Abbildungen versehenes Verzeichnis herausgegeben, dessen Titel ,Lipsanographia sive thesaurus sanctarum reliquiarum electoralis Brunsvico-Luneburgensis‘ der Leserschaft, die dem Gegenstand längst fremd gegenüberstand, einen Schatz suggerierte74). 1891 erschien in Wien, wohl mit Bezug auf die bereits gängige Bezeichnung, eine erste umfassende Aufarbeitung der einzelnen Stücke unter dem Titel ‚Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lüneburg‘, verfaßt von dem Zisterzienserpater Wilhelm Anton Neumann. Anläßlich der Veräußerung des Bestandes wurde 1930 der reich mit Illustrationen versehene Katalog ‚Der Welfenschatz‘ von Otto von Falke, Robert Schmidt und Georg Swarzenski herausgegeben. Seitdem ist diese Bezeichnung in Katalogen, Kunstbänden und der kunstgeschichtlichen Literatur allgemein gebräuchlich.

Die Stiftung bzw. der Erwerb des Braunschweiger Kirchenschatzes ist erstmals von Neumann in drei chronologische Schwerpunkte eingeteilt worden75): 1.) Die mit der Gründung und dem ersten Bau der Stiftskirche verbundenen Dotationen der Brunonengräfin Gerdrud und die nachfolgenden Stiftungen des späten 11. Jahrhunderts. 2.) Die Stiftungen Heinrichs des Löwen aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. 3.) Die aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts stammenden herzoglichen Stiftungen, besonders diejenigen Herzog Ottos des Milden und seiner Brüder. Hinzuzufügen wäre als vierte Erwerbsphase das späte 14. und das 15. Jahrhundert, aus der vorwiegend bürgerliche Stiftungen, aber auch solche der Kanoniker und ihrer Familien stammten. Nicht nur in diesem letzten Jahrhundert vor der Reformation, sondern auch früher ist damit zu rechnen, daß das Stiftskapitel den Kirchenschatz aus seinen eigenen Mitteln vermehrte76).

Die Geschichte der Dezimierung des Bestandes seit der Reformation, seiner ‚Säkularisierung‘ zu einer fürstlichen Kunst- und Kuriositätensammlung, des Verkaufs und der Zerstreuung auf zahlreiche Museen ist mehrfach dargestellt worden77).

Ein erstes Verzeichnis der Reliquien wurde vom Stiftskapitel in den Jahren 1482/83 angefertigt, in [Druckseite XXIV] welchem die Reliquiare nur jeweils in einer knappen Charakterisierung kenntlich gemacht sind78). Die Liste umfaßt 32 Monstranzen, 28 Schreine79), 20 Reliquiare in anderer Form, darunter auch das Kuppelreliquiar (Nr. 18), 20 Kreuze, elf imagines80), elf Armreliquiare, neun Stücke mit der Bezeichnung agnus dei und drei Büstenreliquiare. Dazu kommen drei Plenare mit in den Deckeln geborgenen Reliquien. Insgesamt enthält das Verzeichnis einen Bestand von 134 Stücken. Als Aufbewahrungsort wird der Hochaltar genannt, für die Brachien gab es einen speziellen Schrank81). Im frühen 19. Jahrhundert befanden sich im Dom noch zwei gotische Schränke, die eventuell zur Aufbewahrung von vasa sacra und Reliquiaren gedient hatten82). Das spätmittelalterliche Reliquienverzeichnis beginnt die nicht streng systematische, sondern eher assoziative Aufzählung der Reliquiare und der darin befindlichen Reliquien mit den großen, heute noch erhaltenen Stücken: der ‚Burg‘, wie das Kuppelreliquiar wegen der ineinander übergehenden ‚Gebäudeteile‘ genannt wurde83), dem Büstenreliquiar des hl. Blasius, den drei Plenaren (auf das Evangeliar Heinrichs des Löwen fehlt jedoch jeder Hinweis) und den Tragaltären des Eilbertus (Nr. 11), der Gräfin Gerdrud (Nr. 3) und des Propstes Adelvoldus (Nr. 7). Im Vordergrund stand auch das 1483 neu angefertigte große Reliquienkreuz (Nr. 216)84). Anhand der knappen Beschreibungen des Verzeichnisses sind die heute noch vorhandenen Stücke nicht immer zu identifizieren. Von den elf aufgezählten Armreliquiaren ist aber z.B. nur eines nicht erhalten.

Das Verzeichnis benannte ferner diejenigen Reliquiare, die an den Kirchenfesten auf den Hochaltar gestellt wurden. Darunter befanden sich die drei Tragaltäre, im Vordergrund der Eilbertus-Altar, über dem, wohl auf einem Podest, ein Marienbild in der Mitte des Altars aufgestellt wurde. Oberhalb der anderen Tragaltäre standen die Reliquienbüsten der Hll. Blasius und Cosmas; neun weitere Schreine und heilige Gefäße standen auf oder hingen über dem Altar. Dazu kamen zwei oder mehr Ziborien85). Bei Prozessionen wurde das Kuppelreliquiar umme hoff, also wohl um den Stiftsbezirk, getragen86). Dem Dekan stand es zu, das ‚Welfenkreuz‘ (Nr. 6) vorzutragen87). Er trug an Festtagen auch eine bestimmte Agnus Dei-Kapsel auf der Brust88). Die beiden Kreuze der Gräfin Gerdrud (Nr. 1, 2) wurden nicht als Altarkreuze verwendet, sondern als Stabkreuze oberhalb der kostbarsten Prozessionsfahnen89).

Mit der Zerstörung und Aufhebung des Cyriacus-Stifts 1545 kamen auch mehrere seiner Reliquiare an das Blasius-Stift, darunter das (inschriftenlose) Büstenreliquiar des hl. Cyriacus, das sich heute im Herzog Anton Ulrich-Museum befindet. Nach einem Diebstahl bei einem Einbruch in den Dom 1574 fehlten 20 nicht näher beschriebene Stücke, andere kamen nach der Eroberung Braunschweigs durch die verbündeten Herzöge von Braunschweig und Lüneburg 1671 durch fürstlichen Zugriff abhanden. 1697 zählte Molanus noch 143 Reliquiare auf, die sich im Besitz des Hauses Hannover befanden. Im Braunschweiger Dom blieben nur der Blasius-Arm (Nr. 5) und einige kleinere, weniger wertvolle Stücke90). Neumann registrierte 1891 noch 82 Reliquiare. Diese standen 1930 auch zum Verkauf. Heute können insgesamt 85 Stücke an verschiedenen Orten nachgewiesen werden91), von denen 35 eine oder mehrere Inschriften tragen. Insgesamt enthält dieser Band einschließlich einer kopial überlieferten Inschrift (Nr. 17) sechsunddreißig Artikel zu Stücken des Welfenschatzes, nämlich die Inschriften von neun Tragaltären, neun Reliquiaren in anderer Form, sieben Kreuzen, sechs Brachien und fünf Monstranzen. Die Typen der Inschriften auf den Reliquiaren entsprechen im wesentlichen den von Joseph Braun bestimmten Gruppen92).

[Druckseite XXV]

Folgende Inschriftentypen lassen sich unterscheiden:

Reliquienbezeichnungen

Diese Gruppe ist der am häufigsten auftretende Inschriftentyp. Zu ihr gehören u.a. die rückwärtigen Inschriften beider Gerdrudkreuze (Nr. 1, 2) und des Welfenkreuzes (Nr. 6), die Standflächeninschriften aller sechs Armreliquiare, die Inschriften der Blasius-Monstranz (Nr. 44), der Monstranz mit dem Zahn Johannes d. T. (Nr. 68), auf den Türen des Klappaltärchens (Nr. 26) und die Inschrift des Cosmas-Reliquiars (Nr. 42). Ihr Zweck ist unmittelbar auf die Verehrung der Reliquie und die Festlegung des Reliquiars auf den oder die genannten Heiligen gerichtet. Die Inschrift sollte „eine Art Authentik, eine Urkunde, welche die Echtheit der Reliquie verbürgte, darstellen, wenn auch nicht eine solche formeller Art“93). Diesen Authentik-Charakter hat besonders die Inschrift auf dem Armreliquiar des hl. Blasius (Nr. 5), die den unversehrten, ganzen Armknochen bezeugt94).

Namensbeischriften

Diese finden sich besonders auf den Wandungen oder Deckeln der Tragaltäre, auf denen Apostel, Heilige oder Propheten dargestellt sind. Im Welfenschatz sind das die vordere Wandung des Altars der Gräfin Gerdrud (Nr. 3), der Eilbertus-Tragaltar mit den Propheten auf den Wandungen und den Aposteln auf dem Deckel (Nr. 11), das Matthäus-Kästchen (Nr. 14), der Tragaltar mit den Kardinaltugenden (Nr. 12), auf dem diese, wie auch auf der Bernward-Patene (Nr. 20), namentlich bezeichnet sind. Besonders häufig ist die namentliche Kennzeichnung der Evangelistensymbole. Sie erscheinen auf dem Plenar Ottos des Milden (Nr. 32), dem Altar mit den Kardinaltugenden sowie auf dem großen Reliquienkreuz (Nr. 216). Während Apostel und Heilige fast immer durch waagerechte oder bogenförmig über die Köpfe verlaufende Bildüberschriften bezeichnet werden, halten die Propheten statt einer Namensangabe oft Spruchbänder vor sich, die sie zugleich mit dem von ihnen gesprochenen Christus-Vatizinium kenntlich machen95).

Schriftbänder (Tituli) einzelner Figuren

Einzelne Apostel, Propheten, Engel, Heilige oder Evangelistensymbole halten die Namensbeischriften auf Schriftbändern oder -rollen in den Händen oder im Arm. Sie bezeichnen die Figur jeweils durch den vorgesetzten oder beigeschriebenen Namen, wie bei den Evangelisten und Propheten des Eilbertus-Altars (Nr. 11), des Matthäus-Kästchens (Nr. 14), jedoch nur bei einem der Propheten des Kuppelreliquiars (Nr. 18). Nicht nur bei den beiden ‚großen‘ Stücken des Welfenschatzes, sondern bei fast allen größeren Schreinen und Tragaltären rheinischer Produktion sind die zumeist emaillierten Figuren Teil eines religiösen Programms. Propheten oder Apostel reihen sich an den Wandungen, um die Bildfolgen auf der Deckplatte oder auf dem First des Schreins zu kommentieren. Die Texte charakterisieren sowohl die Figur selbst wie auch die Stationen des Lebens Christi. Am Kuppelreliquiar stehen je vier Propheten für eines der Reliefs mit einer Szene aus dem Leben Christi. Am Eilbertus-Altar weisen die an den Wandungen stehenden Propheten und biblischen Figuren mit Gesten und Blicken auf den Deckel, auf dem das Heilsgeschehen dargestellt ist. Die Schriftbänder beziehen sich teilweise auf die über ihnen auf dem Deckel befindlichen biblischen Bildfolgen, die ohne eigene Inschrift sind, teilweise auf die Schriftbänder der das Credo sprechenden Apostel.

Schon Neumann fielen die fünf übereinstimmenden Prophetensprüche am Kuppelreliquiar und dem Eilbertus-Altar auf. Dazu tritt das Kuppelreliquiar von Hochelten, heute im Victoria and Albert-Museum. Es weist vier Inschriften auf, die sich auch jeweils an beiden Berliner Stücken befinden; von den 14 erhaltenen Prophetensprüchen am Londoner Reliquiar sind insgesamt acht am Eilbertus-Altar und sechs am Kuppelreliquiar wiederzufinden96). Vier Inschriften der Kuppelreliquiare und eine des Eilbertus-Altars erscheinen auch am Darmstädter Turmreliquiar97). Aus kunsthistorischer Sicht gehören diese vier Stücke nicht alle zu einer stilistisch einheitlichen Gruppe, sie stehen aber immerhin nach dem Zeitraum ihrer Fertigung nicht allzu weit auseinander. Allen gemeinsam ist Köln als Herstellungsort. Auch an zwei anderen Kölner Schreinen finden sich einige gleichlautende Prophetensprüche: Auf dem Heribert-Schrein (um 1160/70) erscheint wie am Eilbertus-Altar (Nr. 11 [F2]) das Bibelwort Mal. 4,2 [Druckseite XXVI] auf dem Schriftband des Propheten Malachias, wenn auch in anderer Wortfolge98). Am Dreikönigenschrein (1181 bis um 1230) erscheint die sowohl am Eilbertus-Altar (A2) wie am Berliner Kuppelreliquiar (Nr. 18 [E]) verwendete Fassung von Dn. 9,24-27 in jeweils gleicher Wortfolge (am Kuppelreliquiar verkürzt)99). Auch wenn diese Übereinstimmungen der Prophetenzitate über den Zeitraum etwa eines halben Jahrhunderts nichts anderes besagen als die Gebräuchlichkeit bestimmter Texte im Zusammenhang mit einer festgelegten christologischen Deutung, so verdienen sie doch hervorgehoben zu werden. Ihre Anwendbarkeit auf die jeweils gleiche Darstellung des Heilsgeschehens, die Geburt100), die Anbetung der Könige101), das Leben Christi102), die Kreuzigung103) und die Auferstehung104) zeigt die theologische und exegetische Tradition, in der die Kölner Goldschmiedekunst stand. Daß jedoch mehr als gelegentliche Verwendung von Prophetensprüchen nicht nachgewiesen werden kann, zeigt die wie am Eilbertus-Altar auch am Heribert-Schrein dargestellte Gegenüberstellung der Propheten zu den das Credo sprechenden Aposteln. Hier gibt es keine Übereinstimmung in der Folge der Apostel, da anders als beim Eilbertus-Altar der Apostel Paulus in die Reihe einbezogen worden ist, auch sind weder die Aufteilung der Abschnitte des Credo noch die dazugehörigen Prophetenworte der beiden Reliquiare irgend zueinander in Beziehung zu setzen. Möglicherweise bedingte der maasländische Einfluß, unter dem der Heribert-Schrein entstand, auch eine andere Texttradition105).

Eine andere Variante der Verteilung eines Textes in Schriftbandform findet sich bei den um den Tambour des Kuppelreliquiars sitzenden Christus und den zwölf Aposteln (Nr. 18 [U]). Jeder von ihnen weist mit der Hand auf ein Schriftband, in das Wort- und Satzteile aus Mt. 16,14-16 eingeschnitten sind. Das Schriftband mit der Frage Christi nach Mt. 16,14 an die Jünger steigt zu seiner Linken von den Füßen zur Schulter auf; die Schriftbänder der Jünger wölben sich mit der Argumentation des Bibelwortes gelegentlich in die Höhe, hängen bei einigen aber auch spannungslos über ihre Schöße, als solle damit Ratlosigkeit angedeutet werden. Nur bei der Christus- und der Petrus-Figur fallen die Schriftbänder als deutlicher Ausdruck der Schlußsequenz des Bibelworts senkrecht aus der erhobenen Hand. Während die Schrift bei der ersten und zweiten Frage Christi nach Mt. 16,15f. von unten nach oben aufsteigt, fällt sie bei der Antwort des Petrus, dem abschließenden Bekenntnis, von oben nach unten herab. Der sprechende Ausdruck in den Gesichtern der Jünger, aber besonders die energisch-bekenntnishafte Haltung des Petrus, der sich im Gespräch nach links dem neben ihm sitzenden Christus zuwendet, unterstreichen die Wechselrede der Schriftbänder105). Bibelzitate, die als Schriftbänder eine biblische Szene oder eine Figur kommentieren, befinden sich auch am kastenförmigen Reliquiar (Nr. 25). Am Matthäus-Kästchen hält der Apostel ein Schriftband, dessen Aussage auf die Verwendung des Kästchens als Hostiengrab hinweist (Nr. 14).

Erklärende, ein religiöses Thema zusammenfassende Inschriften

Diese Inschriften (zumeist in Hexameter gefaßt) stehen immer an zentraler Stelle des Reliquiars. Sie befinden sich auf den Deckeln von Tragaltären, indem sie den Altarstein als Schriftband vierseitig umgeben wie beim Gerdrudis-Altar (Nr. 3 [D]), dem Adelvoldus- (Nr. 7) oder dem Silberfiguren-Altar (Nr. 8). Bei den beiden zuerst genannten soll die Widmung an Christus bzw. Blasius zum Ausdruck kommen. Diese Art von Inschriften wird auch in den beiden folgenden Abschnitten als Widmungs- und Stifterinschriften begegnen. Die liturgische Funktion des Silberfiguren-Tragaltars wird durch die auf ihm mittels der segnenden Hand und der Gebete des Priesters sich vollziehende Anwesenheit Christi in Gestalt der Hostie bezeichnet. Das gleiche Thema behandeln die Versinschriften auf dem Rand der Bernward-Patene (Nr. 20). Auf dem Sims des Walpurgis-Schreins (Nr. 10) setzen vier Hexameter die an den Wandungen stehenden Apostel und die vier Paradiesflüsse, die den Sündern durch das Wort Heil und Erlösung bringen, zueinander in Beziehung. Der Eilbertus-Altar trägt jeweils auf der Kante der Bodenplatte eine auf die Propheten an den Wandungen sowie auf der Kante der Deckplatte eine auf die Apostel bezogene Versinschrift: Was jene über Christus voraussagten, bezeugen diese mit dem Glaubensbekenntnis (Nr. 11 [B1, A3]). Beide Inschriften beginnen mit einem Kreuz auf der vorderen [Druckseite XXVII] Seite links. 24 oben und unten symmetrisch übereinander gesetzte Buchstaben auf der vorderen Seite unterstreichen als Symbolzahl das religiöse Programm des Tragaltars, und diese Zahl wiederholt sich in den zwölf Propheten der Wandungen (die restlichen fünf Figuren werden nicht unter die Propheten gerechnet; eine Figur fehlt) und den zwölf Aposteln auf dem Deckel. Die Rückseite zeigt korrespondierend 25 Buchstaben (das Kreuz ist durch einen Buchstaben ersetzt). Notwendigerweise muß dadurch der Schluß der Inschrift auf der linken Schmalseite ungleichmäßig werden. Hier werden die entstandenen Lücken jeweils durch eine längere und eine kürzere Ranke geschlossen.

Die geschlossene Versumschrift findet sich an nahezu allen größeren, zeitgleich entstandenen Reliquiaren106). Diese Inschriften waren Deutung und dekorative Ergänzung des Bildschmuckes zugleich; Reim und Rhythmik des Versbandes mögen auch eine Art Schutzfunktion gehabt haben, ähnlich den Authentiken, die in den Altären die Reliquien umgaben107). Ein paralleles Beispiel mit deutlichen Anklängen im Wortlaut der Versinschriften ist am Heribert-Schrein abzulesen. Auch hier werden in jeweils acht Hexametern die Propheten auf dem Sockel als die prophetischen Väter des Alten Bundes und die Apostel auf dem Sims als die Zeugen des Glaubens bezeichnet108).

Eine andere Form der umlaufenden, das religiöse Programm des Reliquiars thematisierenden Inschrift stellt der gravierte Text auf dem nieliierten Band dar, das den Tambour des Kuppelreliquiars umgibt (Nr. 18 [T]). Das Zitat Mt. 16,13 ist gleichsam die Einleitung zu dem Gespräch Christi mit den Aposteln oberhalb der Kuppel (s.o.)109).

Inschriften mit dem Charakter religiöser Anrufung

Dazu zählen besonders die Agnus Dei-Kapseln, die den Text der Messe (Agnus Dei qui tollis peccata mundi) aufnehmen, aber auch z.B. die nicht zum Welfenschatz gehörende Pax-Tafel aus dem Braunschweiger Paulinerkloster (Nr. 292). Noch deutlicher ist der Gebets- oder Anrufungscharakter in der Inschrift der Reliquienmonstranz (Nr. 202, Salve Crux dignissima Super omne lignum) und auf der Rückseite eines Agnus Dei (Nr. 274) um ein Bild der Veronika mit Tuch (Salve Sancta Facies nostri redemptoris). Anrufung ist aber auch die bloße Nennung heiliger Namen, z.B. auf den Nodi von Kelchen und Monstranzen. Sakramentalen Charakter hat die niederdeutsche Inschrift (GOT VNDE DIT HEYLIGHE SACRAMENTE DELGHE ORE SVNDE) des Weverlinge-Kelches, der aus dem Kreuzkloster stammt (Nr. 73).

Stifterinschriften

Diese Inschriften geben den Namen der Stifterin bzw. des Stifters, den Empfänger und den Zweck der Stiftung an. Die Brunonengräfin Gerdrud stiftete nach 1038 ein Kreuz für das Seelenheil ihres Gemahls Liudolf (Nr. 1). Auf dem zweiten Kreuz der Gerdrud (Nr. 2 [C]) befindet sich inschriftlich nur der Hinweis auf die Stiftung (HOC GERDRVD COMITISSA FIERI IVSSIT). Daß das Kreuz auch ihrem Seelenheil dienen sollte, wird aber durch eine weibliche Orantenfigur am Fuß des Kreuzes angedeutet. Sie stiftete weiterhin einen mit Gold und kostbaren Steinen geschmückten Altar und wünschte sich dafür, in Christus selig zu leben (Nr. 3 [D]). Es ist versucht worden, zu den kunsthistorischen Erwägungen über den Herstellungsort dieser Stücke auch aus den Inschriften Schlüsse zu ziehen, speziell aus der Betonung des sozialen Ranges, aus den Reliquien und dem Wortlaut der Widmung auf dem Tragaltar (vgl. den Kommentar zu Nr. 3). Die Verbindung zum Damenstift Essen, dessen bedeutende Äbtissin Theophanu (1039-1056) eine Zeitgenossin der Braunschweiger Gräfin war110), würde sich einerseits möglicherweise aus der hohen Stellung ihres Gemahls Liudolf als Stiefsohn Kaiser Konrads II. erklären, andererseits auch aus ihrer Herkunft aus der Dynastie der Grafen von Holland111). Der geographische Raum, in dem sich Gerdrud bei dieser Herkunft und Erziehung bewegt hätte, würde das Stift Essen durchaus einschließen. Neuerer Forschung zufolge entstammt sie eher einem der ostfälischen, den Brunonen benachbarten Geschlechter112). Die Abkunft der Gräfin wie auch die künst-[Druckseite XXVIII]-lerische Provenienz ihrer Stiftungen läßt sich aus solchen Zusammenhängen nicht erklären. Die Stifterinschriften bewegen sich im traditionellen, formelhaften Rahmen weiblicher Stiftungen des 11. Jahrhunderts. Es ist hier bewußt nicht der Ausdruck „urkundliche Inschriften“ von Josef Braun113) übernommen worden, weil den Stifterinschriften des Welfenschatzes die Datierung, die Angabe des Herstellungsortes und Rechts- und Besitztitel fehlen. Auch die Inschrift auf dem Tragaltar des Adelvoldus (Nr. 7) nennt nur Namen und Rang des Stifters und die Widmung an den hl. Blasius. Ähnlich wird auch das verschollene Reliquiar des Welfenschatzes (Nr. 17), das im Reliquienverzeichnis von 1482 verzeichnet ist, auf der umlaufenden Stifterinschrift nur die Dedikation mit dem Namen des Heiligen und den überlieferten, ausführlichen Titel dux Saxonie et Bawarie Heinrichs des Löwen getragen haben. Die noch erhaltenen Stifterinschriften Heinrichs tragen diesen Titel nicht. Sie befinden sich auf zwei Armreliquiaren aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts (Nr. 15, 16) und nennen als Stifter lediglich einen dux Heinricus, der sie zur Ehre Gottes anfertigen ließ. Die Schriftformen lassen keinen Zweifel daran, daß es sich um Inschriften handelt, die vor 1200 eingraviert worden sind, und daß es sich damit wirklich um die Stiftungen Heinrichs des Löwen und nicht um die seines gleichnamigen ältesten Sohnes handelt, wie früher angenommen wurde114). Das Stiftungsdatum könnte aus dem Fehlen des Titels dux Saxonie et Bawarie als nach 1180 erschlossen werden, nach dem ‚Sturz‘ Heinrichs und dem Verlust der beiden Herzogtümer. Auch hier liegt keine urkundliche Inschrift vor, aber der Text der Stifterinschrift gibt möglicherweise Auskunft über das Datum der Stiftung. Dann würden die beiden Stücke zu den späteren Stiftungen Heinrichs des Löwen gehören.

Die Kennzeichnung einer Stiftung des 14. Jahrhunderts, des Plenars Herzog Ottos des Milden von Braunschweig (Nr. 32), ist von anderer Art. Der gravierte silberne Rückdeckel bildet namentlich bezeichnet den Herzog und seine Gemahlin Agnes vor dem Stiftspatron Blasius kniend ab, dessen Name überschriftlich über der Szene steht. Allein die Anordnung der drei Namen, verbunden mit dem verehrenden Stiftergestus vor der übergroßen, thronenden Gestalt des Heiligen, ergeben die Stifterinschrift. Hier steht die Szene für sich statt einer Widmungsformel.

Künstlerinschrift

Die Signierung von Goldschmiedearbeiten mit dem Namen des Künstlers ist im 12. und 13. Jahrhundert äußerst selten. Unter den Stücken des Welfenschatzes befindet sich nur ein Beispiel: der Tragaltar des Eilbertus, der seinen Namen nach der auf der Bodenplatte in einen rechteckigen Rahmen gravierten Inschrift EILBERTVS COLONIENSIS ME FECIT trägt (Nr. 11 [AI]). Neumann meinte, aus der Herkunftsbezeichnung des Künstlers schließen zu können, daß er aus Köln stammte, jedoch nicht dort tätig gewesen sei, und vermutete eine Eilbertus-Werkstatt im Kloster Helmarshausen115). Dieser Interpretation der Inschrift ist am Anfang des 20. Jahrhunderts besonders aus stilkritischen Gründen widersprochen worden. Eilbertus wurde für eine ganze Gruppe von Kunstwerken aus nachweisbar Kölner Werkstatt-Tradition in Anspruch genommen116). Er ist jedoch weder als Mitglied der Kölner Goldschmiedezunft nachweisbar noch als einer der in den Kölner Klöstern als Goldschmiede tätigen Kleriker117). Die Frage seiner Herkunft wird inzwischen als nachrangig angesehen, seine Identität ist trotz einiger bemühter Hypothesen ungeklärt (vgl. Nr. 11, 24). Unbestreitbar ist der Einfluß des Tragaltars auf einige andere Kunstwerke rheinischer Herkunft, jedoch werden in der heutigen Forschung die Herstellungsgruppen rheinischer Tragaltäre chronologisch und nach Werkstattzugehörigkeit nicht mehr entschieden gegeneinander abgegrenzt118). Offen bleibt, wie auch bei den meisten anderen Stücken des Welfenschatzes, wann und durch wen der Altar an die Braunschweiger Stiftskirche gelangte.

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Sonstige Inschriften

Darunter sind zwei in Buchstabenform gestaltete Schlüsselbärte aus dem 12. Jahrhundert zu zählen (Nr. 3 [A], Nr. 9), die ein Petrus-Monogramm bilden. Zu nennen sind ferner die Buchstaben Alpha und Omega, das Hierogramm, das sich um das Haupt Christi (Nr. 11 [B3]), aber auch zu beiden Seiten der das Kind haltenden Muttergottes befindet (Nr. 25 [A]). Als häufig vorkommende Inschrift ist ferner der Kreuzestitulus zu nennen, der nur einmal nicht in der traditionellen Form INRI, sondern als IHC an dem byzantinischen beeinflußten Welfenkreuz (Nr. 6) erscheint.

