Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 80† Münster 1166 – vor 1579

Beschreibung

Erinnerungsinschrift und Translationsnachricht auf unbekanntem Träger im Chor. Maße, Ausführung und Verbleib unbekannt.

Wortlaut nach Helman († 1579). Die inschriftliche Ausführung von B ist nicht gesichert.

  1. A

    Hos sanctos rex Maximinus, Helena, GerhardusOccidit, reperit, transtulit ecce locus.

  2. B

    Translatio facta est anno Dominicae incarnationis M. CLXVI

Übersetzung:

Siehe, (dies ist) der Ort, an dem König Maximinus diese Heiligen getötet, Helena sie aufgefunden, Gerhard sie erhoben hat. (A)

Die Erhebung erfolgte im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1166. (B)

Versmaß: Elegisches Distichon mit Endreim (Caudati) (A).

Kommentar

Ob die Translationsnachricht (B) inschriftlich ausgeführt war, ist nicht gesichert. Die Abschrift bei Helman deutet aber darauf hin: Die erste Zeile endete mit dem Wort incarnationis, das er dann aber durchstrich und auf der nächsten Zeile in derselben Schreibweise wiederholte, so als habe er die Anordnung der Inschrift auf dem Träger wiedergeben wollen.

Der Versifikator der Inschrift A hat sich der rhetorischen Figur des „singula singulis“ bedient, bei der auf die Aufzählung mehrerer Subjekte die Aneinanderreihung der entsprechenden Prädikate folgt. Der Text läßt vermuten, daß es sich bei den Versen um eine Beischrift zu einer bildlichen Darstellung gehandelt hat, die die Patrone des Cassiusstiftes, Cassius, Florentius und Mallusius, zeigte. Man wird dabei zunächst an eine Wandmalerei denken, zumal die Inschrift ausdrücklich auf die Kirche selbst als den Ort des Geschehens hinweist.1) Unter den Ende des 19. Jh. aufgedeckten Resten von Malereien an den Wänden und im Gewölbe des Chores, die dem 12. bis 18. Jh. zugeordnet wurden, befinden sich zwar keine als solche erkennbaren Darstellungen der betreffenden Heiligen; im Zuge der Neugestaltung des Kircheninnenraumes Ende des 17. und Anfang des 18. Jh. wurden jedoch ältere Malereien etwa in den Gewölbefeldern übermalt, die z. T. nicht mehr rekonstruiert werden konnten.2) Einen sicheren Ansatz für die Datierung der Inschriften können nur der Zeitpunkt der Reliquientranslation einerseits und die kopiale Überlieferung andererseits als Eckdaten liefern. Manches spricht allerdings für ihre Entstehung schon kurz nach dem Translationsakt: Die Inschriften wären dann im Zuge der Fertigstellung des neuen Chores ausgeführt worden, vielleicht zusammen mit anderen auf die Stiftspatrone Bezug nehmenden Inschriften (vgl. Nr. 61). Die Translationsnachricht wäre – sofern sie tatsächlich inschriftlich ausgeführt war – ebenfalls in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis selbst fixiert worden. Schließlich mag man auch die Erwähnung des Propstes Gerhard als Initiator der Translation als Argument für eine Datierung ins 12. Jh. werten.

Anmerkungen

  1. Aus diesem Grunde ist es eher unwahrscheinlich, daß die Inschriften auf einem Tafelbild bzw. Altarretabel oder einem der 1583 zerstörten Reliquienschreine angebracht waren. Über die Gestaltung der Schreine berichtet der Bonner Dekan Hartmann im Jahre 1622, sie seien mit „praefixis singulorum titulis“ ausgestattet gewesen (AASS Oct. V, p. 48).
  2. Schneider, Wand- und Gewölbe-Malerei, Sp. 443f.; Clemen, Roman. Monumentalmalerei, S. 438f.

Nachweise

  1. UB Halle, Helman, S. 65.
  2. Levison, Bonner Urkunden, S. 221 (nach Helman).

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 80† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0008001.