2.3 Übersicht über die Kirchen, Stifte, Klöster und Kapellen119)

Stiftskirche St. Blasii

An der Stelle des heute sog. Doms wurde um 1030 von dem Brunonengrafen Liudolf und seiner Gemahlin Gerdrud eine Kollegiatkirche bei der Burg Dankwarderode erbaut und von Bischof Godehard von Hildesheim († 1038) geweiht. Als erstes Patrozinium wird nach spätmittelalterlicher Überlieferung St. Peter und Paul angenommen, doch werden schon in den ersten Urkunden des Burgstifts Johannes d. T. und der hl. Blasius als Titularheilige genannt. Beide Heilige wurden von Heinrich dem Löwen in den ab 1173 begonnenen Neubau der Stiftskirche übernommen. Die erweiterte Krypta und der Ostteil der Kirche mit dem Hohen Chor war offensichtlich 1188 fertiggestellt, bis zum Tod Heinrichs im Jahr 1195 auch das Langhaus und das Westwerk bis zum zweiten Geschoß. Das Weihedatum des Hochaltars St. Blasii in der Chorapsis ist nicht bekannt, es lag möglicherweise schon vor der Weihe des Marienaltars im Hohen Chor 1188. Der Kreuzaltar im Langhaus wurde 1196 östlich vor den Stiftergräbern geweiht, 1203 die Kapelle und der Altar für Maria und Johannes Ev. im südlichen Querhaus. Vorhanden war zu dieser Zeit sicherlich auch der dem hl. Petrus geweihte Altar im nördlichen Querhaus in der der herzoglichen Familie vorbehaltenen Kapelle mit direktem Zugang zur Burg. Im Jahr 1226 wurde als drittes Patrozinium der hl. Thomas Becket von Canterbury aufgenommen. Das Westwerk mit den beiden Türmen und dem Glockenhaus mit zwei großen Maßwerkfenstern und dem quergelegten Satteldach unterhalb der Giebel wurde um 1300 fertiggestellt. Das südliche Seitenschiff wurde seit 1322 um ein Schiff erweitert, das mit vier Jochen 1334 fertiggestellt war. Südwestlich wurde 1346 die Grabkapelle Herzog Ottos des Milden und seiner Gemahlin Agnes angeschlossen (vgl. Nr. 33). Der Ausbau des nördlichen Seitenschiffs erfolgte vor 1469 (vgl. Nr. 165). Die zweischiffige Halle mit der Reihe gedrehter Säulen wurde 1474 geweiht, 1482 die im zweiten Joch ausgebaute Begräbniskapelle für Herzog Wilhelm d. Ä. errichtet. Die Grabstätten der weifischen Herzöge und ihrer Gemahlinnen, die sich nach einer Tafel vom Anfang des 16. Jahrhunderts (Nr. 356) in der Stiftskirche befunden haben, wurden bei baulichen Veränderungen im Dom durch Herzog Anton Ulrich aufgehoben und die Gebeine in einer Tumba gesammelt, deren Bronzedeckel diesen Vorgang und einige Namen der Toten inschriftlich ausweist. Sofern zu dieser Zeit noch Grabdenkmäler der Welfen im Dom vorhanden waren, wurden sie beseitigt, ohne daß Namen oder Inschriften überliefert worden wären. Es ist erstaunlich, daß weder die Grabstätte Kaiser Ottos IV. gekennzeichnet ist noch auch eine Grabschrift je tradiert wurde. Die verbliebenen oder im 19. Jahrhundert abgezeichneten Grabsteine standen wahrscheinlich im Kreuzgang [Druckseite XXX] und wurden deshalb vor der Zerstörung bewahrt. 1810 wurde das Domstift aufgehoben, 1828-1830 die an den Dom südlich anschließenden Stiftsgebäude, zwischen 1830 und 1840 auch der Kreuzgang abgebrochen. Nachdem zunächst 1839 die Apsis des südlichen Querhauses erneuert worden war, wurde 1845 auch die Hauptapsis umgebaut. Dabei kamen Spuren mittelalterlicher Wandmalereien zutage, die in den folgenden Jahrzehnten restauriert wurden. 1876-1881 folgte die Restaurierung und neogotische Ausmalung des Langhauses; 1935/36 wurde zugleich mit dem Bau einer Gruft für Heinrich den Löwen der Dom zu einer nationalsozialistischen Weihestätte umgebaut. Dabei ging die Ausstattung des 19. Jahrhunderts verloren.

Stiftskirche St. Cyriaci

Das Kollegiatstift wurde vor 1090 von dem brunonischen Markgrafen Egbert I. gegründet und von Egbert II. ausgebaut. Es lag auf einer Anhöhe südlich der Altstadt auf dem westlichen Okerufer. Wie in der frühen Gründungsphase von St. Blasii war auch hier neben dem Personalheiligen Cyriacus das Hl. Kreuz das Hauptpatrozinium. Vor dem Kreuzaltar war der Stifter Egbert II. begraben; nach der Zerstörung der Stiftsgebäude wurden seine Gebeine 1689 in die Krypta des Doms überführt. Das Stift St. Cyriacus stand an Bedeutung und materieller Ausstattung hinter St. Blasius zurück, auch die personelle Besetzung war geringer. Nach einer Stadtansicht von 1547 lag die mit einem hohen, zweitürmigen Westwerk versehene Stiftskirche in einer von Gräben und Palisadenzäunen umgebenen Vorstadt, die 1545 etwa 41 Häuser umfaßte. Der Rat der Stadt Braunschweig beschloß in diesem Jahr die Aufgabe und den Abbruch der Stiftskirche und der Vorstadt anläßlich eines bevorstehenden Angriffs Herzogs Heinrichs d. J., um ihm keine Möglichkeit zur Verschanzung zu geben. Die Stiftsherren wurden im Domstift aufgenommen. Das Cyriacusstift wurde 1810 zusammen mit dem Domstift aufgehoben. Weder aus der Kirche noch von den umliegenden Häusern sind Inschriften überliefert.

St. Jakobi

Die erste urkundliche Erwähnung der ehem. St. Jakobskirche, die dem Patronat von St. Blasii unterstand, stammt aus dem Jahr 1301. Bauinschriften von 1375 (Nr. 54, 55) dokumentieren den Neubau des 3/8-Chores der einschiffigen Saalkirche und die Renovierung des quadratischen Westturms. Seit dem 15. Jahrhundert verbindet sich mit der Kirche die Braunschweiger Stadtgründungslegende, nach der um den Eiermarkt ein frühes, von einem sächsischen Herzog Brun gegründetes städtisches Zentrum lag, dessen erste Pfarrkirche die Jakobskirche gewesen sein soll. In dieser Zeit wurde auch das legendäre Gründungsdatum 861 am Kirchturm angebracht (Nr. 288). Grabungen in den Jahren 1954/55 stießen auf Siedlungsspuren des 9. Jahrhunderts. Eine neuere Datierung ergab sich aus den 1977/78 ausgegrabenen Fundamentresten dreier Bauphasen, deren früheste kurz nach 1065 angesetzt wird. Ein Kupferstich von J. G. Beck von 1711 zeigt drei spitzbogige Fenster in der Südwand des Kirchenschiffs und einen spitzen Turmhelm. 1794/95 wurde die Kirche bis auf die Grundmauern abgebrochen, auf denen ein zweigeschossiges Magazingebäude aufgebaut wurde. Nach der Zerstörung durch Luftangriffe 1944 wurde die Kirche in Anlehnung an die alte Ansicht als Gemeindehaus in Form einer Kapelle für St. Martini wiedererrichtet.

St. Magni

Die 1031 geweihte Pfarrkirche des Dorfes Brunswik war als Eigenkirche eines adligen Lehnsmanns des Brunonengrafen Liudolf gebaut und von beiden mit Gütern ausgestattet worden. Im 12. Jahrhundert gelangte das Patronatsrecht an das Ägidienkloster. Nachdem die Altewiek seit etwa 1200 in die Stadtbefestigung einbezogen worden war, wurde St. Magni Pfarrkirche. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden erste Umbauarbeiten an der Kirche vorgenommen. Am Anfang des 14. Jahrhunderts war eine dreischiffige Hallenkirche fertiggestellt, dem der Gründungsbau zunächst noch als einschiffiger, vorgesetzter Chor gedient haben könnte. 1447 wurde mit dem Bau einer 5/8-Chorapsis begonnen, wie eine Inschrift am südöstlichen Außenpfeiler (Nr. 123) besagt. Nach schweren Kriegsschäden wurden 1956-1964 nur die Apsis und der Chor über zwei Joche sowie das westliche Langhausjoch wiederhergestellt, Mittelschiff und nördliches Seitenschiff bilden heute eine auf die nördlichen Betonsprossenfenster ausgerichtete, flachgedeckte Halle.

St. Ulrici

St. Ulrici wird nach neueren stadtarchäologischen Grabungen als Kirchenbau angesehen, der zu einer frühen Marktsiedlung der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts gehörte. Der um 1030 geweihten Pfarrkirche waren nach den Grabungsergebnissen bereits vier Vorgängerbauten vorausgegangen. Da keine Abbildung oder Beschreibung überliefert ist, kann die Gestalt der Kirche nur aus den romanischen Bauformen der erhaltenen Braunschweiger Kirchen analog erschlossen werden. Es wird sich um eine dreischiffige [Druckseite XXXI] Pfeilerbasilika mit Westwerk und zwei Türmen gehandelt haben. Sie war die Pfarrkirche des Weichbildes Sack und des südlichen Teils der Altstadt. Das Patronat lag zunächst bei den brunonischen, später bei den welfischen Stadtherrn, die es jedoch Mitte des 14. Jahrhunderts an das Stift St. Blasii übertrugen. Als um 1420 zwischen dem Stift und dem Rat Streitigkeiten wegen der Patronatsrechte aufkamen, zogen die Herzöge 1425 das Patronat wieder an sich. Ein Umbau zur gotischen Hallenkirche, wie bei den anderen Stadtkirchen, ist offenbar nicht erfolgt. Bau- und Reparaturrechnungen aus dem späten 15. und dem 16. Jahrhundert lassen auf Baufälligkeit und Neubaupläne schließen. Der Einsturz des Gemäuers bewog den Rat 1544, die Kirche abzureißen. Den Namen St. Ulrici trägt seitdem die Brüdernkirche als Doppeltitel, da auch die Ulrici-Gemeinde an die Brüdernkirche überging. Im Zusammenhang mit der ehemaligen Ulricikirche ist nur die Hausinschrift am heute hinter die Magnikirche versetzten ehemaligen Pfarrhaus erhalten (Nr. 355).

St. Michaelis

1158 bestätigte Bischof Bruno von Hildesheim in einer Urkunde die Gründung und Weihe einer dem hl. Michael gewidmeten Kirche. Sie lag am südwestlichen Rand der Altstadt auf dem Erbgrundstück eines Bendarz, der wohl Bürger dieses Stadtteils war. Auch andere, als cives bezeichnete Stifter waren an Bau und Ausstattung der Kirche beteiligt. Dieses Eigenkirchenrecht einer Bürgergemeinde, das in der Urkunde in Gegenwart Heinrichs des Löwen bestätigt wurde, sicherte der Gemeinde einen Sonderstatus vor den anderen Stadtkirchen, indem z.B. das Patronat bei der Gemeinde verblieb, obwohl sie kirchlich dem Stift St. Blasii unterstellt war. Die Lage der Kirche am südwestlichen Stadttor, durch das die Straße von Goslar nach Frankfurt ging, brachte für die selbständige Gründung die Bedingung mit sich, daß Fremde, Verbannte und Mittellose von der Gemeinde aufgenommen und auf ihrem Friedhof begraben werden sollten. Der Sonderstatus von St. Michaelis blieb auch nach dem Einbezug in die Stadtmauer erhalten. Gestalt und Umriß des Gründungsbaus sind wegen vielfältiger Umbauten seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr zu rekonstruieren. Im 14. Jahrhundert wurde der zunächst vermutlich einschiffige Bau um zwei gleich hohe Seitenschiffe zu einer Halle erweitert. Die Daten von Altarweihen 1366 und 1380 und die Einrichtung einer Seitenkapelle 1383 werden durch die Weihe- und Stifterinschriften von 1379 vor dem damals neu errichteten Nordportal ergänzt (Nr. 57). Die Einwölbung der Schiffe und die Verzierung der äußeren Joche durch aufgesetzte Giebel sind durch die Jahreszahlen 1469 (Nr. 166) und 1454 (Nr. 138) inschriftlich festgehalten. Spätere bauliche Veränderungen betrafen die äußere Gestalt der Kirche nicht, die auch von Kriegsschäden weitgehend verschont blieb.

St. Petri

Das Patrozinium dieser am westlichen Rand der Altstadt gelegenen kleinen Pfarrkirche ist in der Chronistik des 15. Jahrhunderts auf die Aufgabe des Petrus- und Paulus-Patronats an der von Heinrich dem Löwen neu erbauten Stiftskirche St. Blasii zurückgeführt worden. Heinrich habe mit dem Bau der Petrikirche eine Art Entschädigung für den Heiligen schaffen wollen. In gleicher Weise wurde auch der Bau der Kapelle St. Paulus auf dem Friedhof der Martinikirche erklärt. Das Patronat der Kirche lag beim Cyriacusstift. Der Gründungsbau ist heute nicht mehr zu rekonstruieren. Bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der Westturm auf quadratischem Sockel errichtet, am Ende des Jahrhunderts wurde mit dem Umbau der Kirche zu der in Braunschweig üblichen dreischiffigen Halle, jedoch ohne Querhaus, begonnen. Auch der 5/8-Chor wurde in dieser Phase angebaut. Möglicherweise führte der Stadtbrand von 1290 zur Zerstörung und zum raschen einheitlichen Wiederaufbau der Kirche. Die Einwölbung der drei Schiffe und des Turmraums mit dem tieferliegenden Joch wurde erst Mitte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt. Dazu kam Ende des 14. Jahrhunderts die Verlängerung der Seitenschiffe nach Westen, so daß der Turm in eine einheitliche Westfassade einbezogen wurde. Um 1400 entstand als Anbau an den südlichen Chor eine kleine Kapelle. Ein Brand zerstörte 1811 den Turm und die mittelalterlichen Glocken. 1944 wurde die Kirche bei einem Luftangriff schwer beschädigt.

St. Martini

Die Hauptpfarrkirche der Altstadt wurde als Marktkirche der Kaufmannssiedlung um 1190 von Heinrich dem Löwen gegründet. Das Patronat gelangte von den welfischen Stadtherren zunächst an den Dekan von St. Blasii, wurde aber 1204 von Otto IV. den Bürgern der Altstadt in Form des Pfarrerwahlrechts verliehen. Nur die Investitur der Gewählten, die überwiegend auch Stiftsherren an St. Blasii waren, verblieb als repräsentativer Akt beim Stadtherren.

Die erste Anlage der Kirche folgte dem Bauschema des Doms, indem bei dem von Osten begonnenen Bau drei Apsiden mit Chorjoch und ein Querhaus errichtet wurden. Das Langhaus schloß sich als vierjochige romanische Pfeilerbasilika an; zusammen mit dem zweistöckigen Westwerk und den beiden [Druckseite XXXII] achteckigen Türmen wird der Gründungsbau um 1230 abgeschlossen gewesen sein. Auch der Ausbau im Innern und die vollständige Einwölbung erfolgte nach dem Vorbild des Doms. Ab 1250 begannen die Erweiterungsarbeiten am Langhaus zu einer dreischiffigen Halle, bald darauf folgend auch die Erweiterung des Chores um ein nach Osten vorgeschobenes Joch. Skulptur- und Mauerteile aus dem romanischen Bau wie auch die Gewände der Seitenschiffportale wurden übernommen. Auch der Westbau mit dem Portal blieb erhalten, erhielt aber ein erhöhtes Glockenhaus. Der gotische Umbau, die äußere und innere Ausschmückung mit Giebeln, Blendmaßwerk, Fenstern und Skulpturen wurde erst 1438 mit der Fertigstellung der südwestlich anschließenden Annenkapelle abgeschlossen. Farb- und Vergoldungsspuren an der Front des nördlichen Querhausarms ließen auf eine farbige Fassung der Skulpturengruppen und einzelner Architekturteile schließen. Die Kriegsschäden betrafen vor allem den Dachstuhl und die Turmhelme. Der Skulpturenschmuck und die Grabdenkmäler sind heute besonders auf der Südseite stark verwittert.

St. Katharinen

Die Pfarrkirche des von Heinrich dem Löwen gegründeten Weichbildes Hagen wurde 1227 bei der Bestätigung der iura et libertates Indaginis durch Herzog Otto das Kind erstmals erwähnt. Möglicherweise gehörte jedoch das Pfarrerwahlrecht der Bürger, das die Rechtsordnung bestätigt, schon zu den Gründungsprivilegien Heinrichs. Ähnlich wie bei St. Martini behielt sich der Stadtherr die Präsentation und Investitur der Pfarrer vor.

Der Kirchenbau ist vermutlich schon um 1200 begonnen worden und war bis 1235/40 fertiggestellt. Er folgte, wie bei den anderen Pfarrkirchen Braunschweigs, dem Bauschema des Doms. Der Umbau der romanischen Pfeilerbasilika zu einer dreischiffigen Hallenkirche ist seit 1252 bezeugt. St. Katharinen steht damit in der allgemeinen architektonischen Entwicklung der Braunschweiger Pfarrkirchen. Eine Besonderheit in der Formensprache begegnet jedoch in den reich verzierten Laubwerkkonsolen und -kapitellen und an den figürlich skulptierten Schlußsteinen, nach denen sich die Fertigstellung der Seitenschiffe und der Einwölbung um 1300 datieren lassen. Danach folgte die Erweiterung und der Abschluß des Chores mit einer in den Chorraum eingezogenen 7/10-Apsis bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. Erst 1450 war die Arbeit an den Giebeln der Seitenschiffe abgeschlossen, worauf die Jahreszahlen (Nr. 130) an der nordöstlichen Seite verweisen. Reiches Maßwerk umgibt im südöstlichen Giebel der Südseite und in den dreigeteilten Ostgiebeln die Marienkrönung, die Kreuzigung und eine Figur der hl. Katharina. Der Westbau blieb in den Formen des 13. Jahrhunderts erhalten. Dorn sieht in seinem Aufbau wie in den ornamentalen Formen eine, auch chronologisch begründete, Stilverwandtschaft zum Westbau des Halberstädter Doms. Gleichzeitig bestehen auch Übereinstimmungen mit der Ostgliederung und der Ornamentik der Klosterkirche Riddagshausen. Die in Braunschweig üblichen achteckigen Türme wurden in ihren unteren Geschossen bis zum gotischen Glockenhaus hochgezogen. 1379 wurde der Südturm, 1511 der Nordturm in abweichender Höhe und ungleicher Form fertiggestellt. Im Bombenkrieg 1944 brannten der Dachstuhl und die Türme der Kirche ab. Mehrere Stücke der alten Ausstattung kamen durch Diebstahl aus der zerstörten Kirche abhanden.

St. Andreas

Als letzte der Braunschweiger Pfarrkirchen entstand St. Andreas in der Neustadt. Die Gründung dieses Weichbildes nordwestlich der Altstadt mit dem Kern von Pfarrkirche, Markt, Gewandhaus, Waage, Rathaus und Judenstraße zwischen der Kaiser- und Reichsstraße wird um 1200 datiert und auf Otto IV. zurückgeführt. Das Patronat verblieb bei den welfischen Stadtherrn, die es zeitweilig an St. Blasii abtraten.

Die im Dorfkirchentypus erbaute Kirche der Vorstadt wurde etwa zur gleichen Zeit wie die anderen Pfarrkirchen und wie diese dem architektonischen Vorbild des Doms folgend umgebaut. Bei den ersten urkundlichen Erwähnungen der Neustadt 1232 und 1245 dürfte der Bau schon fortgeschritten gewesen sein. Auch bei dieser bis etwa 1260 fertiggestellten Kirche handelte es sich um die für Braunschweig typische basilikale Form, die hier mit zunächst nur drei Jochen auskam, aber Querhaus, Chorquadrat und drei Apsiden aufwies. Der verbreiterte Westbau aus dem 3. Viertel des 13. Jahrhunderts gab bereits die Maße für die Erweiterung zur dreischiffigen gotischen Hallenkirche vor: Der Westsockel, der die Breite der Kirche übertraf, war die Grundlage für die Türme, die höher als bei den anderen Pfarrkirchen geplant waren. Ein viertes Langhausjoch verband das Westwerk mit dem Schiff. Nach Osten wurde nach Abbruch der romanischen Chorapsis ein zweites Chorquadrat angefügt, dem Anfang des 15. Jahrhunderts als letzte Baumaßnahme eine 5/8-Chorapsis vorgesetzt wurde. An dem massiven viergeschossigen Westblock mit einem von Maßwerk durchbrochenen Glockenhaus und dem als Wachturm ausgebauten, überhöhten Südturm wurde noch bis ins ausgehende 17. Jahrhundert gebaut, da Sturm und Blitzschlag die zeitweise bis auf 122 m erhöhte Turmspitze mehrmals zerstörten. 1740/41 erhielt der [Druckseite XXXIII] Südturm bei 93 m eine barocke Haube. Der Nordturm blieb unvollendet und wurde 1581 mit einem schlichten Zeltdach abgedeckt. Bemerkenswert ist das den beiden östlichen und den vier südlichen Giebeln beigegebene Bildprogramm mit Szenen aus dem Leben Christi: die Weissagung zweier Propheten, die Verkündigung (datiert 1405, vgl. Nr. 79), die Anbetung der Könige unter Maßwerkgiebeln; unter einen Korbbogen gesetzt die Flucht nach Ägypten, der bethlehemitische Kindermord, der zwölfjährige Jesus im Tempel. Am nordwestlichen Giebel befindet sich eine Darstellung des hl. Andreas am Kreuz. Die beigefügte Datierung auf 1419 (Nr. 90) bezeichnet den Abschluß des Skulpturenzyklus. Vielleicht haben die Reliefs an den Strebepfeilern der Südseite, wahrscheinlich aber eher die auf erhöhten Schemeln sitzenden, perspektivisch verkürzt wiedergegebenen Figuren in der Szene des zwölfjährigen lehrenden Jesus zur Benennung der angrenzenden Kröppelstraße (nd. Kröppel: ‚Krüppel‘) geführt. Dachstuhl, Türme und die gesamte Inneneinrichtung wurden beim Bombenangriff 1944 zerstört.

St. Bartholomäi

Der heute als Kapelle benutzte, unscheinbare Bau steht mit der Ostseite zur Schützenstraße; der Zugang liegt auf der Südseite. Die Kirche gehörte zur Altstadt und unterstand dem Patronat von St. Blasii. Die wahrscheinlich Ende des 12. Jahrhunderts erbaute, schlichte Saalkirche mit Westriegel wurde im 13. und 14. Jahrhundert mehrfach baulich verändert. Reste verschiedener Bauphasen wurden nach der Zerstörung der Kirche 1944 sichtbar. Ein Kupferstich von J. G. Beck von 1711 zeigt den aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammenden baulichen Zustand; ein Kreuzigungsrelief am Ostgiebel trägt das Datum 1483 (Nr. 217). Danach lag der Eingang der Kirche unter einem großen Maßwerkfenster auf der Ostseite, die Südseite zeigte drei hohe, spätgotische Fenster. Dem Westriegel waren zwei spitze Turmhelme aufgesetzt. Nach der Reformation wurde die Kirche zunächst verschlossen, diente dann längere Zeit nichtsakralen Zwecken und wurde 1709 von der Reformierten Gemeinde übernommen, nachdem die Innenausstattung neu eingerichtet worden war. 1834 wurden die Türme abgerissen und das Dach bis über die Westseite gezogen.

St. Johannis

Die Kirche des seit 1224 in Braunschweig ansässigen Johanniterordens war einem umfangreichen Ge-bäudekomplex, dem sog. Prioratshof in der südlichen Altstadt, vorgebaut und stand mit der Front zur Langen Brücke, heute Kattreppeln. Eine Zeichnung von J. G. Beck aus dem Jahr 1714 zeigt die nordöstliche Straßenfront mit zwei Portalen mit Heiligenfiguren (vgl. Nr. 51), zwischen denen sich zwei hohe Maßwerkfenster befanden, einem Giebelerker mit Uhr und einem hohen, schlanken Dachreiter mit einer Glocke von 1438 (vgl. Nr. 114). Die Zeichnung gibt wahrscheinlich den Zustand des späten 15. Jahrhunderts wieder. Auf die Innenausstattung der Kirche lassen lediglich die kopial überlieferten Inschriften eines Altars schließen (Nr. 281). Nach der Reformation wurde der Prioratshof als Adelssitz von der Familie von der Schulenburg bewohnt (vgl. Nr. 346; vgl. auch Nr. 259). Die Kirche wurde 1784 abgerissen.

Hospital und Kirche St. Leonhard

Das vor dem Steintor an der Heerstraße nach Helmstedt gelegene Leprosenhospital wurde wahrscheinlich Ende des 13. Jahrhunderts gegründet. Schenkungen und Vermächtnisse von Braunschweiger Bürgern unterstützten das Hospital, dessen Kapelle Anfang des 14. Jahrhunderts zuerst erwähnt wurde. Sie war St. Leonhard und St. Servatius geweiht. Bei dem Hospital befand sich als Nebengebäude eine Clus, in der die Pflegerinnen der Kranken wohnten. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu seiner Zerstörung 1615 war das ‚Siechenhaus‘ auch Armenhaus und Altersheim. Die Kirche an der heutigen Helmstedter Straße entspricht, auch nach mehrfacher Zerstörung und Wiederaufrichtung im 17. Jahrhundert, als einfacher Saalbau des 12. Jahrhunderts dem Dorfkirchentypus mit halbrunder, dem Chorquadrat eingezogen vorgesetzter Apsis, das Langhaus zweijochig eingewölbt. Der 1695 aufgesetzte barocke Dachreiter wurde 1992 bei erneuter Dacheindeckung restauriert. Das Kirchengebäude wurde im 19. Jahrhundert zweckentfremdet und erst 1932 als Sakralraum wiederhergestellt.

Hospital und Kirche St. Marien

Sie gehörte zum 1245 gegründeten Marienhospital an der Langen Brücke (Hinter Liebfrauen). Ein Kupferstich von 1714 zeigt einen schlichten, rechteckigen Kapellenbau mit vier gotischen Fenstern auf der Nordseite und einem Dachreiter über dem hohen Satteldach. 1677 wurde das an die Kapelle angebaute Hospital mit dem 1473 gegründeten Alexius-Pflegehaus für Geisteskranke zusammengelegt und der ganze Komplex als Armen-, Waisen-, Zucht- und Werkhaus Beatae Mariae Virginis genutzt. Die Kapelle wurde 1785 abgerissen. Dabei gingen auch die dort erhaltenen Inschriften verloren (Nr. 285, [Druckseite XXXIV] 375, 376). Nachdem 1787 das neue, große Waisenhaus von C. Chr. W. Fleischer in schlichtem klassizistischen Stil errichtet worden war, diente das Marienspital im 19. Jahrhundert nur noch als Waisenhaus. Es wurde nach der Zerstörung 1944 als einfacher zweistöckiger Bau wiedererrichtet.

Kapelle St. Matthäi

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhielten die Templer von den Landesherrn die Erlaubnis, sich in Braunschweig niederzulassen. Sie erbauten wie die Dominikaner Kirche und Konventsgebäude auf landesherrlichem Grund am Bohlweg. Die Kirche wurde 1289 urkundlich erwähnt. Nach der Aufhebung des Ordens kam das Anwesen zunächst 1357 an den Johanniterorden und wurde dann an die Kalandbruderschaft zum Hl. Geist verkauft, deren Dechantenhaus eine unvollständig überlieferte Baudatierung trug (Nr. 253). Zeichnung und Beschreibung von A. A. Beck aus der Mitte des 18. Jahrhunderts zeigen einen zweijochigen Saalbau mit 5/8-Abschluß, einem Rundbogenportal und darübergelegenem Kreisfenster an der Westseite und hohen gotischen Seiten- und Apsidenfenstern. Die Kapelle wurde beim Bau des herzoglichen Schlosses im 18. Jahrhundert zunächst in den Komplex einbezogen und 1810/12 zur Schloßkapelle umgebaut. Sie wurde nach dem Brand des Schlosses 1830 abgebrochen.

Kapelle St. Auctor

Als Sühneleistung für acht in der Schicht von 1374 getötete Ratsherren verlangten die 1380 in Lübeck versammelten Hansestädte vom neu gebildeten Rat Braunschweigs unter anderem auch den Bau einer Kapelle zu Ehren des Stadtheiligen St. Auctor. Der Kapellenanbau zur Breiten Straße schloß an die Nordseite des Alten Rathauses an; er war 1386 fertiggestellt und wurde mit zwei Vikariaten dotiert. An den Wänden der Kapelle hingen die Wappenschilde der acht Getöteten. 1680 wurde die Kapelle bei einem Umbau der Nebengebäude des Rathauses zu Messehallen abgebrochen.

Benediktinerkloster St. Ägidien

Das Kloster wurde 1115 von der Markgräfin Gerthrud auf einem Hügel, dem in späterer Bezeichnung sog. Köppeberg, südwestlich des Dorfes Brunesguik angelegt. Es war der Jungfrau Maria gewidmet, wahrscheinlich aber von Anfang an mit dem hl. Ägidius als Konpatron, dessen Reliquien die Markgräfin selbst gemäß der Gründungslegende aus Frankreich geholt hatte. Die Gründung des Klosters geschah der 1134 ausgestellten Bestätigungsurkunde Kaiser Lothars III. zufolge am 1. September 1115, dem Festtag des Heiligen. Das Kloster war neben anderen Gütern mit dem Erbzins aus der späteren Altewiek und mit dem Patronat über die Magnikirche bewidmet, erst nach der Loslösung der Bürgergemeinde der Altewiek um 1200 entstand ein davon abgegrenzter Bezirk der Klosterfreiheit. Von den Klostergebäuden des 12. Jahrhunderts sind heute noch vier Räume erhalten: Refektorium, Parlatorium, Kapitelsaal und ein Teil des Kreuzgangs. Von der ersten Klosterkirche, die nach Hirsauer Muster als dreischiffige Basilika nach 1117 errichtet wurde, sind Fundamente und Teile des Mauerwerks des Langhauses sowie der Ansatz eines Westbaues erhalten. Die erste Kirchenanlage wurde 1278 bei einem Brand, der über die Altewiek auf die Klostergebäude und weite Teile der Stadt übergriff, offenbar völlig zerstört. Der Wiederaufbau wurde gefördert durch zahlreiche Ablaßbriefe, die zur Hilfe aufriefen, und durch die Spende zweier kostbarer Reliquien aus dem Benediktinerkloster Cismar und aus Halberstadt, die helfen sollten, die Wallfahrt zu intensivieren. Der Neubau wurde mit dem Ostflügel des Klosters und dem frühgotischen, polygonalen Chor begonnen. Ein Umgang verbindet den Kapellenkranz des Chores mit dem Querhaus. Diese Bauphase ist wahrscheinlich bereits Anfang des 14. Jahrhunderts beendet gewesen, wie die Stiftung von sechs Altären bezeugt. Der Bau des Langhauses zog sich vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis etwa 1454-1457 hin. Mehrere inschriftliche Datierungen bezeugen den Fortgang der Bautätigkeit: 1418 war der nördliche Kreuzgangflügel eingewölbt (Nr. 89), 1437 wurde der westliche Mittelschiffspfeiler des nördlichen Langhausbereichs mit einem Baudatum versehen (Nr. 112), 1446 die Grablege der Äbte im westlichen Teil des Langhauses mit einer Messingplatte überdeckt (Nr. 121). 1454 wurde der obere Teil des Chores mit dem Triforiengang fertiggestellt und 1456 die große Orgel erbaut. Die Nordseite der Kirche, die der Altewiek zugewandt ist, wurde als Schaufront mit vier mit Maßwerk und Türmchen verzierten Giebeln über den vier Langhausjochen gestaltet. In eine Nische des zweiten Giebels von Westen ist die Skulptur des Stadtheiligen St. Auctor mit einem Kreuz und einem Stadtmodell als Insignien aufgestellt. Das Hauptportal am nördlichen Querhausarm wurde mit einem steilen Wimperg erhöht, der sich in dem steilen, mit Türmchen und Krabben verzierten Giebel der vorgesetzten Querhausfassade fortsetzt. Auf halber Höhe über dem Portal, auf einen Konsolfries aufgesetzt, verläuft ein Gang, von dem aus wahrscheinlich die Heiltümer des Klosters gezeigt wurden. 1457, als der Rat der Stadt dem hl. Auctor, dessen Reliquien im Ägidienkloster aufbewahrt wurden, aus Dankbarkeit für die Beilegung der Schicht von 1446/47 einen neuen silbernen Schrein widmete, waren bei der feierlichen Translation Kirche und Klostergebäude [Druckseite XXXV] vollendet. Der Westbau, an dem noch bis 1470 weitergebaut wurde, blieb unvollendet. Baureste lassen zwei quadratische Türme, möglicherweise Teile eines modifizierten Westriegels, erkennen. Der Abbruch der Westteile erfolgte 1817 wegen gefährlicher Bauschäden.

Das Kloster wurde 1528 reformiert und ein Jahr später aufgehoben. Die Kirche diente als Pfarrkirche, ab 1718 auch als Garnisonkirche. In den Napoleonischen Kriegen kam es zu einer Profanierung und weitgehenden Zerstörung der Ausstattung. Seit 1836 wurde die Kirche als Festhalle und Konzertsaal genutzt, von 1906-1945 als Ausstellungsraum des damaligen Vaterländischen Museums. Seit 1946 ist St. Ägidien katholische Propsteipfarrkirche Liebfrauenmünster. Süd- und Westflügel der spätmittelalterlichen Klosteranlage wurden Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen. Die erhaltenen Teile des Ostflügels und der östliche Teil des Kreuzgangs dienen, zusammen mit dem rekonstruierten Chorraum der 1905 abgerissenen Paulinerkirche, als Ausstellungsraum des Braunschweigischen Landesmuseums.

Franziskanerkloster zu den Brüdern

Die Franziskaner sind in den Bistümern Hildesheim, Halberstadt und Magdeburg seit 1223/24 nachweisbar. Etwa in diesen Zeitraum wird auch ihr erstes Auftreten in Braunschweig zu datieren sein. Sie erhielten zunächst Unterkunft in einer Kemenate des am nördlichen Rand der Altstadt liegenden Bortfelder Hofs, den die stadtadlige Familie Bortfeld vom welfischen Stadtherrn zu Lehen hatte. Aus diesem Zusammenhang ist geschlossen worden, daß die Franziskaner auf eine Zusage Ottos IV. nach Braunschweig kamen und daher den Landesherrn bis zu ihrem Auszug aus Braunschweig nach der Reformation verbunden blieben. Mit dem Bau einer kleinen Kapelle und dem Vorhandensein erster Klostergebäude wird ab 1250 gerechnet. Erst 1343 gibt die Erwähnung einer Bauhütte Auskunft über den Fortgang des Kirchenbaus. In den folgenden Jahrzehnten werden der einschiffige, dreijochige Chor mit polygonalem 5/8-Schluß fertiggestellt und das Langhaus als dreischiffige Halle mit fünf Jochen errichtet worden sein. Die Weihe des Hochaltars 1361 und eine Nachricht über die vom Rat erteilte Erlaubnis, den nordöstlichen Stützpfeiler in den Raum der Straße Hintern Brüdern zu setzen, zeigen den langsamen Fortgang der Bautätigkeit, die aus Spenden der Gläubigen finanziert wurde. Nach 1375 wurde offenbar der ursprüngliche Bauplan reduziert und die Seitenschiffe nicht in gleicher Höhe wie das Mittelschiff ausgeführt. Ein großes, fünfteiliges Maßwerkfenster in der Westfront sollte den durch die niedrigeren Seitenschiffe entstandenen Mangel an Licht ausgleichen. Auch die westliche Außenseite wird von dem großen mittleren Fenster beherrscht, über dem der schlichte, spitze Giebel hoch aufgeführt ist. Die Ende des 15. Jahrhunderts dem Portal vorgebaute, gewölbte Vorhalle war später mit einem einstöckigen Fachwerkvorhaus verkleidet worden. Die ursprüngliche Form wurde, mit starken restauratorischen Eingriffen, 1869 wiederhergestellt. Von den Klostergebäuden wurden nach den Zerstörungen des Jahres 1944 nur die drei Flügel des Kreuzgangs, die ehemalige Sakristei und die südlich an die beiden ersten Chorjoche anschließende Kapelle wiederhergestellt. Das Refektorium, das sich östlich an die Klostergebäude anschloß, der für die Stadtgeschichte bedeutsame Remter, in dem der Rat gelegentlich tagte und Verhandlungen führte, und das gewölbte Obergeschoß der Kapelle (das sog. Bugenhagenzimmer) sind nicht mehr vorhanden, jedoch als Räume zur Nutzung der Gemeinde nachgebaut.

Johannes Bugenhagen, der Reformator Braunschweigs, hielt am 21. Mai 1528, dem Himmelfahrtstag, in der Brüdernkirche seine erste Predigt. Er arbeitete bis September in der damaligen Liberei über der Kapelle zusammen mit Angehörigen der Stadtgeistlichkeit und dem Rat die am 5. September 1528 offiziell angenommene ‚Braunschweigische Kirchenordnung‘ aus. Um Ostern 1529 verließen die Franziskaner das Kloster, die Kirche blieb von 1529-1542 geschlossen. Als die baufällige Pfarrkirche St. Ulrici 1544 abgerissen wurde, wurde die Brüdernkirche zur Parochialkirche für die nordöstliche Altstadt. Das Refektorium wurde 1569 zum städtischen Zeughaus umgebaut, auch der Kreuzgang und die anderen Klostergebäude wurden von der städtischen Verwaltung genutzt. 1884 wurde der Kreuzgang erstmals restauriert. Er ist seit dem Abschluß der Wiederaufbauarbeiten, die bis 1978 dauerten, wieder zugänglich.

Dominikanerkloster (Pauliner)

Nachdem den Dominikanern 1307 von den Herzögen die Niederlassung in Braunschweig gestattet worden war, bauten sie auf landesherrlichem Grund, dem ehemaligen Vogteihof am Bohlweg, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Kirche und Klostergebäude. 1319 führten die Herzöge eine Einigung zwischen Prior und Konvent und dem Rat der Stadt herbei, die darauf gerichtet war, daß sich die Predigermönche nicht in städtische Angelegenheiten mischen und keinen weiteren Grundbesitz erwerben durften. Die Kirche wurde 1343 geweiht. Ein einschiffiger Chor mit drei Jochen und 5/8-Schluß schloß sich an eine dreischiffige, querhauslose Halle mit fünf Jochen an. Der Plan entsprach etwa dem der Brüdernkirche. Das Kloster wurde 1529 aufgehoben, die Mönche verließen die Stadt. Die Gebäude [Druckseite XXXVI] einschließlich der Kirche wurden im 18. Jahrhundert zum herzoglichen Zeughaus umgebaut und mit einer barocken Schaufront (zum Bohlweg) mit Eckpavillons, Portalpfeilern und hohen geschmiedeten Gittern versehen, wie zwei Kupferstiche des 18. Jahrhunderts zeigen120). 1902/03 wurde der Gebäudekomplex abgebrochen; der Chor wurde im Klosterhof von St. Ägidien, südlich an die Reste des Kreuzgangs anschließend, aus originalen Bauteilen neu errichtet. Durch Einziehen einer Zwischendecke entstanden zwei Ausstellungsräume für das damalige Vaterländische Museum (heute Braunschweigisches Landesmuseum).

Kreuzkloster (Zisterzienserinnen)

Auf einer Anhöhe vor den Stadtmauern nordwestlich von Alt- und Neustadt, dem Remmelberg, wurde am Anfang des 13. Jahrhunderts ein Benediktinerinnenkloster gegründet, dessen Kirche 1230 geweiht wurde. Das Kloster, in das Patriziertöchter der Stadt und Töchter des landsässigen Adels eintraten, hatte auch eine Funktion als Pilgerherberge, da die obere Ost-West-Straße aus dem Petritor, der Weg der Aachen-Wallfahrt, daran vorbeiführte. Etwa seit Anfang des 14. Jahrhunderts bis zur Reformation gehörte der Konvent zum Zisterzienserorden. Aus dem 14. Jahrhundert sind bemerkenswerte Teppiche und weitere Stickereien (Nr. 35, 36, 43, 65, 66) sowie ein Kelch (Nr. 73), aus der Zeit um 1500 ein Klappaltar (Nr. 299) erhalten. Es bestanden Verbindungen zu anderen Frauenklöstern im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg in Form von Gebets- und Stickgemeinschaften (z.B. mit Wienhausen, vgl. Nr. 65, 66). Die Kirche, die wohl nach dem Muster der Braunschweiger Stadtkirchen dreischiffig mit zwei Nebenkapellen angelegt war, sowie der Kreuzgang wurden 1545 und 1550 bei kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört. Ein Neubau, der 1567-1571 errichtet wurde, mußte schon am Anfang des 17. Jahrhunderts wieder abgebrochen werden, da die exponierte Lage des Klosters vor dem Stadttor im Kriegsfall eine zu günstige Angriffsfläche bot. Eine 1609 geweihte Fachwerkkapelle stand bis zu ihrer Zerstörung 1944 an der Stelle der ehemaligen Klosterkirche.

3. Inschriften und Inschriftenträger

Am 14./15. Oktober 1944 wurde die Altstadt von Braunschweig durch Luftangriffe weitgehend zerstört. Fotografien, Zeichnungen und Aquarelle der Nachkriegszeit haben das Ausmaß der Vernichtung ganzer Stadtteile festgehalten121). Der 1988 erschienene Band ‚Kriegsschicksale deutscher Architektur‘122) dokumentiert den Verlust an historischen Bürgerhäusern, zusammenhängenden Gebäudekomplexen und ganzen Straßenzügen. Die in der traditionellen Fachwerkbauweise errichteten Gebäude konnten dem Feuer des Bombenkriegs, ähnlich wie bei den Stadtbränden der vorhergehenden Jahrhunderte, nicht entgehen. In den stehengebliebenen Brandmauern und tragenden Wänden der Häuser zeigten sich nachfolgend mittelalterliche Bauformen, insbesondere die in Braunschweig zahlreichen steinernen Kemenaten, die seit Jahrhunderten überbaut gewesen waren123). Steinbauten und Gewölbe des 12. bis 14. Jahrhunderts aus dem heimischen körnigen Rogenstein und die tragenden Gerüstkonstruktionen aus Eichenbohlen widerstanden zumeist dem Feuer. Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Kriegsschäden ist massive Kritik deshalb auch am mangelnden Willen zur Erhaltung und Wederherstellung von noch tragfähiger, erhaltenswerter Bausubstanz in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten geübt worden.

3.1 Überlieferung der Inschriften

Von den 410 vorreformatorischen Inschriften Braunschweigs, die dieser Band verzeichnet, liegen über die Hälfte, 254 Nummern, nur abschriftlich vor. Ihre Aufzeichnung ist dem seit Anfang des 18. Jahrhunderts wachsenden stadtgeschichtlichen Interesse des Braunschweiger Bürgertums zu verdanken. Nur in Einzelfällen reicht die Überlieferung über das 18. Jahrhundert zurück, so z.B. bei der Datierung des Brunnens vor dem Sack-Rathaus (Nr. 106)124). Die mittelalterliche, städtische Chronistik nennt außer [Druckseite XXXVII] einem erschlossenen Beispiel (Nr. 122) aus dem ‚Schichtboick‘ Hermen Botes keine Inschriften. Die über den städtischen Bereich hinausgehenden niedersächsischen Chroniken des 14. und 15. Jahrhunderts folgen meist einem annalistischen Schema oder sind dynastisch auf die welfisch-landesherrliche Erbfolge und ihre Gebietsansprüche ausgerichtet.

Es sind im wesentlichen diese Interessen, die die Inschriften der sog. Tabula Blasiana (Nr. 356), einer im Dom bei den Fürstengräbern aufgehängten, hölzernen Tafel mit Pergamentbespannung dokumentieren. Der Text der ‚Fürstentafel‘ des frühen 16. Jahrhunderts wurde zuerst 1678 von Joachim Johann Mader, Professor in Helmstedt, mitgeteilt und in den Jahren 1707 von Philipp Julius Rehtmeyer, 1711 von Gottfried Wilhelm Leibniz und schließlich 1815 von Friedrich Görges ohne große Unterschiede in den Lesarten übernommen125). Die Tafel verzeichnete sowohl die Gründungsgeschichte der Stiftskirche als auch die Abfolge der im Dom begrabenen Herzöge, deren Gräber im Mittelschiff um das Grabmal des Gründers des zweiten Baus, Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde, gelegen waren. Diese textlich umfangreichste der zahlreichen Schrifttafeln des Doms überliefert jedoch keine Grabschriften.

Im Jahr 1687 hatte Herzog Rudolf August den Braunschweiger Dom erstmals nach der Einnahme Braunschweigs 1671 renovieren und dabei große Teile der alten Ausstattung beseitigen lassen. Herzog Anton Ulrich stellte 1707 den alten Zustand des Doms teilweise wieder her, hob jedoch die Fürstengräber auf und sammelte die Überreste in einer barocken Tumba, die heute in die nördliche Chorkapelle versetzt ist126). Es ist schwer verständlich, daß bei dem am Anfang des 18. Jahrhunderts einsetzenden antiquarischen Interesse keine Inschriften der Fürstengräber überliefert worden sind. Obwohl der Begräbnisplatz Ottos IV., des einzigen deutschen Kaisers aus welfischem Geschlecht, zwischen dem Hl. Kreuz-Altar und dem Grabmal seiner Eltern Heinrich und Mathilde bekannt war, gibt es keine Nachrichten über eine Grabschrift. Die Tabula Blasiana, deren Wortlaut und z. T. falsche Datierungen offensichtlich dem 1492 in Mainz erschienenen ‚Chronicon Brunsvicensium picturatum‘ entnommen sind, diente wahrscheinlich auch als Vorlage für die lateinische Inschrift auf der Tumba von 1707, da diese nicht nur die Reihenfolge der Verstorbenen, sondern auch die falschen Sterbedaten genau übernimmt. Wenn am Anfang des 18. Jahrhunderts also nur noch die Tafel über die Fürstengräber Auskunft gab, ist zu überlegen, ob die Grabinschriften sämtlich unlesbar geworden waren oder ob, nach dem Vorbild des inschriftenlosen Grabmals Heinrichs des Löwen, die Fürstengräber traditionell nicht mit Inschriften bezeichnet waren. Die Tabula Blasiana hätte in diesem Fall den Charakter eines Epitaphs gehabt. Einen ähnlichen Zweck hätte dann auch die kleine Tafel an dem Pfeiler gegenüber dem Grabmal Heinrichs und Mathildes (Nr. 72) erfüllt. Der in Distichen gefaßte Nachruf auf Heinrich den Löwen und Otto IV. sowie ihre Gemahlinnen wurde im 18. Jahrhundert als Epitaphium bezeichnet; diese Benennung entspricht auch den neueren Definitionen dieses Begriffs127).

Dynastisch orientiert war auch die erste Veröffentlichung eines Verzeichnisses des sog. Welfenschatzes 1697 durch Gerhard Wolter Molanus. Er teilte in willkürlicher Auswahl die Inschriften einiger Reliquiare mit oder gab sie als Abzeichnungen wieder128).

Der für die Braunschweiger Kirchengeschichtschreibung wichtigste Autor des 18. Jahrhunderts ist Philipp Julius Rehtmeyer, Pastor an St. Petri. Der erste Band seiner ‚Kirchen-Historie‘ (1707) ist der Gründungs- und Baugeschichte der Braunschweiger Stadtkirchen und der beiden Stifte gewidmet. Er [Druckseite XXXVIII] gibt nicht nur einen Überblick über das noch verbliebene mittelalterliche Kircheninventar, sondern teilt auch sämtliche Bau- und Tafelinschriften mit. Grabschriften fanden sein Interesse jedoch nicht; auch hätte die damals noch vorhandene Anzahl den Rahmen seines Werks sicher überschritten. Rehtmeyers zweites großes Werk, die ‚Braunschweig-Lüneburgische Chronica‘ (1722), enthält einen Kupferstich der großen, damals im nördlichen Seitenschiff des Doms hängenden Bildtafel Herzog Wilhelms d. Ä. († 1492) mit sämtlichen Inschriften (Nr. 294).

Auf Rehtmeyers Angaben fußen die Autoren des frühen 19. Jahrhunderts, Johann August Heinrich Schmidt und Friedrich Görges, beide, wie Rehtmeyer, lutherische Pastoren an Braunschweiger Kirchen129). Während sich Schmidts Untersuchungen zur Kirchengeschichte auf Dokumente des Rats- bzw. Domarchivs gründeten, sah Görges sich in seinem kleinen Führer durch den Braunschweiger Dom bewußt als einen der letzten Zeugen für den Erhaltungszustand des 18. Jahrhunderts an. Auch wenn er nur wenige Inschriften überliefert (oder diese wegen falscher oder unverstandener Lesungen hier nicht dokumentiert werden), bleibt seine Bestandsaufnahme nach Rehtmeyer die Grundlage vor allem für das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnende historische Interesse an der Person Heinrichs des Löwen.

Der reichhaltigste überlieferte Bestand an Kupferstichen und Zeichnungen mit und ohne Beschreibungen der abgebildeten Objekte stammt von dem Kupferstecher Johann Georg Beck (1676-1722) und besonders von seinem Sohn Anton August (1713-1787). Der in Augsburg geborene Johann Georg Beck kam 1706 nach Braunschweig und erwarb im Lauf der folgenden Jahre von Herzog Anton Ulrich den Titel eines Hofkupferstechers130). Seine ab 1710 erscheinenden Kupferstichkalender mit Ansichten des zeitgenössischen Braunschweig sind eine einzigartige Quelle für die Topographie der Stadt vor der Schleifung der Festungswälle bzw. der Beseitigung der Stadttore. Besonders wertvoll sind die Darstellungen der Stadtkirchen, von denen einige noch im 18. Jahrhundert abgerissen wurden. Durch J. G. Beck ist jedoch nur eine Geschützinschrift Braunschweigs überliefert worden (Nr. 86). Sein Sohn führte nach dem Tod des Vaters zusammen mit dem Stiefvater Johann Georg Schmidt die Werkstatt weiter und übernahm sie nach dessen Tod 1767. Auch Anton August Beck war Hofkupferstecher. Es gelang ihm jedoch, neben dieser Tätigkeit seinen historischen Interessen nachzugehen, die sich ganz auf die Aufzeichnung der aus früheren Jahrhunderten überkommenen Zeugnisse richteten. Miteinbezogen waren dabei die Inschriften. Seine Notizen und Vorarbeiten zu einem größeren stadtgeschichtlichen Werk, das nur in unzusammenhängenden Manuskriptteilen hinterlassen wurde, sind mit zahlreichen Zeichnungen von Grabsteinen, Glocken, Brunnen, Heiligenfiguren und besonders von den geschnitzten Schwellbalken der Fachwerkhäuser versehen131). Zu den Zeichnungen fügte Beck oft auch eine kurze Beschreibung des Stücks, des Fund- bzw. Standorts oder des Erhaltungszustands hinzu. Zu den Kirchengrundrissen gehören Lagepläne der Gräber und Listen der Namen der Bestatteten, aber keine Grabschriften. Zumeist handelte es sich dabei auch um Gräber des 17. und 18. Jahrhunderts. Die wenigen zu der Zeit noch erhaltenen mittelalterlichen Grabsteine sind oft mehrfach als Einzelzeichnungen mit handschriftlich beigefügten Inschriftentexten überliefert. Diese Form der doppelten Überlieferung - durch Abzeichnung einerseits, Notierung der Inschrift andererseits - benutzte Beck besonders bei Hausinschriften. Er zeichnete die Schwellbalken mit allen Einzelheiten der Figuren und Ornamente sowie die Inschrift so ab, wie er sie vorfand. Auf diese Weise wurden auch Schäden und Verwitterung und für ihn unverständliche Wortfügungen in den Zeichnungen wiedergegeben. Er bezog Worttrenner, Kürzungszeichen und Wappen mit ein. Neben oder unter seine Zeichnungen setzte er die Auflösung der Inschrift, oft vollständig korrekt oder zumindest in Teilen sinnvoll gelesen. So ist es vielfach möglich, auch bei kopial überlieferten Inschriften die Schriftart anzugeben und Versalien zu kennzeichnen. Die wenigen noch vorhandenen Hausinschriften, die eine Überprüfung der Beckschen Zeichnungen erlauben, belegen, daß er den Duktus der Buchstabenformen genau wiedergab, die Lesung der gotischen Minuskel aber nicht immer bewältigte. Diese in der Ausdrucksweise des 18. Jahrhunderts [Druckseite XXXIX] ‚Mönchsschrift‘ oder ‚Münchsbuchstaben‘ genannte Schriftart bezeichnet er durch ‚NB‘ in einer gebundenen Handschrift132), in der er alle Straßen Braunschweigs nach dem Verlauf der Assekuranznummern durchging und die Hausinschriften notierte. Dabei wandte er bei den Inschriften, die lediglich die Erbauungsdaten der Häuser nennen, wenig Sorgfalt an. Er notierte sie grundsätzlich ohne den Textanfang anno domini und in der ihm vertrauten Kapitalis, also gerade nicht in der ‚Mönchsschrift‘ in der er die Inschriften vorfand. Diese Daten waren nicht zuverlässig in eine Minuskel umzusetzen und werden hier deshalb in Großbuchstaben wiedergegeben.

Diese erste systematische Aufnahme der Braunschweiger Hausinschriften erfolgte einer Eintragung auf S. 1 der Handschrift zufolge in den Jahren 1740-1780. Eine gleichzeitige Beschreibung der Häuser lieferte Beck jedoch nicht. Deshalb müssen in diesem Band zahlreiche noch im 18. Jahrhundert nachweisbare Hausinschriften ohne nähere Angabe des Anbringungsortes oder der Schriftart verzeichnet werden.

Die Aufzeichnungen Anton August Becks sind in den Sammlungen des Kreisgerichtsregistrators Carl Wilhelm Sack (1792-1870) erhalten. Sack hat nicht nur Becks ‚Häuserbuch‘ ergänzt und durch beigeschriebene Bemerkungen auf den Stand der Mitte des 19. Jahrhunderts gebracht, sondern auch viele der Inschriftenabzeichnungen Becks kopiert, so daß aus dem Material oft nicht mehr zu erschließen ist, was ursprünglich ist und was auf seine nachträglichen Korrekturen zurückgeht. Sack hat ferner den auf Becks Sammlungen beruhenden Aufzeichnungen Originaldokumente, Briefe und Exzerpte auch anderer Personen beigefügt. Bei seinem Tod umfaßte seine Sammlung 278 Bände, die seine Erben 1870 an das Braunschweiger Stadtarchiv verkauften. Wenn sich seine „grenzenlose Sammelleidenschaft“ auch „bisweilen außerhalb der Legalität bewegte“133) und ihm mangelnde Quellenkritik vorgeworfen wird, ist Sacks Sammlung doch die wichtigste Quelle für die Braunschweiger Inschriften.

Die Neuordnung und -einrichtung von Stadtarchiv und Stadtbibliothek, die 1863 aus dem bisherigen Provisorium des Kreuzgangs der Brüdernkirche ins restaurierte klassizistische Neustadtrathaus verlegt wurden, die beginnende Herausgabe des Braunschweiger Urkundenbuchs (ab 1873) und der Stadtrechte sowie das vermeintliche tausendjährige Stadtjubiläum 1861 förderten das allgemeine Interesse an der Geschichte Braunschweigs und brachten eine Fülle stadtgeschichtlicher Literatur hervor. Etwa hundert Jahre nach A. A. Beck ging der Gymnasialdirektor Hermann Dürre noch einmal durch die Straßen Braunschweigs und notierte die Hausinschriften134). Die Historiker Heinrich Schröder und Wilhelm Assmann hatten bereits 1841, mehr als hundert Jahre nach Rehtmeyer, die in den Stadtkirchen verbliebenen mittelalterlichen Zeugnisse noch einmal gesammelt und dabei einige bisher noch nicht oder nur unvollständig gelesene Inschriften mitgeteilt135).

Es war das Verdienst des Wolfenbütteler Bibliothekars Ludwig Conrad Bethmann, einem breiten Publikum in der neu erscheinenden Reihe ‚Westermanns Monatshefte‘ den Braunschweiger Dom in seiner historischen Bedeutung, aber besonders auch in einer ersten Rekonstruktion seiner mittelalterlichen Innenraumgestaltung veranschaulicht zu haben136). Ihm ist auch die Identifizierung der Grabtafel der Brunonengräfin Gerdrud (Nr. 4) zu verdanken137). Die Umstände von Entdeckung und Restaurierung der Wandmalereien im Dom seit 1845 sind 1852 erstmals von Carl Schiller, dem Braunschweiger Privatgelehrten und späteren ersten Leiter des Städtischen Museums veröffentlicht worden138). Dabei teilte er jedoch nur wenige Inschriften mit. Diese wurden von dem Restaurator Heinrich Brandes 1863 in einem kleinen Separatdruck zusammengestellt, der neben den erhaltenen Umrißpausen der Wandmalereien, die aber nicht alle Inschriften wiedergeben, die einzige Quelle für die Schriftbänder an den Wänden und im Gewölbe in ihrem Auffindungszustand ist139).

Eine erste kunsthistorische Inventarisierung des Welfenschatzes nahm Wilhelm Anton Neumann 1891 vor (s.o., S. XXIII). Er gab in Zeichnungen oder fotomechanischen Abdrucken erstmals auch sämtliche [Druckseite XL] Inschriften auf den Reliquiaren und anderen Goldschmiedearbeiten wieder. Sein Versuch, die Inschriften mehrerer Reliquiare Kölner Provenienz zu vergleichen und aus dem Wortlaut der Bibelzitate auf Zusammenhänge zu schließen, ist in diesem Band wiederaufgenommen und erweitert worden (vgl. Nr. 18).

Die erstmals 1906 von Paul Jonas Meier und Karl Steinacker herausgegebenen ‚Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig‘140) weisen auf Bau- und Hausinschriften im Stadtbild hin, geben sie jedoch nur in wenigen Fällen in gültiger Lesung wieder. Eine Ausnahme macht die sog. Künstlerinschrift im Dom (Nr. 24), die in der zweiten Auflage der Kunstdenkmäler von 1926 gelesen, übersetzt und gedeutet wurde141). Die Lesung der Pfeilerinschrift beruhte auf der Zusammenarbeit Meiers mit dem Kunsthistoriker Paul Clemen, der 1906 eine Fotografie der Inschrift und den gemeinsam gelesenen Text veröffentlicht hatte142). Meier sandte in den Jahren 1936-1938 auch eine Fotografie der Inschrift an den Historiker Karl Brandi, um sie dem Deutschen Inschriftenwerk zur Verfügung zu stellen. Auf diesem Foto, das dem heutigen Stand der Restaurierung nicht entspricht, der sich wieder auf die ältere, von Meier und Clemen gelesene Version stützt, bauten Wilhelm Berges und Hans Jürgen Rieckenberg ihre 1951 erschienene Textanalyse und die Vermutung auf, daß in dem in der Inschrift genannten Johannes Gallicus/Johann Wale ein Hildesheimer Domherr gleichen Namens als Urheber der Wandmalereien im Dom zu sehen sei143). Die Diskussion über die Person des Johannes Gallicus kann nach dem Stand der neueren Forschung als abgeschlossen gelten144). Noch offen ist jedoch die Frage nach dem Verfasser und der Deutung der Inschrift.

Karl Steinacker legte einen Zettelkatalog mit allen Informationen an, die Braunschweiger Häuser und Hausinschriften betrafen. Diese nicht paginierte Sammlung, die in diesem Band als ‚Steinacker, Katalog‘ zitiert wird, befindet sich jetzt im Institut für Denkmalpflege, Hannover. Auch Rudolf Fricke behandelte das Thema Häuser und Hausinschriften in mehreren Publikationen. Er hat besonders nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs versucht, die Verluste zu dokumentieren und die noch verbliebenen Häuser in ihrer baugeschichtlichen Substanz zu erklären145).

Ein grundlegender Beitrag zur Sammlung und Erforschung der Braunschweiger Inschriften kam von Dietrich Mack, der 1952 erste Ergebnisse seiner 1945 begonnenen Inschriftensammlung vorlegte146). Schließlich ist noch die 1967 bei der Umsetzung und Restaurierung des Marienaltars im Dom gefundene und von Hans-Herbert Möller publizierte Inschrift auf einer in der Mittelsäule des Altars geborgenen Reliquienpyxis zu nennen (Nr. 19)147). An diese Inschrift knüpfte sich in den folgenden Jahren die noch nicht abgeschlossene Diskussion um die Widmung und Datierung des Evangeliars Heinrichs des Löwen.

3.1.1 Hausinschriften

Vor allem bei den Hausinschriften überwiegt die kopiale Überlieferung. Von insgesamt 199 Hausinschriften sind 175 nicht mehr vorhanden, neun befinden sich noch an Braunschweiger Häusern, jedoch nicht alle am ursprünglichen Standort. 15 Schwellbalken mit mittelalterlichen Inschriften waren schon im 19. Jahrhundert beim Abriß alter Häuser ins Städtische Museum gelangt und befinden sich heute an den Wänden des Ausstellungsraums oder lagern im Magazin. Denn schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg mit der nachfolgenden ‚Sanierung‘ der Wohnviertel wurden im 18. und 19. Jahrhundert Fachwerkbauten abgerissen, umgebaut oder durch Verschalung oder Verputz substantiell verändert. Von der genannten Zahl von 199 mittelalterlichen Hausinschriften waren 18 bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts abgerissen oder verbaut; im 19. Jahrhundert wurden weitere 35 Hausinschriften [Druckseite XLI] vernichtet. 80 Häuser z. T. mit den heute im Städtischen Museum verwahrten Hausinschriften auf erhaltenen Schwellbalken, deren Inschriften zwischen etwa 1860 und 1900 gesammelt wurden, werden zumeist Ende des 19. Jahrhunderts zerstört worden sein. 48 der hier verzeichneten Hausinschriften vernichteten die Bombenangriffe 1944. Um das ganze Ausmaß der Zerstörung einer geschlossenen Fachwerkbebauung des 15.-17. Jahrhunderts sichtbar zu machen, sind auch diejenigen Hausinschriften aufgenommen worden, die nur ein Datum enthielten. Diese Daten sind nicht, wie sonst in den Bänden der DI, in Listen zusammengefaßt worden, sondern stehen als Kurzartikel in der chronologischen Folge, damit der Standort der Inschrift erfaßt und eine topographische Einordnung möglich ist. Zusätzlich sind in der Kopfzeile die im 18. Jahrhundert eingeführten Assekuranznummern dem jeweiligen Straßennamen beigefügt worden. Dadurch können Häuser und Grundstücke auch auf älteren Stadtplänen identifiziert werden.

Baugeschichte und Konstruktionsformen des Braunschweiger Fachwerkhauses sind von Rudolf Fricke in dem Band ‚Das Bürgerhaus in Braunschweig‘ ausführlich dargestellt worden148). Demzufolge waren die frühen gotischen Steinbauten, auch wenn sie mit Geschossen oder Nebengebäuden aus Holz ausgeführt oder verbunden waren, ohne Inschriften. Erst der im 15. Jahrhundert festgelegte Bautyp des traufenständigen, mit einem oder zwei Geschossen zur Straße überhängenden Fachwerkbaus mit Ankerbalkengefüge149) ermöglichte schmückendes Schnitzwerk an Balkenköpfen, Knaggen und Schwellen. Die Überhangschwelle des ersten Geschosses trägt dementsprechend seit dem frühen 15. Jahrhundert oft das Datum der Erbauung. Vor 1400 ist keine Hausinschrift bekannt150). Die früheste, nur kopial überlieferte Datierung dieser Art stammt aus dem Jahr 1407 (Nr. 81); das früheste erhaltene Beispiel ist das Gebäude Ackerhof 2 von 1432 (Nr. 104). Als vorherrschende Schmuckform tritt in Braunschweig etwa zwischen 1460 und 1530 der in die Schwellen der ersten und zweiten Geschosse geschnitzte Treppenfries auf, der möglicherweise dem Maßwerk der Steinbauten entlehnt war und die Spanne zwischen den Balkenköpfen ausfüllte (ältestes Beispiel: Nr. 153). Die Inschriften waren aus den Balkenköpfen plastisch herausgeschnitzt und farbig hervorgehoben (Nr. 233, 248). Oft war das Rechteck des Balkenkopfes zusätzlich eingetieft oder mit einem farbigen Rahmen betont (Nr. 178, 190). Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurden die vorher eher ornamentalen Ausschmückungen der Treppenfriese durch figürliche Darstellungen, zumeist symbolhafte, apotropäische oder groteske Kopffiguren ergänzt151). Dadurch fügten sich die vorher auf das Format des Balkenkopfes beschränkten Inschriftenteile freier in die Figurenreihen ein (vgl. Nr. 312, 343). Im 16. Jahrhundert traten die Inschriftenteile auch abgelöst von den Balkenköpfen auf; sie wurden gelegentlich als mehrzeilige Datierung in oder unter einen Treppenfries gesetzt oder verliefen frei als Teil eines Ornamentfrieses über die Mitte der Schwelle (vgl. Nr. 350, 352, 361, 363). Die Treppenfriese wurden nun als Rahmen für religiöse, allegorische oder volkstümliche Bildreihen und fortlaufende Darstellungen genutzt, wobei die Schnitzer den einschränkenden Treppenrahmen oft spielerisch zu überschreiten versuchten152). Nach 1520 tritt neben dem Treppenfries auch der streng und gradlinig wirkende Trapezfries auf, unter dem sich Inschriften großflächiger und dadurch sinnvoller zusammengefügt unterbringen ließen (vgl. Nr. 382, 390, 395). Als Fassadenschmuck müssen schließlich die vielfach als Knaggen- oder Eckständerfiguren das Haus beschützenden Heiligenskulpturen genannt werden, die in einigen Fällen Bezüge zu den Datierungen aufweisen. So wurde gelegentlich der Heilige des Fertigstellungstages dargestellt (vgl. Nr. 168). Am häufigsten war die Darstellung des Pfarrheiligen, also des hl. Andreas in der Neustadt, Martin und Ulrich in der Altstadt, Maria und Ägidius in der Altewiek. Seltener war in vorreformatorischer Zeit der Bezug von weltlichen, schmückenden oder symbolhaften Figuren zur Hausinschrift. Drei solcher Fälle sind bekannt. An der aus dem Rahmen der Braunschweiger Inschriften des 15. Jahrhunderts herausfallenden sog. Ghellerburg von 1435 spricht der Kopf eines Narren, mit direkter Ansprache an den Betrachter (du droch, ‚du Schalk‘), den Text der Inschrift aus (Nr. 111). Die Figur eines Stellmachers, der ein Rad mit einem Beil bearbeitet, erscheint am Ende einer um 1500 mehrfach verwendeten Formel für die vergebliche Mühe der Handwerksarbeit (Nr. 377). Als Spottvers ist der Spruch eines Affen am Huneborstelschen Haus (Nr. 409) aufzufassen; auch hier wird der Betrachter angeredet. Die Positionierung dieser Inschrift auf den Füllbrettern des Speicherobergeschosses ist untypisch; im Zeitraum vor 1528 wurden sonst nur in drei Fällen Hausinschriften in Portalzwickeln (Nr. 203), über dem Einfahrtstor (Nr. 204) oder dem Türsturz (Nr. 267) angebracht. Auch in der nachreformatorischen Zeit, [Druckseite XLII] als die größeren Häuser ein- oder zweigeschossige Steinunterbauten erhielten, auf die ein zweites oder drittes Geschoß in Fachwerkbauweise aufgesetzt war, blieben die Schwellbalken die traditionell bevorzugten Anbringungsorte für Hausinschriften.

3.1.2 Bauinschriften

Inschriften an Kirchen und städtischen Bauwerken finden sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts, erscheinen also früher als die Hausinschriften. Von den 40 in diesem Band verzeichneten Inschriften dieser Art sind nur noch zwölf am originalen Standort vorhanden. Bauinschriften waren öffentliche Kundgebungen kirchlicher oder städtischer Bautätigkeit und darum in der Regel an gut sichtbarer Stelle angebracht. An den Kirchen markierten sie, oft in Verbindung mit einer beigegebenen Heiligenfigur, die einzelnen Bauphasen der betreffenden Gebäude, ebenso an städtischen Rathäusern neben oder unter dem Stadtwappen. Meist befanden sie sich außen an den Gebäuden (Nr. 123, 130, 138, 196, 217, 224, 225, 288, 306), nur in drei Fällen war bzw. ist die Inschrift im Innern einer Kirche angebracht (Nr. 89, 112, 166), im Innenhof des ehemaligen Neustadtrathauses auch in Verbindung mit dem Stadtwappen als Supraporte über einem Durchgang (Nr. 94 [B]). Die Inschriften beschränkten sich zumeist auf die Angabe des Datums und konnten deshalb einzeilig in den Stein gehauen werden. Seltener finden sich mehrzeilige Inschriftentafeln (Nr. 141, 142, 188).

Anhand der Bauinschriften läßt sich besonders der planmäßige Ausbau der Stadtbefestigung und der Tore im 15. Jahrhundert verfolgen153). Nachdem schon 1435 der Stadtgraben am Michaelistor mit einer steinernen Brücke versehen worden war (Nr. 110), wurde 1460 der Turm der Bammelsburg, einer Befestigung zwischen Neustadt- und Wendentor, zusammen mit einem Teil des Stadtgrabens neu errichtet (Nr. 142). 1467 ist der Stadtgraben mit den Zuflüssen aus den Gossen der Stadt am Hohentor aufgemauert worden (Nr. 158), 1472 war das äußere Tor fertiggestellt (Nr. 188). Das Baudatum 1476 oberhalb einer Skulptur der hl. Katharina bezeugt den Ausbau des inneren Wendentors im Hagen (Nr. 198). 1483 folgte der innere Torturm mit einer weitläufigen Zwingeranlage am Fallersleber Tor (Nr. 220). Als letzte Ausbauten der inneren Toranlagen wurden 1492 das Magnitor (Nr. 255) und 1493 das Ägidientor (Nr. 258) fertiggestellt. Der Rat ließ also innerhalb etwa eines halben Jahrhunderts, ausgehend vom Michaelistor im Südwesten bis zum südöstlichen Ägidientor, nacheinander sämtliche äußeren Tore mit den inneren Toranlagen und Zwingern neu ausbauen, wobei auch das Wasser- und Grabensystem der Stadt erneuert wurde (vgl. z.B. Nr. 141).

Von der Gruppe der kurzen, städtischen Baudaten sind drei Inschriften anderen Typs mit längeren Texten zu unterscheiden. Es sind dies zum einen die Weiheinschrift der Laurentiuskapelle über dem südlichen Domportal von 1346 (Nr. 33) und die Weiheinschrift mit nebenstehender Votivtafel von 1379 am Nordportal der Michaeliskirche (Nr. 57). Ganz außergewöhnlich ist zum anderen die in einer Brandmauer zwischen zwei Häusern angebrachte Tafel mit Inschrift (Nr. 189), die die Eigentumsverhältnisse zwischen den beiden Nachbarn rechtlich regelte. Sie ist die einzige überlieferte private Bauinschrift an einem Bürgerhaus und ist aufgrund des Inhalts, des Inschriftenträgers (Kupferplatte) und des Anbringungsortes (Brandmauer) nicht unter die Hausinschriften herkömmlicher Art zu zählen.

3.1.3 Grabplatten, Epitaphien, Totenschilde, Andachtsbilder

In diesem Abschnitt werden insgesamt 38 Objekte des Totengedächtnisses154) zusammenfassend behandelt, auch wenn zwischen den einzelnen Stücken kaum Zusammenhänge genealogischer Abfolge, bestimmter Sepulchraltypologie oder auch nur der Begräbnisorte festgestellt werden können. Die 21 kopial überlieferten Grabdenkmäler von um 1300 bis 1524 sind zufällig im 18. und 19. Jahrhundert aufgezeichnet worden. Auch die 16 erhaltenen Grabplatten, Epitaphien und Andachtsbilder erlauben es nicht, Bezüge zur nachmittelalterlichen Begräbnistradition herzustellen. Von den jeweils acht bekannten mittelalterlichen Grabmälern in den Klöstern St. Ägidien und Brüdern sind in den heute restaurierten Klosteranlagen und -kirchen noch fünf bzw. vier verschiedenartige Totengedächtnismale erhalten (Ägi-[Druckseite XLIII]-dien: Nr. 28, 49, 76, 95, 289; Brüdern: Nr. 46, 52, 53, 62). In St. Magni befinden sich noch drei (Nr. 70, 127, 163), im Dom zwei (Nr. 34, 193), in der Petri- (Nr. 56) und Katharinenkirche (Nr. 67) noch je ein mittelalterliches Grabdenkmal. Die Ursache für die geringe Erhaltung mittelalterlicher Grabplatten ist sicherlich in einer grundsätzlich wenig konservatorischen Haltung in Braunschweig zu sehen. Schon im 14. Jahrhundert wurden Grabplatten zweckentfremdet (Nr. 48) oder eine Zweitverwendung der Vorder- (Nr. 221) oder Rückseite (Nr. 70) vorgenommen. Die Grabplatte eines Stiftsherren aus dem 14. Jahrhundert (Nr. 60) wurde im 18. Jahrhundert verbaut im Kamin der Kapitelstube wiedergefunden, jedoch nicht konserviert, sondern als Trittstein vor einem Wohnhaus am Domfriedhof benutzt. Ähnlich wurden zwei als Baumaterial verwendete Frauengrabsteine vom Ende des 14. Jahrhunderts (Nr. 62, 67) erst im 18. Jahrhundert mit z.T. beträchtlichen Beschädigungen wiedergefunden. Über die wenigen, meist in Zeichnungen im Stadtarchiv kopial überlieferten Grabplatten und Epitaphien kann dennoch ein gewisser Überblick gegeben werden. Demnach waren im 14. und bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts neben der hochrechteckigen Form achteckige Grabplatten mit stumpfwinkligen Abschlußkanten gebräuchlich (Nr. 28, 34, 40, 46, 78, 107); die Inschriften waren in den Stein eingehauen, Wappen und figürliche Darstellungen eingeritzt. Meist begann die Inschrift mit einem Kreuz im rechten oder linken oberen Winkel und verlief im Uhrzeigersinn zwischen zwei Linien. Im Mittelfeld befand sich ein Wappen (vgl. Nr. 46, 78), bei Klerikergrabsteinen auch eine ganzfigürliche Darstellung mit Kelch und Patene (z.B. Nr. 107). Eine abweichende Form zeigt der einzige erhaltene mittelalterliche Grabstein im Dom aus dem Jahr 1349. Die oben trapezförmig abgestumpfte Platte ist mit einem senkrecht durch das Mittelfeld verlaufenden Schriftband versehen (Nr. 34, Abb. 27). Möglicherweise hat diese ungewöhnliche, aber durch die sehr sorgfältige Ausführung der gotischen Majuskel dekorativ wirkende Gestaltung die Erhaltung des Stücks begünstigt. Drei kopial überlieferte, hölzerne Totenschilde waren mit dem Wappen des Verstorbenen im Mittelfeld und darüber gesetzter oder umlaufender Inschrift versehen (Nr. 92, 93, 256).

Mehrere Grabplatten und Epitaphien des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts zeigen Domherren und Pfarrer als Ganz- oder Halbfigur, abgebildet in priesterlicher Kleidung mit Kelch und Segensgestus (Nr. 50, 56, 60, 61, 107). Von besonderer Qualität waren dabei die drei Messingplatten von 1369 (Nr. 50, als Abzeichnung überliefert), 1376 (Nr. 56, St. Petri) und 1446 (Nr. 121, als Abzeichnung überliefert), die die Details der priesterlichen Kleidung, der Insignien und des durch Maßwerk gegliederten Hintergrundes aus dem Metall wesentlich dekorativer herausarbeiten konnten als die Ritzzeichnungen in Stein. Überragend in figürlicher Zeichnung wie plastischer Wirkung ist die erhaltene steinerne Grabplatte des Rektors der Ägidienschule, Heinrich von Graslege (Nr. 49), deren umlaufende Inschrift dem Betrachter eine Rechenaufgabe stellt. Erhalten sind ferner vier Frauengrabmäler: zwei Epitaphien von 1372 und 1373 (Nr. 52, 53) mit dem Kruzifixus mit Maria und Johannes im Mittelfeld und umlaufender Inschrift sowie zwei Grabplatten (Nr. 62, 67), die eine von um 1400 mit schlichter Ganzfigur, die zweite wohl von 1398 mit einer in der Mode der Zeit gekleideten Halbfigur unter einem krabbengeschmückten gotischen Kielbogen.

Die figürlichen Darstellungen der Grabmäler wandelten sich im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts. Nicht nur auf den bürgerlichen Epitaphien wurden seit etwa 1400 in Braunschweig die Stifter und ihre Familien unterhalb der religiösen Darstellung des nun zumeist als Halbrelief ausgearbeiteten Bildsteins kniend abgebildet (Nr. 58, 76, 127), auch die Priester waren kniend, mit erhobenem Kelch in den Rahmen des oft in Übergröße als öffentliches Andachtsbild aufgestellten Epitaphs einbezogen155).

Im Jahr 1392 gestattete Bischof Gerhard von Hildesheim dem Priester an St. Ulrici, Johann von Adenstedt, daß ein viereckiger Stein, ähnlich den Grabsteinen auf dem Friedhof, in quo arma domini nostri Ihesu Christi sunt sculpta, an der Mauer der Kirche aufgestellt würde, und gewährte allen, die zu Ehren des heiligen Leidens fünf Vaterunser und fünf Ave Maria beteten, einen Ablaß von 40 Tagen156). Dieses Andachtsbild von St. Ulrici ist nicht erhalten, möglicherweise ging es beim Abbruch der Kirche 1544 verloren. Bei oder in Braunschweiger Kirchen sind noch fünf solcher Darstellungen des Leidens Christi erhalten (Nr. 127, 163, 193, 212, 289). Zwei stilistisch zusammengehörende Halbreliefs des kreuztragenden Christus am Dom und an St. Magni entsprechen sich auch in den Entste-[Druckseite XLIV]-hungsdaten 1468 und 1472 (Nr. 163, 193). Das gleiche Motiv zeigt auch der Bildstein der St. Leonhardskapelle von 1482 (Nr. 212) und eine kleine Reliefplatte ohne Datum und Inschrift im Klosterhof von St. Ägidien (Braunschweigisches Landesmuseum). Ein kleineres Priesterepitaph zeigt Christus als Schmerzensmann mit den Leidenswerkzeugen (Nr. 289), ein sehr ähnliches, gleich großes Epitaph befand sich im Innenraum derselben Kirche (Nr. 96). Auf dem Friedhof von St. Ägidien stand ein 1508 datiertes Relief mit einer Kreuzigung (Nr. 332), das durch die Inschrift als Votivbild ausgewiesen ist. Den Kruzifixus zeigen auch das zum Epitaph der Familie Ruschenberg gehörende Relief (Nr. 127) aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, heute im Innenraum von St. Magni, sowie ein in einer Zeichnung überliefertes Andachtsbild mit Versinschrift von etwa 1521 (Nr. 376). Möglicherweise gehört in diesen Umkreis auch schon das Epitaph der Familie Sallunemeker um 1400, das eine Pietä zeigte (Nr. 58), und ein undatiertes Relief ohne Inschrift mit Geißelung und Dornenkrönung Christi im Städtischen Museum.

Diese acht (oder möglicherweise zehn) teils erhaltenen, teils kopial überlieferten Bildsteine des 15. und 16. Jahrhunderts, die das Leiden Christi zeigen, sind bei offensichtlicher Übereinstimmung der ikonographischen Motive inschriftlich sehr unterschiedlich einzuordnen. Sie sind in der Mehrzahl Epitaphien für den oder die Stifter, indem sie deren Namen, Todesdatum und eine Fürbitteformel enthalten. Ist nur die Fürbitteformel gegeben, kann der Bildstein auch als Votivbild gelten157). Besteht die Inschrift nur aus einem religiösen Spruch, einem Bibelzitat oder einer Jahreszahl, so ist der Hinweis auf ein Andachtsbild gegeben, wie es schon 1392 in der Urkunde Bischof Gerhards beschrieben wurde.

3.1.4 Glockeninschriften

Die mittelalterlichen Glocken Braunschweigs waren den herkömmlichen Gefahren durch Bersten, Absturz oder Kirchturmbrand nach Blitzschlag158) ausgesetzt. Von den 23 in diesem Band verzeichneten Glocken wurden vier im 18. und 19. Jahrhundert zerstört, eine Glocke der Katharinenkirche fiel dem Bombenangriff von 1944 zum Opfer. Die älteste erhaltene Glocke, möglicherweise noch aus dem 13. Jahrhundert, befindet sich im Glockenhaus der Martinikirche (Nr. 27). Von hoher Qualität in Guß und dekorativer Gestaltung der Inschrift ist die Magnusglocke von 1335 (Nr. 30). Zwei Glocken aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts (Nr. 80, 82) sind von so ähnlicher Gußform, daß der Meister Sifridt, der sich (in Nr. 80) inschriftlich nennt, als Urheber beider Stücke angesehen worden ist159). Drei Glocken von 1487, 1498 und 1512 (Nr. 225, 266 und 347) stammen bzw. stammten aus der über mehrere Generationen in Braunschweig tätigen Glockengießerfamilie Menten. Die Michaelisglocke von 1489 (Nr. 237) wurde von dem mehrfach als Gießer in Braunschweig nachgewiesenen Hans Beddinck angefertigt. Für die Erneuerung des Geläuts von St. Blasii in den Jahren 1502 und 1506 wurden jedoch zwei Glockengießer von auswärts berufen. Im Sommer 1502 goß Gerdt Wou aus Kampen die drei großen Glocken des Doms, die die Namen der Stiftspatrozinien tragen: die Glocken Blasius oder Salvator, Johannes und Maria (Nr. 308-310). Im Jahr 1506 goß Heinrich von Kampen, ein norddeutscher Glockengießer aus Wous Werkstatt, sieben kleinere Domglocken160). Die Gabrielglocke (Nr. 326) stürzte 1660 herab und wurde im Jahr 1700 neu gegossen. Insgesamt war das Ensemble des Domgeläuts immer von solch eindrucksvoller Klangfülle, daß es gelang, die Glocken sowohl in der napoleonischen Zeit, als Braunschweig zum Königreich Westfalen gehörte, wie auch während beider Weltkriege vor dem Einschmelzen zu bewahren. Sie waren während des Zweiten Weltkriegs zum größten Teil herabgenommen und ausgelagert worden und wurden dadurch vor Schäden bewahrt. 1947 kamen die Glocken nach Braunschweig zurück und wurden in das wiederhergestellte Glockenhaus gebracht.

3.1.5 Kirchliche Ausstattungsstücke und Wandmalereien

Anders als der oben behandelte Welfenschatz, der in landesherrlichem Besitz weitgehend bewahrt blieb, wurde das Inventar der Stadtkirchen in der nachreformatorischen Zeit entfernt oder dem Verfall und der nachfolgenden Vernichtung preisgegeben. Aber auch viele der Anfang und Mitte des 18. Jahrhunderts noch vorhandenen sakralen Gegenstände fehlten bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts161).

[Druckseite XLV] Besonders beklagt wurde der Verlust des großen Triumphkreuzes Heinrichs des Löwen aus dem Dom. Das aus zahlreichen Figuren bestehende, das Chorjoch ausfüllende Kunstwerk, dessen Beschreibung an das im Dom zu Halberstadt überlieferte Triumphkreuz erinnert, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts buchstäblich verheizt. Erhalten blieb dagegen das sog. Imervardkreuz mit einer Fertigungsinschrift (Nr. 21). Verloren gingen weiterhin vor allem Reliquiare und Monstranzen, die keine gottesdienstliche Funktion mehr hatten. Neben einigen Ziborien des 13. und 14. Jahrhunderts ohne Inschriften befindet sich ein kleiner Tragaltar der Michaeliskirche aus der Zeit um 1160 im Städtischen Museum (Nr. 13). Ferner sind noch fünf spätmittelalterliche Kelche vorhanden, dazu acht weitere aus kopialer Überlieferung bekannt, jedoch mit Ausnahme der sog. Bernwardspatene (Nr. 20) keine Patenen.

Von zwei bemerkenswerten Bronzetaufen des in Hildesheim und Braunschweig tätigen Gießers Bertold Sprangke ist diejenige von St. Martini auf 1441 datiert (Nr. 119), womit auch die Entstehungszeit des nicht inschriftlich bezeichneten Parallelstücks in St. Ulrici-Brüdern um 1440 angesetzt werden kann162). Das Taufbecken von 1468 in St. Magni (Nr. 162) ist unterschiedlich in der Form und wesentlich schlichter ohne jeden Figurenschmuck gegossen.

Nur eine der zahlreich überlieferten Schrifttafeln des Doms ist noch vorhanden (Nr. 72, um 1400). Zu ihrer Erhaltung mögen das kleine Format und ihr reizvolles Thema beigetragen haben; dargestellt sind der Erbauer der Stiftskirche, Heinrich der Löwe, sein Sohn Kaiser Otto IV. und ihre Gemahlinnen in charakteristischen, aus spätmittelalterlicher Dichtung und Chronistik bekannten Szenen.

Von übereinstimmender Thematik sind zwei Tafelaltäre des sog. Meisters der Braunschweiger Sippentafeln163). Ein dritter Altar mit Inschrift ist kopial überliefert (Nr. 285). Es handelt sich jeweils um Sippenaltäre; das kleinere Klappaltärchen (Nr. 299) war im Mittelschrein mit einer (wohl nachträglich eingestellten) Skulptur der Gottesmutter mit Kind versehen. Die Lokalisierung des Meisters bzw. der Werkstatt ist durch die Darstellung der in Braunschweig besonders verehrten Hll. Cyriacus und Auctor auf den Außenseiten der Flügel des Altars von um 1510 (Nr. 341) begründet. Durch die Inschrift des von dem Braunschweiger Meister Konrad Borgentrik 1483 geschaffenen Schnitzaltars (Nr. 215) ist Braunschweig als Herstellungsort dieses Stücks bezeugt, der mittelalterliche Aufstellungsort ist jedoch unbekannt.

Von einem unbekannten Meister, dem kein weiteres Werk zugewiesen werden kann, stammt der große, stilistisch im Braunschweiger Raum einzigartige Domaltar im Herzog Anton Ulrich-Museum (Nr. 327). Wegen seiner großen Mitteltafel mit der Darstellung des ‚Ecce homo‘ wird er auch als Passionsaltar bezeichnet. Neben einigen stilistischen Merkmalen könnte das Thema der mystischen Einhornjagd auf den beiden äußeren Flügeln des Altars auf eine Beziehung zum thüringisch-mitteldeutschen Raum hinweisen164). Das zeitweilig angezweifelte Entstehungsdatum 1506, das sich in der nicht erhaltenen Kamminschrift über dem Altar befand, wird in diesem Band wieder aufgenommen, da es von zwei Autoren überliefert ist.

Die 1845 im Braunschweiger Dom entdeckten und nachfolgend restaurierten Wandmalereien aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts enthalten den umfangreichsten Inschriftenkomplex des vorliegenden Bandes. Da viele Schriftbänder heute verblichen sind oder bei der letzten Restaurierung nicht wieder beschriftet wurden, richtet sich die Wiedergabe der Inschriften z.T. nach den von Heinrich Brandes, dem ersten Restaurator, 1863 veröffentlichten Aufzeichnungen165). Die Inschriften in den Wandmalereien werden also teilweise wie kopiale Überlieferung behandelt, auch dort, wo sie heute noch lesbar sind, z.B. in der Vierung und an den Pfeilern. Es wird damit auf die frühesten Vorlagen zurückgegangen, nach denen sich auch alle folgenden Restauratoren gerichtet haben. Dadurch sollte ein großer Lesartenapparat, der ohnehin lediglich die aus den Restaurierungen hervorgegangenen Textvarianten dokumentiert hätte, zugunsten einer besseren Übersicht über die textliche Ausgestaltung der Malereien vermieden werden. Da das oben genannte Werk von Brandes nur in sehr kleiner Auflage gedruckt wurde und heute nur über wenige Bibliotheken zugänglich ist, sollten die Inschriften der mittelalterlichen Wandmalereien für diesen Band übersichtlich und nachvollziehbar dargestellt werden.

4. Sprachliche Form und Thematik der Inschriften

In seiner Untersuchung der mittelalterlichen Inschriften Braunschweigs von 1952 hat Dietrich Mack die Jahre 1430-1479 als eine Epoche der niederdeutschen städtischen Bauinschriften bezeichnet165). Die bewußte Verwendung der Volkssprache kann schon früher festgestellt werden. Die Weiheinschrift von 1379 und die nebenstehende Votivinschrift des Stifterbildes vor dem Nordportal der Michaeliskirche (Nr. 57) sind als erste deutschsprachige Inschriften aus der Sonderstellung dieser Kirche vor den anderen Braunschweiger Kirchen zu erklären. Die Michaeliskirche war eine bürgerliche Gründung, das Patronat lag bis zur Reformation in den Händen der Gemeinde, die sich aus Kleinhandwerkern und Ackerbürgern zusammensetzte. Ähnlich war die Ausgangslage bei den nächstfolgend erhaltenen niederdeutschen Inschriften vor dem westlichen Portal der Brüdernkirche (Nr. 59), den Siegesinschriften der Herzöge und der Stadt Braunschweig 1388-1422. War die erste Meldung dieser Art 1367 noch auf einem Grabstein auf dem Friedhof der Franziskaner in lateinischer Sprache kundgetan worden (Nr. 48), so wurden die folgenden Inschriften ab 1388 nun sicht- und lesbar vor der Kirchentür in niederdeutscher Sprache eingehauen. Die Gläubigen, die die Kirche der Franziskaner besuchten, wurden als lese-, jedoch nicht als lateinkundig eingeschätzt. Auch von den Klosterfrauen des Kreuzklosters ist nur ein früher, aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammender Wandteppich mit religiösem Thema (Nr. 35) mit lateinischen Inschriften bestickt worden. Die Teppiche aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Nr. 65, 66) wie auch ein dem Kloster um 1400 gestifteter Kelch (Nr. 73) tragen niederdeutsche Inschriften. Die öffentlich-städtischen Inschriften in niederdeutscher Sprache setzen 1408 mit den Sprüchen der Propheten auf dem Altstadtbrunnen ein (Nr. 83). Die tatkräftige städtische Bautätigkeit dokumentierte sich bis etwa 1493 besonders an der Stadtbefestigung, aber auch an öffentlichen Gebäuden ausschließlich in niederdeutscher Sprache166). Dietrich Mack interpretiert dies wohl zutreffend als Ausdruck städtischen Selbstbewußtseins167). In dieses selbstbewußte Vorzeigen niederdeutscher Umgangssprache paßt auch die einzigartige Hausinschrift der sog. Gellerburg von 1435 (Nr. 11). Die Hausinschriften hielten sich bis zur Reformation in den traditionellen Formen der zumeist lateinischen Datierung. Die Grabinschriften sind bis auf eine Ausnahme um 1400 (Nr. 58) bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in lateinischer Sprache abgefaßt, sie weichen kaum einmal vom seit 1349 (vgl. Nr. 34) vorgegebenen Formular ab. Noch stärker in die traditionellen Formen eingebunden sind die Glockeninschriften. Der früheste schlichte niederdeutsche Reimvers auf einer Glocke findet sich erst 1512 (Nr. 347). Die relativ kurze Phase niederdeutscher Sprache in den städtischen Bauinschriften sieht Mack im Aufkommen des römischen Rechts seit etwa 1480 begründet. Die gebildeten Juristen in der städtischen Verwaltung waren bestrebt, die humanistischen Formen gelehrten Lateins durchzusetzen (vgl. Nr. 355). Die Verwendung niederdeutscher Neid- oder Spottabwehrsprüche bei den Hausinschriften, die sich um 1500 anbahnt, wurde ab 1530 unterbrochen von reformatorisch geprägten Sprüchen und Bibelzitaten. Noch bevor sich ein charakteristischer eigenständiger Inschrifttypus nichtreligiösen Inhalts ausgebildet hatte, verschwand die niederdeutsche Reiminschrift nichtreligiöser Thematik nach der Reformation bis 1640 wieder aus dem Stadtbild168).

4.1 Haus- und Bauinschriften - Datum und erweitertes Datum

Die frühen Formen beider Inschriftentypen bestehen zunächst meist nur aus einem Datum oder einem textlich erweiterten Datum. Da die städtischen Bauinschriften in Braunschweig zeitlich etwas früher einsetzen als die erst nach 1400 erscheinenden ersten Hausinschriften, kann man von einer Vorbildfunktion der Bauinschrift für die Hausinschrift ausgehen. Ab 1447 werden die Bauinschriften ausführlicher. Sie nennen neben dem Datum auch den Gegenstand der Bautätigkeit (dusse kor Nr. 123; dusse [Druckseite XLVII] stal Nr. 139; dusse piler Nr. 141; dusse toren Nr. 142). Die Sprache ist, wie auch bei anderen auf städtische Repräsentation bedachten Inschriften seit 1379 (Nr. 57), immer niederdeutsch. Demgegenüber bleiben die Hausinschriften bis auf eine Ausnahme (Nr. 111) bis über die Mitte des 15. Jahrhunderts auf hergebrachte und zumeist lateinische Formen der Datierung festgelegt.

Die baugeschichtlichen Bedingungen und die dekorative Funktion der Hausinschriften am norddeutschen Fachwerkbau ist bereits in DI 28 (Hameln) grundlegend erörtert worden168). Im Braunschweiger Inschriftenmaterial ist ein mehr als ein Jahrhundert dauernder Entwicklungszeitraum zwischen ersten Formen der Datierung und umfangreicheren Textinschriften auf den Schwellbalken festzustellen. Die Braunschweiger Hausinschriften sind bis zum Ende des 15. Jahrhunderts mit wenigen Ausnahmen Baudaten in variierenden Formen. Es wird vorausgesetzt, daß nach dem Vorbild der frühen Bau- und Weiheinschriften des 14. Jahrhunderts auch die Hausinschriften stets mit der vollständigen Datumsformel Anno domini einsetzen. Wo die Haus- oder Bauinschrift in der kopialen Überlieferung ohne diese Angabe erscheint, ist mit einer Vereinfachung der Schreibweise des Überlieferers eher zu rechnen als mit einer abkürzenden Schreibweise der mittelalterlichen Steinmetzen oder Zimmerleute. Denn diese waren es offenbar, die den Umfang der Inschrift nach der Zahl der Balkenköpfe oder der auf den Schwellbalken zu schnitzenden Treppen bestimmten. Oft mag auch die mehr oder weniger geeignete Qualität des Schwellholzes für die Anbringung der Inschrift entscheidend gewesen sein. Die Datierung wurde häufig auf die Ecke gesetzt, nicht etwa auf die Mitte des Schwellbalkens, sondern auch scheinbar achtlos seitlich in einen Laubstab gewunden oder wie beiläufig unter einen Treppenfries eingeschnitten169). Um den textlichen Rahmen vom einfachen Jahresdatum bis zu dem durch mehrere Textelemente erweiterten Haus- und Baudatum anschaulich zu machen, folgen acht Beispiele als Entwicklungsschema:

1. Anno domini m cccc xxxii170);

2. Anno domini m cccc vii jar171);

3. Anno domini m unde ivc xxxii jare172);

4. Anno domini m cccc lxix in die viti173);

5a. Anno domini m cccc xlvii in die sancti egidii completum est174);

5b. Anno domini m cccc liiii do wart dusse stal bvvet175);

6a. Anno domini m cccc lxvi in vigilia sancti iohannis baptiste completa est domus ista176);

6b. Anno domini m cccc lxvii viti edificata est domus ista amen iesus maria177);

7a. Anno domini m cccc lxxx iii hanc domum struxit hans von barbeke178);

7b. Anno domini m vc xiii buwede Herman Kemnade dut hueß179);

8. Anno Domini Millesimo Quingentesimo Decimo quarto Georgius Irrenberch brunoviensi rector huius ecclesie in Honorem divi Udalrici episcopi sanctorum conpatronorum cosme et Damiani hanc Domum fieri fecit180).

Wie die Jahreszahlen deutlich machen, werden sämtliche Formen der Baudatierung durch etwa 120 Jahre (1407-1526) - in Einzelbeispielen noch weiterreichend - verwendet. Die Hausinschrift diente, neben dem informativen Hinweis auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Baues, vor allem dekorativen Zwecken. Der Wortlaut und die Ausführung der Inschrift mußte sich nach der Größe und der Architektur des Hauses richten; wahrscheinlich spielte auch der Arbeitslohn der ausführenden Zimmerleute bei der Anbringung der Hausinschrift auf den Schwellbalken eine Rolle. Die häufig vorkommende Form Anno domini ... [Jahreszahl] ... jar (Beispiel 2.) ist sicher weniger dem Bedürfnis nach einer [Druckseite XLVIII] volkssprachlichen Übersetzung der lateinischen Datumsformel zuzuschreiben als dem dekorativen Zweck, daß vor und nach der Zahl jeweils ein Wort in Buchstaben folgen müsse. Ein zwischen die Jahrhundertzahl und die Jahreszahl gesetztes unn oder unde (Beispiel 3.) machte das Datum übersichtlicher und leichter lesbar und füllte außerdem noch einen Balkenkopf mehr. Die Datumsangabe war nach der Länge des Hauses beliebig zu erweitern. Einen anderen Sinn hatte die Angabe des Tagesheiligen im Datum (Beispiel 4.) Hier wurde doch wohl eine schützende Funktion durch den in der Inschrift genannten Heiligen erhofft. Aus der Nennung der Heiligentage in den Braunschweiger Hausinschriften ergibt sich zunächst, daß die Bausaison zwischen Ostern und spätestens Martini (11.11.) lag. Neben den Festen Ostern und Pfingsten sind besonders die Heiligentage Viti (15.6.) und Urbani (25.5.) als Bauabschlußdaten beliebt. Auch zum Fest oder der Vigilie Johannes d. T. (24.6.) wird das Haus bevorzugt eingeweiht. Ferner genannt werden die Heiligentage Jacobi (25.7.), Vincula Petri (1.8.), Laurentii (10.8.), Egidii (1.9.) und Michaelis (29.9.) Offenbar legte man es darauf an, den Bau an einem bestimmten Heiligentag abzuschließen. Der Abschluß des Baues wurde gewöhnlich mit der Wendung ... completum est (Beispiel 6a.) bestätigt. Noch bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts ist dies die auch in städtischen Bauinschriften gebräuchlichste Form. Bot der Schwellbalken einer längeren Bauinschrift Raum, so konnte es heißen ... completa est domus ista, seltener war edificata est domus ista (Beispiele 6a., 6b.) War nicht der Tagesheilige als Beschützer des Hauses in der Inschrift ausgewiesen, so konnten durch Anrufungsformeln auch Jesus, Maria und deren Mutter Anna diese Schutzfunktion übernehmen (Beispiele 6b.) Im späten 15. Jahrhundert nennen sich erstmals die Erbauer eines Hauses namentlich (Beispiele 7a., 7b.) Das Datum und das um den Tagesheiligen erweiterte Datum war traditionell in lateinischer Sprache gefaßt. Bei dieser Version der Hausinschrift kamen, anders als in den städtischen niederdeutschen Bauinschriften, deutsche Textteile nur vereinzelt vor (Beispiel 7b.) Die von Geistlichen erbauten oder renovierten Pfarrhäuser und Stiftskurien blieben bei der lateinischen Hausinschrift (Beispiel 8.)

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts treten erstmals arabische Jahreszahlen auf. Die erste ist 1469 über einem Portal als Bauinschrift des Braunschweiger Doms zu finden (Nr. 165). Als Haus- und Bauinschriften setzen sich die arabischen Zahlen jedoch nur sehr langsam durch. Eine veränderte Schreibung der römischen Zahlen ist zunächst einmal bei der Schreibung 1500 zu beobachten. Das Hintereinandersetzen von fünfmal C wird nun als mühsam zu schreiben und zu lesen und als ästhetisch wenig ansprechend empfunden. Nicht nur in Haus- und Bauinschriften, auch auf Glocken, Bronzetaufen und anderen Gegenständen setzt sich die Schreibweise vc durch.

Erst im Laufe der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheinen neben Datierung oder Hausinschrift auch Hausmarken und Wappen. Auch hier ist die Markierung der in städtischem Besitz befindlichen Häuser mit dem Löwenwappen möglicherweise beispielgebend für die Verwendung von bürgerlichen Hausmarken und Wappen gewesen. Gemessen an der Häufigkeit solcher bürgerlichen Repräsentation im späteren 16. und 17. Jahrhundert ist das Aufkommen in den Hausinschriften des 15. und vorreformatorischen 16. Jahrhunderts gering.

4.1.1 Hausinschriften, Spruchinschriften

Als Hausinschrift über die bloße Aussage des Datums hinaus kann bereits die in Beispiel 7. und 8. angeführte Nennung des Erbauers eines Hauses angesehen werden. Die früheste und zugleich bemerkenswerteste Hausinschrift dieses Typs befand sich bis 1944 an der sog. Gellerburg an der Alten Waage 2 (Nr. 111). Ein Narrenkopf am Beginn der Inschrift auf der linken Seite des Schwellbalkens spricht den Namen des Hausbesitzers und in zweideutiger Weise den politischen Bratengeruch an, der aus der gegenüberliegenden Ratsküche drang, in der der sog. Küchenrat tagte. An der Echtheit dieser ebenso frühen wie geistreichen Hausinschrift besteht kein Zweifel. Zwischen diesem ersten deutschen Reimspruch und den in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auftretenden Hausinschriften liegt eine Zeitspanne von 50 Jahren, in der Haussprüche nicht überliefert sind. Es ist die Frage, ob es sich hier um eine Überlieferungslücke handelt, die gerade die Häuser mit über das Datum hinausgehender Inschrift betrifft. Gleichlautende lateinische oder deutsche Sprüche deuten am Ende des 15. Jahrhunderts eher darauf hin, daß jetzt eine religiöse Thematik die Hausinschriften bestimmte. So wird 1488 (Nr. 233) und 1492 (Nr. 254) der mehrmals auf Glocken der Stadtkirchen verwendete Spruch O rex glorie christe veni cum pace nun auch als Hausinschrift verwendet. Als namentliche Anrufung an das Ende bzw. an den Anfang der Inschrift gestellt, erscheinen die Worte Jesus Maria bzw. Iohannes Jesus. Die religiöse Anrufung ist auch als Votivformel help got un sant maria (Nr. 394) / un sancta anna (Nr. 358) in den Hausspruch einbezogen. Ein volkstümlicher Reimspruch findet sich erstmals wieder 1509 auf der alten Apotheke der Hagenbrücke gegenüber dem Neustadtrathaus (Nr. 335). Er gehört sinngemäß zu der Gruppe der Spottabwehr-Sprüche, hier in der für Braunschweig frühest bekannten Form jedoch als [Druckseite XLIX] Frage gefaßt, ‚Wer kann es allen Leuten recht machen?‘181). Derselbe Spruch, nun in einer von 1509 leicht abweichenden Wortfolge, wird 1519 (Nr. 369) und 1520 (Nr. 374) an zwei Häusern fast gleichlautend wiederaufgenommen. Bis 1530 begegnet dieses Thema noch zweimal, nun aber eher in der Form des Neidspruchs182), danach tritt es erst um 1640 wieder hervor. Insgesamt viermal zwischen 1517 und 1526 folgt als Abschluß des Datums oder Reimspruches der Ausruf Och we kans geramen im Sinne von ‚Wer kann es erreichen‘ (Nr. 363, 369, 377, 400). Dieser abschließende Bestandteil der Inschrift, in einem der Beispiele auch in den Reim mit einbezogen, begegnet an drei Häusern ein- und derselben Straße der Altewiek (Auguststraße 10, 32, 33) sowie einmal an der nicht allzu weit davon entfernten Görderlingerstraße 19 in der Altstadt. Dietrich Mack wies auf das maßgebliche Vorbild des 1517 gebauten, später sog. Dannenbaumschen Hauses in der Auguststraße 33 (Nr. 363) hin183).

4.2 Grabinschriften

Die geringe Zahl der erhaltenen oder kopial überlieferten Grabinschriften aus der Zeit vor 1528 lassen nur eine begrenzte Übersicht in großen Linien zu. Auffällig ist zunächst das geringe Vorkommen von Versinschriften auf Grabplatten und Epitaphien183). Nur in zwei überlieferten Texten von 14(23) (Nr. 95) und 1512 (Nr. 348) ist die Inschrift in Hexametern bzw. Distichen gefaßt; auf zwei Grabplatten in niederdeutscher Sprache (Nr. 58, 259) endet die Grabschrift in einem Reimvers. Eine Bildtafel, ehemals im Braunschweiger Dom, die Heinrich den Löwen und Herzogin Mathilde, Kaiser Otto IV. und seine Gemahlin Beatrix zeigt (Nr. 72), mahnt in Distichen den Leser an Vergänglichkeit und Sterblichkeit. Die Tafel ist jedoch, da ihr jegliche Sterbedaten fehlen, eher als Grabcarmen anzusehen184), nicht als Epitaph.

Das Schema der überwiegend lateinischen Grab- und Epitaphientexte hält sich bis 1528 eng an den traditionellen Rahmen185): Sterbedatum - Name des Verstorbenen - Titel und Ämter - Grabbezeugung - Fürbitteformel. Die frühest erhaltene und für diesen Textaufbau maßgebende Grabplatte ist diejenige des Propstes Ludolf von Honlage von 1349 (Nr. 34), die heute im Dom an der Wand des südlichen Seitenschiffes aufgestellt ist.

Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts sind in mehreren Kirchen Braunschweigs sieben weitere Klerikergrabsteine verschiedenartiger Gestaltung, jedoch gleicher Textfolge überliefert (Nr. 40, 45, 49, 50, 56, 60, 61). Nur auf den Klerikergrabmälern wurden die geistlichen Würden, Stifts- und Pfarrämter bezeichnet. Auf den Grabmälern der Stadtbürger erscheinen solche Amtsbezeichnungen nicht. Es wird weder ein Adelstitel, noch ein städtisches Amt genannt, auch dort nicht, wo langjährige (Nr. 92) oder ausgezeichnete Verdienste (Nr. 256, 257) dies erwarten ließen. 1372 erscheint auf einem Frauengrabstein (Nr. 52) erstmals die Fürbitte requiescat in pace. Sie wird seitdem ohne Ausnahme verwendet, auch in der niederdeutschen Form des sele mote rawe(n) in dem frede godes amen (Nr. 259). Am Ende des 14. Jahrhunderts wird auch die Grabbezeugung üblich. Sie wird gewöhnlich in der Form hic sepultus bzw. hir lit begraven ausgedrückt. In Verse gefaßt, erscheint sie einmal als iacet hic tumulatus (Nr. 95); auf dem gemeinsamen Grab der Äbte von St. Ägidien (Nr. 121) ist die Form haec est sepultura gewählt. 1372 (Nr. 52) und 1373 (Nr. 53) wurden ein übergroßer und ein kleinerer Frauengrabstein hergestellt, in deren Innenfeld ein Kruzifix mit beistehenden Figuren eingeritzt war. Obwohl die Form und der Text der Steine derjenigen einer Grabplatte entsprechen, ist zu bezweifeln, daß sie - mit der Darstellung des Kruzifixus - den Boden deckten. Die heute im Kreuzgang der Brüdernkirche aufgestellten Grabsteine haben eher Epitaphcharakter. Ähnlich wurde ein als Pietà vor 1400 überliefertes steinernes Bild (Nr. 58) in die Friedhofsmauer der Brüdernkirche eingefügt. Es enthält den deutschen Text hir lit begraven, der es als Grabstein ausweist. An der Choraußenseite der Magnikirche war bis 1981 ein Relief des Gekreuzigten mit Beistandsfiguren und zwei Stiftern (Nr. 127) aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts eingemauert, unter dem sich ein kleinerer Inschriftstein befand, dessen Text ihn als Stifterepitaph ausweist. Er beginnt, anders als das oben angegebene Textschema, mit dem Verb obierunt, nennt erstmals namentlich die Stifter qui dederunt lapidem istum, [Druckseite L] danach folgt die Fürbitteformel. Diese Trennung zwischen dem inschriftlichen Epitaphstein und der zugehörigen bildlichen Darstellung, wie sie mit Nennung des Stifters bereits am Anfang des 15. Jahrhunderts begegnet, ist in unterschiedlichen Formen noch in zwei weiteren Beispielen überliefert. 1423 ist im Chor der Ägidienkirche eine Darstellung des Schmerzensmannes mit kniender Stifterfigur (Nr. 95) textlich als Grabbezeugung mit beigefügtem religiösem Spruch ausgewiesen, während eine an anderer Stelle in der Wand eingemauerte Steintafel Namen und Todesdatum überlieferte. Im anderen Fall ist auf zwei nebeneinanderstehenden Reliefsteinen (Nr. 375, 376) auf dem ehemaligen Friedhof des Marienspitals einmal der Stifter inschriftlich bezeugt und auf dem anderen Stein figürlich abgebildet. Die Figur wendet sich anbetend dem nebenstehenden Andachtsbild mit dem Gekreuzigten zu. Die darunter befindliche Inschrift bittet in zwei Hexametern um einen gottgefälligen Tod. In zwei anderen Fällen (Nr. 163, 332) sind Bildsteine durch die Inschriften als Andachts- bzw. Votivbilder ohne sepulchrale Zweckbestimmung ausgewiesen. Bei fast identischer Darstellung des kreuztragenden Christus auf zwei auch zeitlich nahestehenden großen Steinreliefs vor dem Dom (Nr. 193) und (ehemals) vor der Magnikirche (Nr. 163) haben beide durch ihre Inschriften doch einen unterschiedlichen Charakter. Während der Text des Domreliefs dieses als Epitaph für den Dompfarrer Ludolf Kerkhoff ausweist, trägt der Bildstein von St. Magni eine Umschrift nach einem im 15. Jahrhundert oft zitierten Text aus den Klageliedern des Jeremias (Ier. Lam. 1,12). Ein Hinweis auf eine Grabschrift ist nicht vorhanden. Die obengenannten Beispiele zeigen, daß Textformen und Gestaltung von Grabsteinen bzw. Grabplatten und Epitaphien keiner Regel unterworfen waren, daß es dem Stifter oder den Hinterbliebenen überlassen blieb, die geeignete Form von Grabschrift und Darstellung zu bestimmen. Bevorzugt wurden dabei seit dem frühen 15. Jahrhundert Bildnisse des leidenden Christus, die, möglichst an hervorragender Stelle angebracht, die Gläubigen zur Andacht bewegen sollten186). Durch die Inschriften bekamen die Bildsteine jedoch eine jeweils unterschiedliche Zweckbestimmung als Epitaph, Grabstein oder Andachts- bzw. Votivbild. Bei einigen Stifterdarstellungen ist die Votivformel miserere mei deus oder here dorch dyn bitter lydent bidde vor my auf einem Spruchband beigegeben (Nr. 95, 193). Hervorzuheben ist schließlich, daß vier der Grabmäler dieses Typus von bzw. für Priester gestiftet worden waren (Nr. 95, 193, 289, 376).

Neben der religiösen Gestaltung von Grabmal und Text erhielt sich in den Begräbnismalen des Bürgertums und Stadtadels durchgehend vom 14. bis ins 16. Jahrhundert die schlichte Form der nur mit dem Wappen und der Umschrift mit traditionellem Text gestalteten Grabplatte. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde das lateinische Grabformular zweimal in niederdeutsche Form gebracht, wich aber in dem einen Falle (Nr. 259) nicht von der herkömmlichen Wortfolge ab. Im anderen Fall ergänzten sich die Texte der nur bruchstückhaft überlieferten Grabschrift von 1493 (Nr. 257) und der Inschrift auf dem gleichzeitigen Totenschild (Nr. 256), indem auf diesem in einem Ausnahmefall auch die Todesart de geschoten wart angegeben wurde; als Nachsatz folgt die hier erstmals in Braunschweig nachgewiesene niederdeutsche Fürbitteformel dem Gott gnädig sy. Da insgesamt nur drei Totenschilde aus vorreformatorischer Zeit überliefert sind, lassen sich daraus keine Charakteristika der Textform erschließen.

4.3 Glockeninschriften

Die älteste erhaltene Glocke Braunschweigs, die möglicherweise noch aus dem 13. Jahrhundert stammt, ist die Drei-Königs-Glocke in der Martinikirche (Nr. 27). Sie trägt als Umschrift nur einen Hexameter, der die Gaben der Hll. Drei Könige nennt, jedoch keine Datierung. Undatiert ist sonst nur noch eine der erhaltenen Glocken Braunschweigs, die Glocke Blasius minimus (Nr. 270) im Dom, wohl aus dem 15. Jahrhundert, die wegen ihres fehlenden Datums im 19. Jahrhundert gelegentlich in die Zeit Heinrichs des Löwen datiert wurde. Eine andere frühe Glocke von 1335 (Nr. 30) ist in der Magnikirche erhalten. Unterhalb der beziehungsvoll auf den hl. Magnus gereimten Hexameter-Schulterinschrift ist das Datum eingeritzt. In der Folgezeit bis ins 16. Jahrhundert wird das Datum des Gusses immer am Anfang oder am Ende der einzeiligen Glockeninschriften eingefügt. 1467 ist erstmals eine Meisterinschrift (Nr. 80) gegeben, jedoch konnte der Glockengießer nicht nachgewiesen werden187). Dagegen stammt Hans Beddinck, der 1489 eine Glocke der Michaeliskirche (Nr. 237) signierte, aus einer der bekannten Glockengießerfamilien des Herzogtums Braunschweig188). 1416 wurde in Braunschweig erstmals der als [Druckseite LI] Glockengebet sehr verbreitete Spruch o rex glorie veni nobis cum pace auf einer Glocke der Magnikirche angebracht (Nr. 87). Er ist 1438 noch einmal als Glockenspruch überliefert (Nr. 114), danach erscheint er erst wieder auf zwei 1487 (Nr. 226) und 1498 (Nr. 266) von Heinrich Menten d. Ä. gegossenen Glocken. Man wird jedoch davon ausgehen können, daß es in Braunschweig wie andernorts zahlreiche Glocken mit dieser Inschrift gab189). Heinrich Menten d. J. setzte auf seine signierte und mit 1512 datierte Bernward-Glocke der Katharinenkirche (Nr. 347) einen niederdeutschen Reimvers, der die Widmung der Glocke an den hl. Bernward und den Namen des Gießers nannte. Es ist die erste bekannte deutsche Glockeninschrift in Braunschweig.

Gegenüber den gebräuchlichen Glockensprüchen der heimischen Glockengießer sind die in jeweils zwei Distichen gefaßten Inschriften auf den drei 1502 gegossenen Glocken (Nr. 308, 309, 310) Gerdt Wous aus Kampen von hohem Anspruch. Das erste Distichon nennt im Hexameter jeweils den Namen des Heiligen und der ihm geweihten Glocke sowie im Pentameter deren heilsame Eigenschaften. Im zweiten Distichon folgt zunächst das Datum, dann die Nennung des Meisters. Es ist bekannt, daß Gerdt Wou nicht nur auf die Gestaltung der stets einzeiligen und in der Buchstabenverteilung sehr ausgeglichen geformten Inschrift große Sorgfalt verwandte, sondern auch auf die sprachliche Fassung der Verse Wert legte190). Charakteristisch waren dabei besonders die variierenden Formen des letzten Verses, der Künstlerinschrift191). Gerdt Wou ist jedoch in Braunschweig bei der Inschrift der Johannes-Baptista-Glocke von diesem Schema abgewichen und setzte statt seines Namens den Auftraggeber, das Braunschweiger Stift, ein: Innovat ecclesia tres pia dulcisonas. Die Betonung des Wohlklangs der Glocken fehlt auch in anderen Glockeninschriften Gerdt Wous selten192).

Die Glockeninschriften Heinrichs von Kampen, eines Schülers Gerdt Wous, der 1506 in Braunschweig sieben Glocken für das Domgeläut goß (Nr. 320-326), sind textlich nicht auf gleichem Niveau. Zwar gelingt es ihm, Namen und Eigenschaften seiner Glocken in einen Hexameter zu fassen, jedoch ist nur bei der größten Glocke Anna der Versuch gemacht worden, auch die Datierung und den Gießernamen noch rhythmisch auszudrücken. Bei den nachfolgenden kleineren Glocken wird auf einen zweiten Vers verzichtet und eine schlichte gleichbleibende Form der Datierung und Namensnennung gefunden. Heinrich von Kampen stand in Braunschweig offenbar unter dem Zwang, das Vorbild seines Meisters, das dieser durch die drei großen Glocken hinterlassen hatte, auch inschriftlich erreichen zu müssen. Seine späteren, zumeist niederdeutschen Glockeninschriften sind freier gefaßt und origineller193), wie sich auch schon in den Schmuckformen seiner Braunschweiger Glocken ein weniger strenger Stil ankündigte.

5. Schriftformen

5.1 Kapitalis und romanische Majuskel

Da sich die frühen, bis etwa 1200 datierten Inschriften dieses Bandes mit einer Ausnahme (Nr. 4) auf den sakralen Goldschmiedewerken des Welfenschatzes befinden, dessen Zusammensetzung aus Stücken verschiedener Provenienz kaum die Bezeichnung als Braunschweiger Inschriften zuläßt, kann nur jeweils die Schriftform einzelner Stücke bestimmt werden. Eine chronologisch fortschreitende Schriftentwicklung analog der seit längerer Zeit gültigen kunsthistorischen Datierung der Stücke ist nicht abzuleiten. So zeigen jüngere Stücke des Braunschweiger Stiftsschatzes aufgrund ihrer Herstellungsmodalitäten ältere Schriftformen als z.B. die beiden ersten Nummern dieses Bandes, die Stabkreuze der Gräfin Gerdrud aus der ersten Hälfte bzw. der Mitte des 11. Jahrhunderts. Hier sind bereits einzelne unziale Buchstabenformen zwischen die sonst durchgehend breiten weit auseinanderstehenden Kapitalisformen gesetzt. Vier jüngere Beispiele aus dem 11. und 12. Jahrhundert weisen noch eine nahezu reine Kapitalis auf, wofür unterschiedliche Gründe der Provenienz und der Schriftüberlieferung maßgeblich waren. Das früheste, die Bleitafel aus dem Sarkophag der Brunonengräfin Gerdrud (Nr. 4), nimmt im [Druckseite LII] Textformular eine seit dem Anfang des 8. Jahrhunderts gebräuchliche Grabschrift wieder auf. Auch die in einer reinen Kapitalis ausgeführte Inschrift läßt den Schluß auf ein älteres Vorbild zu.

Das Welfenkreuz (Nr. 6) zeigt auf den hochrechteckigen Schrifttäfelchen der Kreuzarme hohe, schlanke Kapitalisformen mit kurzen Querbalken und einem spitzovalen O, auf den querrechteckigen Täfelchen des oberen und unteren Kreuzstammes jedoch, auf der die Schrift nicht aus Platzgründen gedrängt ist, eine breitere Kapitalis ohne Verschränkungen oder Ligaturen. Die kunsthistorische Datierung auf die Mitte bzw. die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts kann in diesem Falle durch eine schriftgeschichtliche Einordnung bestätigt werden. Deutlich jünger sind die Schriftformen auf dem Adelvoldus-Tragaltar (Nr. 7). O, C, P und D beanspruchen in voluminöser Ausdehnung Raum, so daß bei der ausgeglichenen Verteilung der Buchstaben auf der oberen Platte des Altars auch zwischen die schmaleren Formen von E und I weite Spatien gefügt sind. Die Inschrift weist eine Ligatur von L und V im Namen des Stifters auf, die über die urkundlich überlieferte Form Atheloldus Zweifel aufkommen läßt193).

Das späteste Beispiel einer überwiegend in Kapitalis ausgeführten Inschrift findet sich auf den aus Walroßzahn geschnitzten Schriftbändern am Kuppelreliquiar (Nr. 18). Während das gravierte, nieliierte Schriftband um die Plattform des Tambours eine breit und dekorativ gravierte Kapitalis zeigt, sind die gedrängten Schriftformen auf den Spruchbändern der darunter stehenden Propheten mit zahlreichen Ligaturen, Enklaven und übergesetzten Kleinbuchstaben versehen. Einzelne hohe, eckige Formen bestätigen das archaisierende Schriftbild, das offenbar über Generationen tradierte handwerkliche Muster aufnimmt, ohne die zeitgenössische Entwicklung der Schriftformen zu berücksichtigen194).

Die in der romanischen Majuskel ausgeführten Inschriften auf den frühen Goldschmiedewerken des Welfenschatzes sind mit unzialen Buchstaben als Schmuckformen der Schrift durchsetzt. Das sind auf den beiden Gerdrudis-Kreuzen (Nr. 1, 2) die Buchstaben E, H, und M. Der Tragaltar der Gräfin Gerdrud (Nr. 3) zeigt auf der umlaufenden Schrift der Deckplatte regelmäßige, gestreckte Kapitalisformen, es findet sich nur je ein rundes E und ein eingerolltes G. Dagegen sind die Namensbeischriften der Heiligen auf der linken Schmalseite, die als Tituli auf die Arkadenbögen gesetzt sind, in gerundeten Schmuckformen mit keilförmigen, zum Teil mit Sporen versehenen Endungen gestaltet.

In epigraphischer Hinsicht besteht kein Zusammenhang zwischen den Schriftformen der beiden Kreuze und denen des Tragaltars. Aber auch zur Reliquien- und Stifterinschrift auf der Standfläche des Armreliquiars des hl. Blasius (Nr. 5) ist keine Verbindung herzustellen. Deren Schwellungen an Hasten und Bögen sowie betonte, z. T. gerundete Sporen unterscheiden sich von den getriebenen Schriftformen auf den beiden Kreuzen und den ornamentalen Zierformen des Tragaltars auf der Wandung. Als Merkmal einer möglicherweise eher an den Auszeichnungsschriften orientierten Buchschrift erscheint besonders das zweimal vorkommende unziale M, dessen Vorderteil zum O geschlossen ist. Seine Verwendung in der Epigraphik wird gewöhnlich nicht vor 1140 angenommen195). Als Stifterinnen kommen jedoch nur entweder die ältere Gräfin Gerdrud († 1077) oder ihre Enkelin Gerthrud († 1117) in Frage. Da auch stilkritische Gründe für eine Herstellung des Armreliquiars spätestens im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts sprechen, sollte anhand dieses Beispiels mit einer gelegentlich auch vor 1140 auftretenden frühen Form des o-förmig geschlossenen M gerechnet werden. Die gleiche Frage der Schriftdatierung gilt auch für den Tragaltar mit den getriebenen Silberfiguren (Nr. 8). Auch hier ist, wie am Blasius-Armreliquiar, das vorne zur Rundung geschlossene M neben dem spitzen M früher zu datieren als bisher angenommen. Als Übergangsformen von der romanischen zur gotischen Majuskel erweisen sich die Reliquien- und Stifterinschriften auf den Standflächen der Armreliquiare der Hll. Theodorus und Innocentius (Nr. 15, 16). Hier sind E, M, H und D als unziale Formen sowie ein pseudounziales A vertreten. Die doppelkonturig ausgeführten, zum Teil überbreiten Hasten und Schwellungen, die spitz ausschwingenden Sporen und unter die Zeile bzw. unter den folgenden Buchstaben verlängerten Ausläufer von R und H, dazu die durch haarfeine Striche fast geschlossenen Formen von E und C in der Reliquieninschrift könnten beide Armreliquiare in das späte 12. Jahrhundert verweisen. Sie wären dann unter die letzten Stiftungen Heinrichs des Löwen einzuord-[Druckseite LIII]-nen. Als romanische Majuskel mit einer rätselhaften unzialen Form ist die Meisterinschrift auf dem Imervard-Kruzifix (Nr. 21) aus dem Ende des 12. Jahrhunderts anzusehen. Das runde M, dessen mittlere Haste nur nach innen gerundet, jedoch nicht zum O geschlossen ist, wurde bereits im 19. Jahrhundert als ein um einen Viertelkreis gedrehtes G gelesen196). Auch das im Unterteil durchstochene C ist ungewöhnlich.

Als Beispiel für die Vermischung von spitzen und runden Buchstaben in besonders phantasievollen, die Schriftkunst des späten 12. Jahrhunderts ausschöpfenden Formen kann die um das Dachgesims des Walpurgisschreins (Nr. 10) umlaufende gravierte Versinschrift gelten. Außer den spitzen Formen I, L, N, T und V, die dreieckig verdickte Schaftenden mit spitz abstehenden Sporen haben, ist fast jeder Buchstabe verschieden gestaltet. So wechselt das A mit doppeltem Querstrich mit einem A mit gebrochenem Mittelbalken ab. Besonders abwechslungsreich ist die Cauda des R in gelegentlich rhombenförmiger Schwellung und in einer zwei- oder dreiteiligen Blattranke auslaufend gestaltet, zudem ist der linke Schaft des R unten mit einem dornartigen Sporn verziert. Die gleichen Sporen sind auch oben und unten in das mit starken Schwellungen fast runde Q gesetzt. Das spitze M ist in ungewöhnlicher Weise in seinem vorderen Schaft S-förmig geschweift. Das S ist nach links, also gegen die Richtung der Schrift geneigt. Im Charakter der Schrift wird der Wunsch nach Auflösung der Kapitalisformen sichtbar. Eine strengere, gerade umgekehrt größte Regelmäßigkeit anstrebende romanische Majuskel befindet sich auf den kreisförmigen Umschriften der Bernward-Patene (Nr. 20)197). Als Übergangsform zur gotischen Majuskel könnte die sogenannte Künstlerinschrift im Braunschweiger Dom (Nr. 24) angesehen werden, wenn man den jetzigen Zustand, der nach einer Photographie aus den 30er Jahren dieses Jahrhunderts hergestellt wurde, als annähernd ursprünglich annehmen will.

5.2 Gotische Majuskel

Die gotische Majuskel ist in vollendeten Formen bereits im Jahr 1188 auf der Reliquienpyxis (Nr. 19) des Marienaltars im Dom vorhanden. A, E, H, T und D erscheinen zwar auch als spitze Buchstaben, es überwiegen aber die gerundeten, bei E und C schon abgeschlossenen Formen. Das A steht mit senkrechtem rechten Stützschaft und überstehendem Deckstrich schon auf dem Übergang zum pseudounzialen A. Die wahrscheinlich in Hildesheim hergestellte Inschrift ist schriftgeschichtlich als eine der frühesten Formen der gotischen Majuskel angesehen worden198).

Für die Schriftformen der Spruchbänder in den Wandmalereien (Nr. 23) des Domes, die wie diese wohl in das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts zu datieren sind, gilt der gleiche Vorbehalt wie für die oben schon genannte Künstlerinschrift. Sichtbar ist heute eine schlanke, in den Schwellungen gelegentlich stärker betonte Majuskel. Auffällig ist, daß wohl das E durch einen senkrechten Haarstrich abgeschlossen ist, nicht aber, wie zu erwarten wäre, gleichfalls das C. Da inschriftliche Zeugnisse für das 13. Jahrhundert in Braunschweig fast gänzlich fehlen, ist eine spezifische Schriftentwicklung in diesem Zeitraum nicht zu verfolgen. Am Ende des 13. Jahrhunderts steht, eingemauert in die nördliche Eingangskapelle von St. Ägidien, der Gedenkstein für die Stiftungen des Ratsherrn Daniel von Pattenhusen (Nr. 28). Hier sind in die voll ausgebildeten Formen der gotischen Majuskel als bewußt eingesetztes Mittel dekorativer Schriftgestaltung mehrere kapitale Buchstaben eingefügt. Dies wirkt besonders auffällig bei einer Verdoppelung oder Häufung des gleichen Buchstabens im Wort (SVUM, CVIUS). Die am Ende des 13. Jahrhunderts zur Verfügung stehenden Schriftformen werden auch mit zwei verschiedenen Formen des C und dreimal variierendem A ausgeschöpft.

Im 14. Jahrhundert fand die gotische Majuskel in einigen Glockeninschriften (Nr. 27, 30, 80) Verwendung. Sie wurde von den Klosterfrauen des Kreuzklosters in Teppiche gestickt (Nr. 35, 36, 43, 65, 66). Weiterhin erscheint sie als herzogliche Bauinschrift (Nr. 33) über dem Portal des südlich erweiterten Seitenschiffes des Domes und auf einem Plenar (Nr. 32), das derselbe Herzog der Braunschweiger Kirche stiftete. Trotz des grundsätzlichen Unterschieds zwischen einer Steinschrift und der Gravur auf einem Goldschmiedewerk kann hier, wohl durch den gemeinsamen Herstellungsort Braunschweig, jedoch auch mit der verhältnismäßigen Gleichzeitigkeit der Schriftformen, eine gewisse Zugehörigkeit beider Inschriften zueinander festgestellt werden. In die Zeit Herzog Ottos des Milden (etwa 1292-1344) dürfte, nach der Zeichnung einer im 19. Jahrhundert überlieferten Inschriftenplatte im Sockel des Braunschweiger Löwen, auch die erste Restaurierung des [Druckseite LIV] Löwensteins und die Installierung einer mit einer Inschrift versehenen neuen Standplatte für den Löwen fallen (Nr. 410).

Charakteristisch für die Spätform der gotischen Majuskel sind die Klerikergrabplatten im Dom und in einigen Braunschweiger Stadtkirchen (Nr. 34, 40, 45, 50, 56, 60). Diese Schriftform wurde bis 1394, also noch in einer Zeit, als die städtischen Bau- und Gedenkinschriften sich längst der gotischen Minuskel bedienten, als angemessen traditionell empfunden. Von 1349 stammt die erste noch erhaltene Grabplatte (Nr. 34), die allein durch die besondere Sorgfalt und Anlage der Schrift bemerkenswert ist. Die Bögen von C, E, D, G und O sind durch starke Schwellungen betont. Alle Schäfte sowie die Deckstriche von A und T laufen in Sporen aus. Das besonders im Namen viermal vorkommende L ist statt mit einem Querbalken mit einem spitzwinkligen Dreieck versehen. Nur T kommt sowohl in kapitaler Form wie auch mit sichelförmigen Bogen vor. E und C sind durch Abschlußstrich geschlossen, ebenso das M durch einen Basisstrich. Die beiden bogenförmig geschwungenen X des Datums entsprechen dem monumentalen Schriftcharakter, wie er auch in der Bauinschrift von 1346 (Nr. 33) am Südportal des Domes erscheint. Als einzige ihrer Art erhalten ist die Messinggrabplatte des Johann von Rinteln von 1376 in der Petrikirche (Nr. 56). Die schlanken, eher ovalen, jedoch mit breiten Schwellungen versehenen Majuskelformen von 1349 und 1376 unterscheiden sich in der Ausformung der Buchstaben kaum: E und C sind durch Haarstriche abgeschlossen, ebenso das M durch einen Abschlußstrich auf der Unterlinie. Bei ausladenden Schwellungen in der Buchstabenmitte werden jetzt Verzierungen mit Sporen an den Schaftenden angedeutet. Sie werden 1376 durch perlartig eingerollte Punkte markiert. Auch die nur als Abzeichnung kopial überlieferten Grabschriften in der gotischen Majuskel tradierten offensichtlich die seit der Mitte des Jahrhunderts festgeschriebenen Formen, ohne sie weiterzuentwickeln. Dies bestätigt sich an einer Frauengrabplatte von etwa 1400 (Nr. 67), deren Umschrift die gleichen Formen zeigt, wie sie seit der Mitte des 14. Jahrhunderts bei den Grabschriften verwendet wurden.

5.3 Gotische Minuskel

Diese Schriftart ist von der Mitte des 14. Jahrhunderts an im Braunschweiger Stadtbild vorherrschend. Sie wurde erstmals 1358 auf der Grabplatte einer stadtadeligen Familie (Nr. 46) verwendet und kam seitdem auch auf bürgerlichen Grabmälern zur Geltung. Die Stadtregierung bediente sich dieser Schriftform besonders bei Inschriften auf Gebäuden, Brücken, an Kirchen und an der Stadtbefestigung. Bemerkenswert ist dabei die Verbindung mit der niederdeutschen Sprache199), die zunächst (Nr. 83) auch mit lateinischen Bibelzitaten kombiniert werden konnte, spätestens ab 1430 aber allein maßgebend wurde200). Die gotische Minuskel zeigt sich schon in ihrem ersten Vorkommen - durch Oberlängen bei l und d, besonders aber in den in Braunschweig im 14. Jahrhundert charakteristischen, nach links abknickenden nach oben verlängerten Hasten des v und w - dem Drei- oder Vierlinienschema angenähert. Sind bei dem oben genannten Velstede-Grabstein von 1358 (Nr. 46) die Unterlängen noch weitgehend auf die untere Zeile gesetzt, so ist doch schon die 1367 (Nr. 48) auf denselben zweitverwendeten Grabstein gemeißelte Meldung von der Schlacht bei Dinklar mit mindestens zwei deutlichen Unterlängen von h und p versehen. Einzelne Elemente der Majuskel sind auf dem älteren Grabstein im M des Datums und im kapitalen S in S(ancti) noch vorhanden. Ähnlich ist auch in einer jüngeren Grabinschrift von 1368 (Nr. 49) das niederdeutsche S(unte) noch mit einem sporenverzierten Majuskel-S geschrieben.

Der Majuskel entnommen sind in derselben Inschrift ferner zwei Versalien, die die Absatzgliederung der Grabschrift bezeichnen. Im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind die Wortzwischenräume stets noch durch Punkte markiert, so daß auch bei Grabschriften, die im Schriftbild unausgeglichen wirken (Nr. 49), die Spationierung insgesamt einen ausgewogenen Eindruck herstellt (Nr. 52, 53, 76). Zwei einander im Schriftcharakter sehr ähnliche Bauinschriften von 1379 (Nr. 57) und 1388 (Nr. 59) lassen, anders als die aus verschiedenen Werkstätten stammenden Grabmäler201), eine einheitliche Gestaltung [Druckseite LV] der Formen erkennen. Nur die ältere Inschrift von 1379 beginnt mit einem Majuskel-N als Versalie, das sich in dem in Majuskeln ausgeführten Kreuztitulus des nebenstehenden Stifterbildes wiederholt. Das zweistöckige a ist durch einen nach links gebogenen Haarstrich geschlossen, dieselben feinen Striche schließen auch das e und sind bei der älteren Inschrift als Zierstriche bei r, s und x verwendet. Bei beiden Inschriften fallen die schon erwähnten nach links weisenden Hasten von v und w auf, jedoch nur bei der älteren Inschrift haben sie noch Oberlängencharakter. Das g, das bei der Inschrift von 1379 noch auf der Zeile aufsitzt, ist 1388 schon mit einer Unterlänge versehen. Bei gleichem Schrifttyp, einer kräftig eingetieften und mit Farbe ausgefüllten Steinschrift, ist innerhalb weniger Jahre eine Schriftentwicklung festzustellen. Ähnliches läßt sich bei der Minuskel des 15. Jahrhunderts beobachten. Sie wird gleich nach 1400 schlanker, weniger monumental und gewinnt dadurch an Regelmäßigkeit (Nr. 72, 76, 95).

Ober- und Unterlängen sind jetzt gleichmäßig proportioniert, die Schaftbrechungen durch die gestreckte Form der Schäfte weiter auf die obere wie untere Linie verlegt. Noch bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts blieben Haarstriche besonders bei e, r, s und x beliebt (Nr. 72; Nr. 95, 111). Der Wegfall der worttrennenden Punkte wird erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts häufiger. Davon sind jedoch die Steinschriften auszunehmen. Während sich bei den Hausinschriften eine Wort- und Silbentrennung durch die Verteilung auf die Balken- oder Gebäudeteile von selbst ergab, und sich die gravierten und gemalten Inschriften eher schreibschriftlichen Vorlagen annäherten, blieben z.B. bei Grabinschriften die Worttrenner noch in traditioneller Weise bestehen. Dies betrifft in noch größerem Maße die Glockeninschriften.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird die Schrift jetzt durch oben und unten aneinanderstoßende Quadrangeln zusammengedrängt, oft auch in einen Rahmen oder in Zeilen gefaßt (Nr. 72; Nr. 95; Nr. 123). Diese Entwicklung kommt vollends zum Ausdruck in den seit 1432 einsetzenden geschnitzten Hausinschriften. Die räumliche Beschränkung auf die Balkenköpfe oder die Flächen unterhalb der Treppenfriese bewirkte ein Zusammenrücken der Wörter und eine genormte Buchstabenhöhe. Durch eng aneinandergefügte, gebrochene Schäfte ließ sich ein gitterartiges Schriftbild erreichen, das besonders in der Datumszeile bevorzugt wurde (Nr. 232)202). Diese von den Maßen des Schwellbalkens bestimmte Gitterschrift wurde häufig durch eine Versalie A in Anno oder durch ein Majuskel-M der Jahreszahl unterbrochen; am Ende des 15. Jahrhunderts werden beide Buchstaben z.T. in die Ornamentik oder den Figurenschmuck einbezogen203). Während die geschnitzten Formen der Hausinschriften bis auf wenige Ausnahmen noch weit bis in das 16. Jahrhundert tradiert wurden und bis etwa 1480-1500 auch die Grabschriften und die Bauinschriften in der bevorzugten, engstehenden, schlanken Minuskel eingehauen wurden, wandelten sich die gemalten und gravierten Schriften am Ende des 15. Jahrhunderts. Die Schriftbänder der Braunschweiger Tafelaltäre (Nr. 215, 299, 327, auch Nr. 197) und zwei geritzte Stifterinschriften (Nr. 261, 301) unter zwei Kelchen folgen den Formen der zeitgenössischen Textura besonders auch in der Betonung bzw. farbigen Ausmalung der Versalien. Diese sind jedoch zumeist nicht mehr an den Formen der gotischen Majuskel orientiert, sondern den Vorlagen der Schreibschrift entnommen204). Neue Schriftelemente brachten die von Gerdt Wou und Heinrich von Kampen gegossenen Glocken nach Braunschweig. Sie hatten freilich keine Vorbildfunktion für Braunschweiger Inschriften. Als Abzeichnung überliefert ist eine Grabschrift aus dem Kreuzgang des Pauliner-Klosters für einen Hildesheimer Bürger und seine Frau von 1512 (Nr. 348) in frühhumanistischer Kapitalis, dem einzigen Beispiel dieser Schriftform vor der Reformation. Wenn seit dem frühen 18. Jahrhundert, der ersten Überlieferungsphase der Braunschweiger Inschriften, häufig die etwas geringschätzige Bezeichnung ‚Mönchsschrift‘ gebraucht wird, so sind damit alle Formen der gotischen Minuskel bis in das 16. Jahrhundert gemeint. Sie war die vorherrschende, ‚mittelalterliche‘ Schriftform.

  1. Die ausführliche Auseinandersetzung mit der Gründungslegende erstmals bei Ludwig Conrad Bethmann, Die Gründung Braunschweigs und der Dom Heinrichs des Löwen, in: Westermanns Jb. der Illustrierten Deutschen Monatshefte 10, 1861, S. 525–559, hier S. 527ff., und bei Hermann Dürre, Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter, Braunschweig 1861, S. 40f. Das Thema wurde wiederaufgenommen von Martin Last, Die Anfänge der Stadt Braunschweig, in: Gerd Spies (Hg.), Brunswiek 1031 – Braunschweig 1981. Die Stadt Heinrichs des Löwen von den Anhttp://www.inschriften.net/typo3/clear.giffängen bis zur Gegenwart. Festschrift zur Ausstellung, Braunschweig 1981, S. 25–36, hier S. 25. »
  2. Vgl. ebd., S. 30, zur Sicht Hermen Botes im 15. Jahrhundert. Rehtmeyer sah die Jahreszahl noch am Turm der Jakobskirche. Vgl. Philipp Julius Rehtmeyer, Der berühmten Stadt Braunschweig Kirchen-Historie, 4 Teile in 1 Bd., Braunschweig 1707–1715, Teil 5: Beylagen auf die Supplementa, Braunschweig 1720; hier Teil 1, S. 15. »
  3. Vgl. Hans Adolf Schultz/Otto Stelzer, St. Jakob, die Pfarrkirche einer Kaufmannssiedlung des 9./10. Jahrhunderts in Braunschweig. Ergebnisse der Ausgrabungen von 1954, in: Braunschweigisches Jb. 36, 1955, S. 5–23, hier S. 22f. »
  4. Vgl. Hartmut Rötting, Archäologische Siedlungsbefunde zu den Vor- und Frühformen von Braunschweig, in: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 3, 1991, S. 100–104, hier S. 101. Vgl. auch Arno Weinmann, Braunschweig als landesherrliche Residenz im Mittelalter, Braunschweig 1991 (Beihefte zum Braunschweigischen Jb., Bd. 7), S. 34f. »
  5. Vgl. Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, hg. von Ludwig Hänselmann (Bd. 1–3)/Heinrich Mack (Bd. 4), Braunschweig 1873–1912, hier Bd. 2, Nr. 1, S. 1. »
  6. Vgl. diese Daten im Zusammenhang der frühen Stadtentwicklung bei Manfred R. W. Garzmann, Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig im 13. und 14. Jahrhundert, Braunschweig 1976 (Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, Bd. 13/Gesamtreihe Bd. 52), S. 13ff. »
  7. Vgl. Hermann Dürre, Das Register der Memorien und Feste des Blasiusstiftes in Braunschweig, in: Zs. des historischen Vereins für Niedersachsen 48, 1886, S. 1-104, hier S. 37. »
  8. Diese Annahme von Martin Möhle, Die Krypta als Herrscherkapelle. Die Krypta des Braunschweiger Domes, ihr Patrozinium und das Evangeliar Heinrichs des Löwen, in: Archiv für Kulturgeschichte 73, 1991, S. 1-24, hier S. 14f., wird durch ein Reliquienverzeichnis von 1482/1483 (Registrum in quo conscripte sunt reliquie que habentur in ecclesia sancti Blasii Brunsvicensis, Landeshauptarchiv Wolfenbüttel, Sign. VII B 166), S. 32, bestätigt, wonach sich in der Krypta ein Marienbild mit Reliquien befunden hat. Freilich läßt sich daraus und aus der Existenz eines Marienaltars in der Domkrypta keineswegs der Schluß ziehen, das Evangeliar Heinrichs des Löwen sei für diesen Altar bestimmt gewesen (so Möhle, S. 23f.) »
  9. Vgl. Origines Guelficae, hg. von Gottfried Wilhelm Leibnitz, 5 Bde, Hannover 1750–1780, hier Bd. 2, S. 334f.; dazu Döll (wie Anm. 7), S. 32, Anm. 68. »
  10. Vgl. Willmuth Arenhövel, Der Hezilo-Radleuchter im Dom zu Hildesheim. Beiträge zur Hildesheimer Kunst des 11. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Ornamentik, Berlin 1975 (Diss. Berlin 1972), S. 137, 155. »
  11. Auch diese Rekonstruktion erstmals bei Bethmann, 1861 (wie Anm. 1), S. 547ff.; vgl. auch Martin Gosebruch, Der Braunschweiger Dom und seine Bildwerke (mit Aufnahmen von Jutta Brüdern), Königstein/Ts. 1980, S. 4. »
  12. Zu den hagiographischen Vorlagen des Reliquienraubs und der Herkunft der Braunschweiger Auctor-Reliquien vgl. Klaus Naß, Der Auctorkult in Braunschweig und seine Vorläufer im früheren Mittelalter, in: Niedersächsisches Jb. für Landesgeschichte 62, 1990, S. 153-208, bes. S. 173, 179. »
  13. Sie war in erster Ehe mit Dietrich II. von Katlenburg, in zweiter Ehe mit Heinrich von Northeim und in dritter Ehe mit Heinrich von Eilenburg verheiratet. Über den Umfang des Erbes, das ihr Schwiegersohn Lothar von Süpplingenburg antrat, vgl. Herbert W. Vogt, Das Herzogtum Lothars von Süpplingenburg 1106-1125, Hildesheim 1959 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. 57); Weinmann (wie Anm. 4), S. 23f. »
  14. Vgl. Döll (wie Anm.7), S. 51f. »
  15. Vgl. Garzmann (wie Anm. 6), S. 34f.; Richard Moderhack, Braunschweigs Stadtgeschichte ( = Bd. 1 von: Gerd Spies (Hg.), Braunschweig. Das Bild der Stadt in 900 Jahren, Geschichte und Ansichten, 2 Bde, Braunschweig 1985), S. 6f. »
  16. Zur Sonderentwicklung der Michaelisgemeinde vgl. Wilhelm Schrader, Die Michaeliskirche, in: Braunschweigisches Magazin 36, 1930, Sp. 57-62. »
  17. Vgl. Karl Jordan, Heinrich der Löwe. Eine Biographie, München 1979, S. 175-180; Garzmann (wie Anm. 6), S. 126ff. »
  18. Vgl. Spies, 1985, Bd.2 (wie Anm. 16), Abb. 2-8, S. 10-16; Abb. 12f., S.20f.; Moderhack (wie Anm. 16), S. 29. »
  19. Vgl. Gerd Spies, Braunschweiger Goldschmiede, in: ders.; 1981 (wie Anm. 1), S. 275-331, hier S. 317. »
  20. Vgl. Garzmann (wie Anm.6), S. 133; Weinmann (wie Anm.4), S. 271 f. »
  21. Vgl. Johann-Christian Klamt, Die mittelalterlichen Monumentalmalereien im Dom zu Braunschweig, Diss. Berlin 1968, S. 39; Hans Martin Schaller, Das geistige Leben am Hofe Kaiser Ottos IV. von Braunschweig, in: DA 45, 1989, S. 54-82, hier S. 64f. Während Klamt zwar den Entwurf einzelner Themenkreise der Malereien und die Ausstattung des Doms auf Heinrich den Löwen zurückführt, die Ausführung der Wandgemälde jedoch erst auf die Mitte des 13. Jahrhunderts verlegt, hält Schaller eine 30 bis 50 Jahre dauernde Pause nach Heinrichs Tod, während der der Dom ohne Ausmalung geblieben sei, für nicht wahrscheinlich. »
  22. Vgl. Möhle (wie Anm. 9), S. 5-15. »
  23. Gosebruch, 1980 (wie Anm. 12), S. 3; Richard Dorn, Mittelalterliche Kirchen in Braunschweig, Hameln 1978, S. 14. »
  24. Bernd Ulrich Hucker, Kaiser Otto IV., Hannover 1990 (Monumenta Germaniae Historica, Schriften, Bd. 34), S. 73f. »
  25. Vgl. ebd., S. 359-367. »
  26. Vgl. Moderhack (wie Anm. 16), S. 15-22. »
  27. Vgl. ebd., S. 22; Garzmann (wie Anm. 6), S. 153, 157. »
  28. Vgl. Weinmann (wie Anm. 4), S. 274. »
  29. Dazu gehörte auch das inschriftlose Reliquiar des hl. Georg, vgl. Dietrich Kötzsche, Der Welfenschatz im Berliner Kunstgewerbemuseum, Berlin 1973 (Bilderhefte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Bd. 21/22), S. 51f., 78. Die von den Herzögen gestifteten Reliquien sind im Reliquienverzeichnis von 1482 (wie Anm. 9), S. 12f., 15, 25 verzeichnet. Vgl. auch Wilhelm A. Neumann, Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lüneburg, Wien 1891, S 30. »
  30. Im Juni 1658 befand sich der junge Herzog Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Lüneburg mit seinem adligen Mentor auf einer Bildungsreise, die auch den Besuch des Braunschweiger Domes vorsah. Der Bericht, den der Herzog über die Sehenswürdigkeiten des Domes verfaßte, ist ein wichtiges nachmittelalterliches Inventar; Auszug bei Neumann (wie Anm. 30), S. 329f. »
  31. Vgl. z.B. Hermen Bote, Dat schichtboick, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, hg. von der Historischen Kommission der Akademie der Wissenschaften in München, Bd. 16: Braunschweig (Bd. 2), Leipzig 1880, S .269-493, hier S. 311. »
  32. Vgl. ebd., S. 299. Zu dieser Stelle: Hartmut Boockmann, Eine Krise im Zusammenleben einer Bürgerschaft und ein „politologisches Modell" aus dem 15. Jahrhundert. Der Braunschweiger Chronist Hermen Bote über den Aufstandsversuch von 1445/46, in: Herbert Blume/Eberhard Rohse (Hgg.), Hermann Bote, Städtisch-hansischer Autor in Braunschweig 1488-1988. Beiträge zum Braunschweiger Bote-Kolloquium 1988, Tübingen 1991, S. 133-152, hier S. 149. Vgl. im selben Zusammenhang Wilfried Ehbrecht, Die Braunschweiger Schicht von 1488 - ein Stadtkonflikt als Exempel für Mißgunst und Ehrgeiz in den städtischen Führungsfamilien, in: ebd., S. 109-132, bes. S .116f., 131. »
  33. Vgl. Naß (wie Anm. 13), S. 175-195. »
  34. Abb. in: Matthias Puhle, Stadt und Geld im ausgehenden Mittelalter. Zur Münzgeschichte „Van der Page-munte“ des Braunschweiger Autors Hermen Bote, Braunschweig 1988 (Arbeitsberichte. Veröffentlichungen aus dem Städtischen Museum Braunschweig, Heft 58), S 25, Sp. 6, dazu S. 18. »
  35. Die Stadt hatte am 13. Februar 1493 in der Schlacht bei Bleckenstedt gegen Herzog Heinrich d.Ä. den Sieg und reiche Beute errungen und damit ihre Freiheit vor dem landesherrlichen Anspruch bewahrt (vgl. auch Nr. 256, 257). - Der Auctorkult verband sich in den Jahrzehnten vor der Reformation verstärkt mit dem städtischen Autonomiestreben; Auctor wurde zum „Garanten der Stadtfreiheit", vgl. Naß (wie Anm. 13), S. 201-203, Zitat S. 202; Moderhack (wie Anm. 16), S. 34f. »
  36. Vgl. Garzmann (wie Anm. 6), S. 256f.; Matthias Puhle, Die Todesopfer der „Großen Schicht“ 1374-1380 in Braunschweig, Braunschweig 1985 (Miszellen. Städtisches Museum Braunschweig, Heft 39). »
  37. Vgl. ,Schichtboick‘, in: Chroniken der deutschen Städte 16 (wie Anm. 32), S. 317f. »
  38. Vgl. dazu bes. Weinmann (wie Anm. 4), S. 171. - Interessanterweise ist die erste Inschrift dieser Art (Nr. 48), die von der Schlacht bei Dinklar am 3. September 1367 berichtet, auf Latein abgefaßt und inhaltlich sehr kurz gehalten. Von der Niederlage und Gefangennahme des Herzogs Magnus Torquatus ist nicht die Rede. »
  39. Einen Überblick gibt Moderhack (wie Anm. 16), S. 26f. »
  40. In der Zisterzienser-Klosterkirche Riddagshausen befindet sich eine vergleichbare Schrifttafel, allerdings erst aus dem Jahr 1614, mit Daten zur Gründung des Klosters und zur Grablege der Stifter und Äbte; vgl. Die Kunstdenkmäler des Kreises Braunschweig, bearb. von Paul Jonas Meier, Wolfenbüttel 1900 (Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, Bd.2), S. 157-160 mit Abb. 62. »
  41. Vgl. S. XXXVIIf. »
  42. Vgl. Dietrich Mack, Mittelalterliche Inschriften der Stadt Braunschweig als historische Quelle, in: Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft 4, 1952, S. 196-227. »
  43. Vgl. ebd., S. 200f. »
  44. Georg Swarzenski, Aus dem Kunstkreis Heinrichs des Löwen, in: Städel-Jb. 7/8, 1932, S. 241-397, hier S. 244. »
  45. Ebd., S. 242. »
  46. Dieser intuitiven Sicht G. Swarzenskis (wie Anm. 45), die auf umfassender Kenntnis beruhte, ist besonders Gosebruch gefolgt; vgl. Martin Gosebruch, Die Braunschweiger Gertrudiswerkstatt - zur spätottonischen Goldschmiedekunst in Sachsen, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 18, 1979, S. 9-42, hier S. 9; ders., 1980 (wie Anm. 12), S. 15f.; ders., Imperium ducis - Labor Herimanni und die karolingische Vorlage des Krönungsbildes im Evangeliar Heinrichs des Löwen, in: ders. (Hg.), Helmarshausen und das Evangeliar Heinrichs des Löwen, Göttingen 1992 (Schriftenreihe der Kommission für niedersächsische Bau- und Kunstgeschichte bei der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, Bd. 4), S. 247-253, hier S. 247. Vgl. G. Swarzenskis Zitat S. 244 (wie Anm. 45) und die abwägende Interpretation bei Otto Gerhard Oexle, Das Evangeliar Heinrichs des Löwen als geschichtliches Denkmal, in: Das Evangeliar Heinrichs des Löwen. Kommentar zum Faksimile, hg. von Dietrich Kötzsche, Frankfurt/M. 1989, S. 9-27, hier S. 27. »
  47. Vgl. Peter Ganz, Heinrich der Löwe und sein Hof in Braunschweig, in: Evangeliar, Kommentar 1989 (wie Anm. 47), S. 28-41, hier S. 36. »
  48. Annales Stederburgenses (1194), in: MGH SS 16, hg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1859, S. 197-231, hier S. 230. »
  49. Arnoldi Chronica Slavorum (1173), in: MGH SS 21, hg. von M. Lappenberg, Hannover 1869, S. 115-250, hier S. 125. »
  50. Vgl. ebd., S. 201; Jordan (wie Anm. 18), S.236-239; Klamt, 1968 (wie Anm.22), S. 39-42. »
  51. Weiteres dazu vgl. Nr. 11»
  52. Als Leihgabe im Schnütgen-Museum Köln; Inschriften: Franz Xaver Kraus (Hg.), Die christlichen Inschriften der Rheinlande, 2 Bde, Freiburg/Leipzig 1890/1894, hier Bd. 2, Nr. 572, S. 268. »
  53. Inschriften: ebd., Nr. 547, S. 255f. David und Salomon nebeneinanderstehend auch auf einem Elfenbein-Turmreliquiar Kölner Provenienz, um 1200, im Hessischen Landesmuseum Darmstadt (Inv.-Nr. Kg. 54:226); vgl. Katalog Ornamenta Ecclesiae - Kunst und Künstler der Romanik in Köln, hg. von Anton Legner, 3 Bde, Köln 1985, hier Bd. 2, F 59. »
  54. Inschriften: Kraus 2 (wie Anm. 53), Nr. 532, S 248. Das Credo ist hier nur mit den beiden ersten Abschnitten auf den Büchern, die die Apostel vor sich halten, wiedergegeben; vgl. die Ausführungen bei Karl Künstle, Ikonographie der christlichen Kunst, 2 Bde, Freiburg 1926/1928, hier Bd. 1, S. 182. »
  55. Dieser Standpunkt wird von Johannes Fried vertreten: Königsgedanken Heinrichs des Löwen, in: Archiv für Kulturgeschichte 55, 1973, S. 312-351; ders. ,Das goldglänzende Buch‘. Heinrich der Löwe, sein Evangeliar, sein Selbstverständnis, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen, 242, 1990, S. 34-79, bes. S. 72-76. Zur Ableitung des Stammbaums der Söhne Heinrichs des Löwen von König Salomo vgl. Hucker (wie Anm. 25), S. 7. Die Diskussion darüber ist noch nicht abgeschlossen. »
  56. Vgl. Renate Kroos, Die Bilder, in: Evangeliar, Kommentar 1989 (wie Anm. 47), S. 164-243, hier S. 176-180. »
  57. Hier wird Bezug genommen auf die Ansicht Hans Martin Schallers (wie Anm. 22, hier S. 61-68) und Hans Dobbertins (ders., Zur Datierung der Braunschweiger Domfresken, in: Braunschweigisches Jb. 60, 1979, S. 143-150, hier S. 143f.), daß die Wandgemälde im Braunschweiger Dom in den letzten Lebensjahren Heinrichs des Löwen zumindest in Vorzeichnung oder als theologisches Konzept begonnen worden seien; vgl. auch G. Swarzenski (wie Anm. 45), S. 243. »
  58. Mt. 10, 2-4; Mc. 3, 16-19. Die Verteilung der zwölf Artikel des Glaubensbekenntnisses auf die Apostel erfolgt nach dem pseudoaugustinischen Sermo 240 (6. Jahrhundert), vgl. Künstle (wie Anm.55), S. 181. »
  59. Neumann (wie Anm. 30), S. 166; vgl. auch die von G. Swarzenski (wie Anm. 45), S. 243 Anm. 5 mitgeteilte Auskunft von Paul Jonas Meier über die Restaurierung der Apostelfiguren. »
  60. Vgl. Die Kunstdenkmäler des Kreises Gandersheim, bearb. von Karl Steinacker, Wolfenbüttel 1910 (Die Bau-und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, Bd. 5), S. 130. Zu vier Schmelzplatten, die G. Swarzenski (wie Anm. 45), Abb. 202-205, S. 244f., als möglicherweise Hildesheimer Provenienz verzeichnete und die er dem gleichen Themenkreis zuordnete (zwei im Kestner-Museum Hannover, zwei im Diözesanmuseum Bamberg), sind in der neueren Forschung noch drei weitere hinzugekommen. Vgl. Neil Stratford, Three Enamelled Plaques in the British Museum: A New Acquisition, in: Gosebruch, 1992 (wie Anm. 47), S. 191-201. Stratford sieht jedoch weder stilkritisch noch in bezug auf die Verteilung des Credo-Textes auf die Apostel einen Zusammenhang mit den in Braunschweig und Gandersheim dargestellten Apostelszenen (vgl. bes. S. 195). »
  61. inter quas erant brachia apostolorum plura; Arnoldi Chronica Slavorum (wie Anm. 50), hier S. 125. »
  62. G. Swarzenski (wie Anm. 45), S. 318–321, 324-326 und die zusammenfassende Darstellung bei Kötzsche, 1973 (wie Anm. 30), S.41f. »
  63. Vgl. G. Swarzenski (wie Anm. 45), S. 324, 326ff. »
  64. Ebd., S. 342, 370; vgl. dazu bes. Peter Cornelius Clausen, Goldschmiede des Mittelalters. Quellen zur Struktur ihrer Werkstatt am Beispiel der Schreine von Sainte-Géneviève in Paris, Westminster Abbey in London, St. Gertrud in Nivelles und St. John in Beverley, in: Zs. des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 32, 1978, S. 46-86, hier S. 50ff. »
  65. Vgl. ebd., S. 73ff. »
  66. Eilbertus ist als in Köln tätiger Meister nicht urkundlich nachzuweisen, vgl. Peter Cornelius Clausen, Kölner Künstler romanischer Zeit nach den Schriftquellen, in: Kat. Ornamenta Ecclesiae 2 (wie Anm. 54), S. 369-373, hier S. 370f. »
  67. Vgl. zuletzt Oexle (wie Anm. 47), hier S. 14, 21 und Möhle (wie Anm. 9), hier S. 18-22. »
  68. Die Sage war bereits um 1300 literarisch in dem Epos ‚Reinfried von Braunschweig‘ verarbeitet worden; vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, hg. von Kurt Ruh u.a., Bd. l-7(ff.), Berlin/New York 21978-1989(ff.), hier Bd.7, Sp. 1171-1176. »
  69. Vgl. Nr. 356, Anm. 9. »
  70. Vgl. Carl Wilhelm Sack, Der eherne Löwe auf dem Burgplatze zu Braunschweig und seine Jubelfeier nach 700 Jahren 1866, in: Braunschweigisches Magazin 79, 1866, S. 313-326, hier S. 317. Der Text der Tafel (heute im Braunschweigischen Landesmuseum) lautet: HENRICUS LEO DEI GRATIA / DVX BAVARIAE ET SAXONIAE / AD SEMPITERNAM ET ORIGINIS / TE (!) NOMINIS SUI MEMORIAM / BRUNSVICI IN AVITO MAIORUM / SUORVM PALATIO / ANNO AB INCARNATO DOMINO (!) / M C LXVI / M. H. P. (vgl. auch Heinrich Schröder/Wilhelm Assmann (Hgg.), Die Stadt Braunschweig, 2 Abt. in 1 Bd., Braunschweig 1841, hier Abt. 2, S. 202f.) Dies ist mit Sicherheit keine mittelalterliche Inschrift, wie schon Martin Gosebruch (ders., Vom Burglöwen und seinem Stein, in: ders. (Hg.), Der Braunschweigische Burglöwe, Göttingen 1985 (Schriftenreihe der Kommission für Niedersächsische Bau- und Kunstgeschichte bei der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, Bd. 2), S. 9-20, hier S. 12f.) bemerkt hat; vgl. auch Dieter von der Nahmer, Heinrich der Löwe - Die Inschrift auf dem Löwenstein und die geschichtliche Überlieferung der Welfenfamilie im 12. Jahrhundert, in: Gosebruch, 1985 (wie oben), S. 201-219, hier S. 201f. und S. 214, Anm. 6, 7. »
  71. Von der Nahmer (wie Anm. 71), S. 201, zitiert als Kernsatz einer älteren Inschrift auch die Formel ad sempiternam et originis et nominis sui memoriam, meint ihn aber in der ,Braunschweigischen Reimchronik‘ des 13. Jahrhunderts in der Formulierung nach sines namens scine und ort wiederzufinden. »
  72. Vgl. Gerd Spies (Hg.), Der Braunschweiger Löwe, Braunschweig 1985 (Braunschweiger Werkstücke, Reihe B, Bd. 6/Gesamtreihe Bd. 62), S. 20ff.; Abb. 26-28, S. 57; Gosebruch, 1985 (wie Anm. 71), S. 12f. »
  73. Vgl. Hucker (wie Anm. 25), S. 348f., 366. Nach dem Tod des Pfalzgrafen Heinrich am 28. April 1227 wurde der Titel ‚dux Saxoniae‘ von seinem Erben, Herzog Otto, nicht mehr geführt, der sich vor diesem Zeitpunkt, wie der Pfalzgraf selbst, gelegentlich in dieser Weise hatte titulieren lassen. Otto nannte sich seither Herzog von Braunschweig oder von Lüneburg. Der sächsische Herzogstitel ging damit und datierbar von diesem Zeitpunkt an Herzog Albrecht von Bernburg über. »
  74. Editio latina priori germanica longe auctior et emendatior, Hannover 1713 (1. Aufl. 1697). »
  75. Vgl. Neumann (wie Anm. 30), S. 27-32; Otto von Falke/Robert Schmidt/Georg Swarzenski, Der Welfenschatz. Der Reliquienschatz des Braunschweiger Domes aus dem Besitze des herzoglichen Hauses Braunschweig-Lüneburg, Frankfurt 1930, S. 13-17; Kötzsche, 1973 (wie Anm. 30), S. 5-9; Patrick M. de Winter, Der Welfenschatz. Zeugnisse sakraler Kunst des deutschen Mittelalters, Hannover 1986, S. 183. »
  76. Vgl. Kötzsche, 1973 (wie Anm. 30), S. 9. »
  77. Ein größerer, zusammenhängender Bestand von 44 Stücken befindet sich heute im Kunstgewerbemuseum Berlin, vgl. ebd., S. 10-14; Klaus Jaitner, Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lüneburg (Welfenschatz) vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, in: Jb. Preußischer Kulturbesitz 23, 1986, S. 391-422; de Winter (wie Anm.77), S. 141-153. »
  78. Reliquienverzeichnis von 1482 (wie Anm. 9). »
  79. Unter der Bezeichnung scrinium sind in Form und Größe z.T. recht unterschiedliche Reliquiare subsumiert. »
  80. Es mag sich hierbei z.B. um tafelförmige Reliquiare mit eingelegtem reliefiertem Bild gehandelt haben. Die Büstenreliquiare werden dagegen als caput bezeichnet. »
  81. Reliquienverzeichnis von 1482 (wie Anm. 9), S. 31: Sunt frequenter in armario. »
  82. Vgl. Friedrich Görges, Der von Heinrich dem Löwen, Herzoge von Sachsen und Bayern, erbauete Sanct Blasius Dom zu Braunschweig und seine Merkwürdigkeiten, Braunschweig 1815, S. 35. »
  83. Vgl. Reliquienverzeichnis von 1482 (wie Anm. 9), S. 3; Nr. 18, Anm. 30. »
  84. Vgl. Reliquienverzeichnis von 1482 (wie Anm. 9), S. 6. Zur Datierung des Reliquienkreuzes vgl. Nr. 216, Anm.5. »
  85. Vgl. ebd., S. 14f.; ferner wurden auch die Agnus Dei-Kapseln über den Altar gehängt (vgl. ebd., S. 18). »
  86. Ebd., S. 3. »
  87. Vgl. ebd., S. 29. »
  88. Vgl. ebd., S. 21. »
  89. Vgl. ebd., S. 32. »
  90. Vgl. deren Beschreibung bei Rehtmeyer, Kirchen-Historie 1 (wie Anm. 2), S. 102-104. »
  91. Vgl. de Winter (wie Anm. 77), S. 171-174. »
  92. Joseph Braun, Die Reliquiare des christlichen Kultes und ihre Entwicklung, Freiburg 1940, S. 681-716. Es werden nicht alle dort genannten Kriterien erfüllt; so kann die Einordnung der Stifterinschriften unter die bei Braun als urkundliche Inschriften verzeichneten Beispiele (S. 709-713) anhand der Welfenschatz-Inschriften nicht nachvollzogen werden. »
  93. Ebd., S. 686. »
  94. Text der Inschrift (Nr. 5 [A]): BRACHIVM SANCTI BLASII MARTYRIS HIC INTVS HABETVR INTEGRVM. »
  95. So z.B. am Kuppelreliquiar, während die Propheten am Eilbertus-Altar namentlich gekennzeichnet sind; vgl. auch die Beispiele bei Braun (wie Anm. 94), S. 693. »
  96. Vgl. die tabellarische Zusammenstellung bei Neumann (wie Anm. 30), S. 188f. »
  97. Die Inschriften des Turmreliquiars ebd. und bei Kraus 2 (wie Anm. 53), Nr. 207, S. 91f. »
  98. Vgl. ebd., Nr. 532, S. 248. »
  99. Vgl. ebd., Nr. 547, S. 256. »
  100. Is. 7,14; Za. 2,8; Ez. 1,16. »
  101. Nm. 24,17; Abb. 20 und 21. »
  102. Bar. 3,38. »
  103. Za. 2,8; Io. 4,3. »
  104. Mal. 4,2; Nm. 24,17. »
  105. Reihenfolge der Jünger und ihrer Vertauschung vgl. den Kommentar zu Nr. 18»
  106. Vgl. die Aufzählung bei Braun (wie Anm. 94), S. 705. »
  107. Neumann (wie Anm. 30), S. 189, deutete den auf dem Kuppelreliquiar wie auf dem Eilbertus-Altar und an anderen Tragaltären vorkommenden Prophetenspruch Za. 2,8 qui tetigerit vos tangit pupillam oculi mei als auf die inliegenden Reliquien bezogen. Er sah dieses Zitat als eine Art Verfluchung desjenigen an, der sich an den Reliquien vergriffe. »
  108. Vgl. Kraus 2 (wie Anm. 53), Nr. 532, S. 248ff.; Braun (wie Anm. 94), S. 703. »
  109. Vgl. Braun (wie Anm. 94), S. 705. »
  110. Vgl. dazu besonders Gosebruch, 1979 (wie Anm. 47), S. 11, 22, 24f., 28, 32. »
  111. Einen Überblick über die ältere Literatur gibt Ruth Schölkopf, Die sächsischen Grafen: 919-1024, Göttingen 1957 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen, Bd. 22), S. 109f. »
  112. Vgl. Eduard Hlawitschka, Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands, Sigmaringen 1987 (Vorträge und Forschungen, Ergänzungsbd. 35), S. 144-148. »
  113. Braun (wie Anm. 94), S. 709. - Es ist an dieser Stelle zu verweisen auf die von Wolfgang Müller, Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters, München 1975 (Münchener Historische Studien, Abteilung Geschichtliche Hilfswissenschaften, Bd. 13), S. 2, 12f. getroffene Definition der Urkundeninschrift. »
  114. Vgl. Neumann (wie Anm. 30), S. 29. »
  115. Vgl. ebd., S. 189; er vermutete, auch aufgrund der partiellen Übereinstimmung der Inschriften auf den beiden Kuppelreliquiaren, dem Eilbertus-Altar und dem Darmstädter Turmreliquiar, daß der Kölner Kleriker-Goldschmied diese Werke im Auftrag oder in einer Werkstatt dieses Klosters fertigte. Er meinte ebenso, einen Zusammenhang zwischen den das Credo sprechenden Aposteln auf dem Deckel des Eilbertus-Altars und dem selben Motiv im Evangeliar Heinrichs des Löwen, das in Helmarshausen entstand, sehen zu können; vgl. ebd., S. 166. »
  116. Vgl. Otto von Falke/Heinrich Frauberger, Deutsche Schmelzarbeiten des Mittelalters und andere Kunstwerke der Kunst-Historischen Ausstellung zu Düsseldorf 1902, Frankfurt/M. 1904, S. 21 ff.; Falke/Schmidt/Swarzenski (wie Anm. 77), S .61ff., 121ff. »
  117. Vgl. Clausen, in: Kat. Ornamenta Ecclesiae 2 (wie Anm. 54), S. 370. »
  118. Vgl. Kötzsche, in: Kat. Rhein und Maas 2 (wie Anm. 107), S. 191ff., 217ff.; Stefan Soltek, Kölner romanische Tragaltäre, in: Kat. Ornamenta Ecclesiae 2 (wie Anm. 54), S. 403. »
  119. Die Übersicht gründet sich auf folgende Werke zur Bau- und Kirchengeschichte Braunschweigs: Dürre, 1861 (wie Anm. 1); Wolfgang Scheffler, Die gotische Plastik der Stadt Braunschweig, Diss. phil. Göttingen 1925; Paul Jonas Meier/Karl Steinacker (Bearbb.), Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig, Wolfenbüttel 11906, 21926, 31942; Paul Jonas Meier, Braunschweig, Leipzig 1929 (Stätten der Kultur, Bd. 27); Ernst Brutzer, St. Magni Gedenkbuch. Die Geschichte der St.-Magni-Kirche zu Braunschweig in neun Jahrhunderten, Braunschweig 1931; Hans Georg von Wernsdorff, Der für die Kinder deines Volkes steht. 800 Jahre Geschichte der St.-Michaeliskirche zu Braunschweig: 1157-1957, Braunschweig 1957; Wolf-Dietrich von Kurnatowski, Die Wiederherstellung der St. Leonhardskapelle in Braunschweig, in: Braunschweigische Heimat 43, 1957, S. 24-30; Friedrich Berndt, St. Katharinen-Kirchenführer, Braunschweig 1961; ders., St. Magni, Braunschweig 1964; ders., St. Martinikirche zu Braunschweig, Braunschweig (o. J.); ders., Brüdernkirche und ehemaliges Franziskanerkloster in Braunschweig, in: Braunschweigisches Jb. 60, 1979, S. 37-64; Döll (wie Anm. 7); Hans Adolf Schultz, Die Johanniter im Lichte der Braunschweiger Stadtkernforschung, in: Braunschweigische Heimat 56, 1970, S. 37-49; Adolf Quast, Der St. Blasius Dom zu Braunschweig, seine Geschichte und seine Kunstwerke, Braunschweig 1975; Gerd Spies, Braunschweig. Das Bild einer Stadt im 18. Jahrhundert. Arbeiten der Braunschweiger Kupferstecherfamilie Beck, Braunschweig 1976; Garzmann (wie Anm. 6); Dorn, 1978 (wie Anm. 24); Jürgen Diestelmann/Johannes Kettel (Hgg.), Die Brüdernkirche in Braunschweig, Braunschweig (o. J.); Roderich Piekarek, Das Liebfrauenmünster St. Ägidien zu Braunschweig, Braunschweig 1982; Moderhack (wie Anm. 16); Hartmut Rötting (Hg.), Stadtarchäologie in Braunschweig. Ein fachübergreifender Arbeitsbericht zu den Grabungen 1976-1984, Hameln 1985 (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Bd. 3); Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, Braunschweig 1986 (Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, Bd. 21 / Gesamtreihe Bd. 64); Weinmann (wie Anm. 4). »
  120. Vgl. Spies, 1985, Bd. 2 (wie Anm. 16), Abb. 136, 145, S. 114, 119. »
  121. Vgl. ebd., Abb. 536-552, S. 479-495. »
  122. Hartwig Beseler/Niels Gutschow, Kriegsschicksale deutscher Architektur, Bd. 1, Neumünster 1988, S. 217-231 (Bürgerhäuser). »
  123. Vgl. Rudolf Fricke, Das Bürgerhaus in Braunschweig, Tübingen 1975 (Das deutsche Bürgerhaus, Bd. 20), S. 16-19 und Taf. 4-9. »
  124. Die zeitgenössische Abbildung des Brunnens mit Inschrift und beigefügter ‚Bedienungsanleitung‘ wurde zufällig im Gedenk- und Verfestungsbuch des Weichbildes Sack gefunden. - Als weitere mittelalterliche Quelle ist das Reliquienverzeichnis von 1482 (wie Anm. 9) zu nennen. »
  125. Vgl. Nr. 356, Anm. 4. »
  126. Vgl. Norbert Koch, Der Innenraum des Braunschweiger Domes (ehemalige Stiftskirche St. Blasii), in: Katalog Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650, hg. von Cord Meckseper, 4 Bde, Stuttgart 1985, hier Bd. 4, S. 485-513, bes. S. 485, 491. »
  127. Vgl. zum Begriff Epitaphium: Fidel Rädle, Epitaphium. Zur Geschichte des Begriffs, in: Epigraphik 1988. Veröffentlichungen der Kommission für die Herausgabe der Inschriften des Deutschen Mittelalters, hg. von Walter Koch, Wien 1990 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, Denkschriften, Bd. 213/Veröffentlichungen der Kommission für die Herausgabe der Inschriften des deutschen Mittelalters, Bd. 2), S. 305-310, hier S. 309f. - Die Vermutung, daß sowohl die Tabula Blasiana, wie das kleinere „Epitaphium“ als Gedenktafeln für die inschriftenlosen Welfengräber gedacht waren, wird gestützt durch die Überlegungen von Gerhard Schmidt, Zur terminologischen Unterscheidung mittelalterlicher Grabmaltypen, in: ebd., S. 293-304, hier S. 303: „Vor ein Problem eigener Art stellen uns jene Gräber, die gar keine Inschrift aufweisen und an denen sich auch keine Spur einer solchen ausmachen läßt. Daß sie seit jeher völlig unbezeichnet gewesen sein sollten, ist schon deshalb höchst unwahrscheinlich, weil es doch ihre vornehmste Aufgabe war, an die liturgische Memoria für eine bestimmte Person und an ein bestimmtes Datum, den „Jahrtag“ ihres Todes, zu erinnern. Man wird deshalb vermuten dürfen, daß Grabmäler ohne eigene Inschrift - (...) - in der Regel durch eine eigene, in ihrer Nähe angebrachte Gedenktafel, vielleicht auch durch eine gemalte Inschrift oder einen beschrifteten Totenschild identifiziert wurden.“ Über das Grabmal Ottos IV. siehe Hucker (wie Anm. 25), S. 625. »
  128. S.o., S. XXIIIf. »
  129. Zu Schmidts Veröffentlichungen (1816-1846) vgl. das Literaturverzeichnis; einiges unveröffentlichte Material aus seinen Forschungen zum Stift St. Blasii und zur Personengeschichte der Stiftsgeistlichkeit befindet sich im Stadtarchiv Braunschweig, Slg. Sack, H V, 129. - Schmidts früheste Veröffentlichung, Inscriptionum sepulcralium principum ac ducum Brunsvico-Luneburgensium in mausoleis hereditarii capituli S. Blasii mollites quiescentium, Braunschweig 1797, beruht auf dem durch die Renovierung 1707 geschaffenen Zustand und enthält deshalb keine älteren Grabschriften. »
  130. Die Biographien beider bei Spies, 1976 (wie Anm. 122), S. 29-37. »
  131. Dieses Becksche Material, das die Inschriften besonders betrifft, ist in die noch zu besprechende Sammlung von Carl Wilhelm Sack übergegangen. Sie befindet sich im Stadtarchiv Braunschweig unter der Sammelsignatur H V und wird in den Einzelartikeln in Übereinstimmung mit der von Dietrich Mack angelegten Inschriftensammlung mit der Sigle ‚Sack‘ angeführt. »
  132. Sack, H V, 90, S. l-39a. »
  133. So Manfred R. W. Garzmann, Ludwig Hänselmann (1834-1904). Erster hauptamtlicher Stadtarchivar Braunschweigs, Braunschweig 1984 (Stadtarchiv und Stadtbibliothek Braunschweig, Kleine Schriften, Bd. 12), S. 12. Ähnlich äußert sich auch Richard Moderhack, Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek Braunschweig, Braunschweig 1961, S. 25; vgl. auch Spies, 1976 (wie Anm. 122), S. 36. »
  134. Vgl. Dürre, 1861 (wie Anm. 1), S. 671-740. »
  135. Schröder/Assmann 2 (wie Anm. 71), S. 138-192. »
  136. Bethmann, 1861 (wie Anm. 1). »
  137. Ludwig Conrad Bethmann, Das Grab der Gräfin Gertrud in der Burgkirche, in: Braunschweigisches Magazin 73, 1860, S. 133-136. »
  138. Carl Schiller, Die mittelalterliche Architectur Braunschweigs und seiner nächsten Umgebung, Braunschweig 1852, S. 47. »
  139. Heinrich Brandes, Der Braunschweiger Dom mit seinen alten und neuen Wandgemälden, Braunschweig 1863. »
  140. Meier/Steinacker, 11906 (wie Anm. 122). »
  141. Meier/Steinacker, 21926 (wie Anm. 122), S. 12. »
  142. Vgl. Paul Clemen, Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden, Düsseldorf 1906 (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde, Bd. 32), S. 806. »
  143. Wilhelm Berges/Hans Jürgen Rieckenberg, Eilbertus und Johannes Gallicus. Ein Beitrag zur Kunst- und Sozialgeschichte des 12. Jahrhunderts, Göttingen 1951 (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse, 1. Folge, Nr. 2). »
  144. Vgl. Rudolf Meier, Die Domkapitel zu Goslar und Halberstadt in ihrer persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter, Göttingen 1967 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 5/Studien zur Germania Sacra, Bd. 1), darin: III. Eilbertus und Johannes Gallicus (Ergänzungen zu einer Kontroverse), S. 413-428. Ergänzend dazu Hucker (wie Anm. 25), S. 411-414. »
  145. S.u., S. XLI. »
  146. Vgl. Mack, 1952 (wie Anm. 43), S. 196-227. Hier ist weiterhin auf sein Vorwort in diesem Band zu verweisen, in dem er wie in seinem Aufsatz die Verdienste einzelner Braunschweiger Gelehrter um die Bewahrung der Inschriften hervorhebt. »
  147. Vgl. Hans-Herbert Möller, Zur Geschichte des Marienaltars im Braunschweiger Dom - ein Reliquienfund, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 25, 1967, S. 107-118. »
  148. Fricke (wie Anm. 126). »
  149. Vgl. ebd., S. 78-85; die Unterschiede der Konstruktionstechnik zwischen diesem und dem Oberrähmsystem bes. in Abb. 113, 114, S. 82. »
  150. Vgl. dazu Meier/Steinacker, 21926 (wie Anm. 122), S 80. »
  151. Vgl. Fricke (wie Anm. 126), Taf. 99. »
  152. Vgl. ebd., Taf. 96b, 99b/c. »
  153. Vgl. Carl Wilhelm Sack, Die Befestigung der Stadt Braunschweig, in: Archiv des Historischen Vereins für Niedersachsen 1847, S. 213-312; 1848, S. 1-55; 1849, S. 282-321. »
  154. Es wird hier die Terminologie übernommen, die in den Bänden der DI seit Die Inschriften der Stadt Osnabrück, bearb. von Sabine Wehking, Wiesbaden 1988 (Die Deutschen Inschriften, Bd. 26), nach Übereinkunft der Bearbeiter gebräuchlich geworden ist: Die Grabplatte deckt das im Boden der Kirchen oder eines Kreuzgangs befindliche Grab; das Epitaph dient dem Totengedächtnis unabhängig vom Ort des Begräbnisses. Dabei ist die figürliche oder inschriftliche Ausgestaltung des Objekts nicht entscheidend. Beim Braunschweiger Typ des Andachtsbildes ist davon auszugehen, daß es, auch wenn die Inschrift es als Epitaph ausweist, wegen der Darstellung des leidenden Christus nicht als bodendeckender Stein denkbar ist, sondern aufrecht an einer Innen- oder Außenwand befestigt war. »
  155. Vgl. zum Begriff ‚Andachtsbild‘ den Artikel in der Theologischen Realenzyklopädie, hg. von Gerhard Krause, Gerhard Müller u.a., Bd. l-21(ff.), Berlin/New York 1977.1991 (ff.), hier Bd.2, S. 661-668 (Otto von Simson); ferner zur liturgischen Funktion des Andachtsbildes: Hans Joachim Krause, Imago ascensionis und ‚Himmelloch‘. Zum Bildgebrauch in der mittelalterlichen Liturgie, in: Friedrich Möbius/Ernst Schubert (Hgg.), Skulptur des Mittelalters. Funktion und Gestalt, Weimar 1987, S. 281-353, hier S. 334. »
  156. Vgl. das Regest der Urkunde vom 28. Mai 1392 im Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe, hg. von K. Janicke/Hermann Hoogeweg, 6 Bde, Hannover/Leipzig 1896-1911, hier Bd. 6, Nr. 1113, S. 753 und dazu Dürre, 1861 (wie Anm. 1), S. 490, der aber fälschlich von einem vierzehntägigen Ablaß spricht. »
  157. Auf diese Weise wurden 1811 sämtliche Glocken von St. Petri vernichtet, vgl. Schröder/Assmann 2 (wie Anm. 71), S. 180. »
  158. So Hans Pfeifer, Die Kirchenglocken der Stadt Braunschweig, in: Zs. für niedersächsische Kirchengeschichte 25, 1920, S. 81-113; 26, 1921, S. 141-157; 27, 1922, S. 14-18; 28, 1923, S. 86-100; 31, 1926, S. 53-72; 32/33, 1927/1928, S. 50-75; hier 27, 1922, S. 26. »
  159. Nr. 320-326; auch sie tragen Namen von in Braunschweig besonders verehrten Heiligen. »
  160. Die bei Rehtmeyer, Kirchen-Historie (wie Anm. 1), oder bei Schröder/Assmann (wie Anm. 71) aufgeführten Inventarlisten der Braunschweiger Kirchen waren bereits Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr gültig, die meisten Stücke nicht mehr vorhanden. Bethmann, 1861 (wie Anm. 1), S. 558f., beklagte die immensen Verluste an mittelalterlichen Kunstgegenständen in der ersten Hälfte seines Jahrhunderts. »
  161. Vgl. Kat. Stadt im Wandel 2 (wie Anm. 129), Nr. 1134, S. 1313. »
  162. Vgl. Hans Georg Gmelin, Spätgotische Tafelmalerei in Niedersachsen und Bremen, München/Berlin 1974, S. 407-420. »
  163. Vgl. die Vermutung Gmelins (wie Anm. 166), S. 433; ebenso Kat. Stadt im Wandel 1 (wie Anm. 129), S. 181. Zu einigen vergleichbaren Werken vgl. Nr. 327, Anm. 43, 44. »
  164. Mack, 1952 (wie Anm. 43), S. 206-212. »
  165. Auf das im Vergleich zu den Ergebnissen der bereits edierten Bestände frühe Vorkommen volkssprachiger Inschriften in Braunschweig ist 1988 auf der Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik in Graz hingewiesen worden: Christine Wulf, Versuch einer Typologie der deutschsprachigen Inschriften, in: Epigraphik 1988 (wie Anm. 130), S. 127-137, hier S. 131. Hier wie auch bei Renate Neumüllers-Klauser, Frühe deutschsprachige Inschriften, in: Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter 1100-1500. Regensburger Colloquium 1988, hg. von Nikolaus Henkel/Nigel F. Palmer, Tübingen 1992, S. 178-198, bes. S. 181, werden als Inschriftentypen speziell die Bau-, Künstler- und Stifterinschriften als Beispiele früher Verwendung der Volkssprache genannt. Dem entsprechen die Braunschweiger Bestände aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Eine niederdeutsche Künstlerinschrift ist jedoch nicht nachgewiesen. »
  166. Mack, 1952 (wie Anm. 43), S. 206. »
  167. Inschriften der Stadt Hameln, bearb. von Christine Wulf, Wiesbaden 1989 (Die Deutschen Inschriften, Bd. 28), S. XXVIII»
  168. Vgl. Fricke (wie Anm. 126), Abb. T 18, 96a, 99b, 102b, 106a, 105d. »
  169. Vgl. Nr. 104 [1432], Nr. 112 [1437], Nr. 138 [1454], Nr. 171 [1469]. (In eckigen Klammern jeweils das Jahr der Entstehung). »
  170. Vgl. Nr. 81 [1407], Nr. 105 [1432], Nr. 130 [1450], Nr. 190 [1489] erhalten, Nr. 247 [1490], Nr. 339 [1510], Nr. 345 [1511]. »
  171. Vgl. Nr. 105 [1432], Nr. 263 [1496], Nr. 405 [1526]. »
  172. Vgl. Nr. 152 [1464/1468/1469], Nr. 167 [1469], Nr. 252 [1491]. »
  173. Vgl. Nr. 124 [1447], Nr. 125 [1447], Nr. 131 [1451], Nr. 168 [1469], Nr. 219 [1483], Nr. 181 [1504]. »
  174. Vgl. Nr. 123 [1447], Nr. 139 [1454], Nr. 145 [1461], Nr. 242 [1490]. »
  175. Vgl. Nr. 153 [1466]. »
  176. Vgl. Nr. 159 [1467]. »
  177. Vgl. Nr. 218 [1483]. »
  178. Vgl. Nr. 260 [1495], Nr. 383 [1523]. »
  179. Vgl. Nr. 117 [1440], Nr. 248 [1490], Nr. 355 [1514]. »
  180. Mack, 1952 (wie Anm. 43), S. 218f. Vgl. den sehr ähnlichen Wortlaut einer Hamelner Hausinschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: DI 28 (Hameln; wie Anm. 173), Nr. 52a, S. 133. »
  181. Ebd. S.XXIX; Mack, 1952 (wie Anm. 43), S. 219f. »
  182. Vgl. dagegen DI 26 (Osnabrück; wie Anm. 157), S. XVIIIf. »
  183. S.o. S. XXII. »
  184. Als Beispiel für ein gleichermaßen schlichtes Formular der Grabschriften eines Dom- bzw. Stiftsklerus könnten die Inschriften auf den Grabplatten der Mitglieder des Aachener Stiftskapitels herangezogen werden; vgl. Die Inschriften des Aachener Doms, bearb. von Helga Giersiepen, Wiesbaden 1992 (Die Deutschen Inschriften, Bd. 31), S. XXIXf. »
  185. S.o., S. XLIIIf. »
  186. Die Vermutung von Pfeifer, 1922 (wie Anm. 162), S. 26, daß es sich um einen Nachfolger aus der Familie der rheinischen Glockengießer Sifride handeln könnte, muß nach der neueren Forschung als unrichtig gelten. Vgl. Jörg Poettgen, Magister Sifride. Ein Kölner Glockengießer des 14. Jahrhunderts, in: Jb. des Kölnischen Geschichtsvereins 58, 1987, S. 35-66. »
  187. Hans Pfeifer, Glockengießergeschlechter im Lande Braunschweig, Braunschweig 1927, S. 7-9. »
  188. Vgl. Margarete Schilling, Glocken. Gestalt, Klang und Zier, München 1988, S. 134, die ihn als den „wohl verbreitetsten Glockenspruch“ ansieht. »
  189. Ebd., S. 28. »
  190. Claus Peter, Die Glocken des Meisters Gherardus de Wou - musikalische Vorbilder des Frankfurter Domgeläutes von 1877, in: Frankfurter Glockenbuch, hg. von Konrad Bund, Frankfurt/M. 1986 (Mitteilungen aus dem Frankfurter Stadtarchiv, Bd. 4), S. 355-405, hier S. 374. »
  191. Ebd., S. 373. »
  192. Vgl. Nr. 7, Fn. a. »
  193. So wurden in den Kölner Schnitzerwerkstätten charakteristische Muster und Vorlagen „über mehrere Generationen hinweg unverändert" übernommen; vgl. Kat. Ornamenta Ecclesiae 2 (wie Anm. 54), S. 414. »
  194. Vgl. Rudolf M. Kloos, Einführung in die Epigraphik des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Darmstadt 1980, S. 127; Wilhelm Berges/Hans Jürgen Rieckenberg, Die älteren Hildesheimer Inschriften bis zum Tode Bischof Hezilos († 1079). Von Wilhelm Berges (†); aus dem Nachlaß hg. und mit Nachträgen versehen von Hans Jürgen Rieckenberg, Göttingen 1983 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 131), S. 81.  »
  195. So Bethmann, 1861 (wie Anm. 1), S. 540; vgl. Nr. 21, Fn. a. »
  196. Vgl. Berges/Rieckenberg, 1983 (wie Anm. 202), S. 77f. »
  197. dazu Kloos (wie Anm.202), S. 131; Peter Rück, Die Schriften, in: Evangeliar, Kommentar 1989 (wie Anm. 47), S. 122-145, hier S. 153, Anm. 166. »
  198. Die gleiche Feststellung auch DI 26 (Osnabrück; wie Anm. 157), S. XXVII; vgl. auch die ebd., Anm. 88 angegebene Literatur. »
  199. Vgl. die Verbindung beider Sprachen, hier auch unterschiedlicher Schriftformen auf einem Grabstein von 1376 bei Renate Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache in Bau- und Künstlerinschriften, in: Karl Stackmann (Hg.), Deutsche Inschriften, Göttingen 1986 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 151), S. 62-81, hier S. 72; zur Verbindung von gotischer Minuskel und Volkssprache auch S. 79f. »
  200. Aus der Fertigung der Grabmäler in unterschiedlichen, möglicherweise nicht immer am Ort befindlichen Werkstätten könnten sich auch in Braunschweig Abweichungen im Schriftcharakter erklären lassen. Vgl. die Überlegungen dazu in: Die Inschriften der Stadt Fritzlar, bearb. von Theodor Niederquell, München 1974 (Die Deutschen Inschriften, Bd. 14), S. XXIII und DI 26 (Osnabrück; wie Anm. 157), S. XXVII»
  201. Fricke (wie Anm. 126), Taf. 102b. »
  202. Ebd., Taf. 99c, d, e. »
  203. Vgl. über den Einfluß der Textura und des frühen Buchdrucks auf die Formen der Minuskel im späten 15. und im 16. Jahrhundert: Die Inschriften des Landkreises Ludwigsburg, bearb. von Anneliese Seeliger-Zeiss/Hans Ulrich Schäfer, Wiesbaden 1986 (Die Deutschen Inschriften, Bd. 25), S. XLV»