Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 34(†) Rhein. Landesmuseum 2. D. 14. Jh.

Beschreibung

Altarretabel mit Stifterinschrift und Bildbeischrift (Inv.-Nr. U 2143). Stammt aus der katholischen Pfarrkirche St. Gallus in Küdinghoven. Beim Neubau der dortigen Pfarrkirche 1843–1845 hinter dem Altar aufgefunden und ins Museum verbracht.1) Trachyt, mit Teer oder Pech bestrichen und mit Tempera bemalt. Sehr schlechter Erhaltungszustand. 1982 restauratorisch behandelt. Das Retabel zeigt die Verkündigung an Maria: Vor einem gestirnten Hintergrund steht in der Mitte Maria mit einem Buch in der linken Hand; links der kniende Engel, zwischen ihnen der Heilige Geist in Gestalt der Taube. Rechts steht Gregorius Maurus mit Schwert und Rüstung (Kettenpanzer und Schild). Alle drei Figuren halten vertikal verlaufende Spruchbänder in der Hand, deren Inschriften schon Mitte des 19. Jh. nicht mehr erkennbar waren. Zu Füßen Mariens kniet die kleine Figur eines geistlichen Stifters in Orantenhaltung. Die Szene wird von zwei 27,5 cm breiten, nach außen von spätromanischen Säulchen begrenzten Pfosten gerahmt, auf die stehende Engel mit Stäben, offenbar als Türwächter gemeint, gemalt waren (heute verloren). Die aufgemalten, heute vollständig verlorenen Beischriften unter der Darstellung waren schon 1879 für aus’m Weerth nur noch als eine „jetzt fast gänzlich zerstörte Schriftzeile, von deren Resten uns eine frühere, jedoch offenbar ohne Verständnis angefertigte fehlerhafte Abschrift vorliegt“, erkennbar.2)

Inschriften nach aus’m Weerth, dort gelesen nach der erwähnten Abschrift auf einer Lithographie von Aimé Henry.

Maße: H. 62, B. 85 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel?

  1. A

    Nic(olaus) Abb(as) Voiginu(s) me fecit MCC[- - -]

  2. B

    [Grego]RIVS mor(us) martyr

Übersetzung:

Abt Nikolaus ... ließ mich machen 12[...].

Kommentar

Die Überlieferung der Inschriften ist in jeder Hinsicht äußerst fragwürdig. Henrys Nachzeichnung erweckt bereits Verdacht hinsichtlich des Schriftwechsels in Inschrift B, wo er beim Namen des Märtyrers einige Majuskelbuchstaben (darunter spitzes V) notiert und dann, wie bei Inschrift A, in gotischer Minuskel fortfährt. Es ist kaum anzunehmen, daß hier der Originalzustand wiedergegeben wird. Ob die ursprünglichen Inschriften aber von Henry falsch entziffert oder bereits zuvor durch Überarbeitungen verändert wurden, kann in diesem Fall am Original aufgrund seines miserablen Erhaltungszustands nicht mehr überprüft werden. Auch die Inschrift A gibt Rätsel auf, denn der (vielleicht verlesene) Ortsname (?) Voiginus ist unverständlich. Im allgemeinen wird der wohl als Auftraggeberinschrift zu deutende Text auf den Siegburger Abt Nikolaus II. (von Lahnstein) bezogen.3) Da aber Voiginus weder Siegburg noch Lahnstein in der jeweiligen lateinischen Fassung meinen kann, bleibt diese Zuordnung spekulativ. Sie basiert offensichtlich nur auf dem Abtsnamen einerseits und der örtlichen Nähe Siegburgs zu Küdinghoven andererseits. Aus der Annahme, Nikolaus von Lahnstein sei als Stifter des Retabels belegt, wird der Schluß auf die Datierung des Stückes in seine Regierungszeit zwischen 1358 und 1364 gezogen.4) Nun bestehen stilistisch keine Einwände gegen eine Entstehung der Malerei im zweiten Drittel des 14. Jh., und auch die Verwendung der gotischen Minuskel für die Beischriften steht dem nicht entgegen.5) Man wird daher eine Verbindung zu Abt Nikolaus II. von Siegburg auch nicht ausschließen können.

Anmerkungen

  1. Schmidt, S. 52.
  2. aus’m Weerth, S. 30.
  3. Zu Nikolaus II. siehe E. Wisplinghoff, Die Benediktinerabtei Siegburg (Germania Sacra N. F. 9), Berlin/New York 1975, S. 164.
  4. aus’m Weerth, Schmidt, Scholl.
  5. Schmidt datiert allerdings die spätromanischen Säulchen stilistisch ins 13. Jh. und schließt daraus, daß die Bemalung des Retabels bereits auf eine Überarbeitung bzw. Neufassung zurückgeht (S. 54).

Nachweise

  1. aus’m Weerth, Wandmalereien, S. 30.
  2. Hans M. Schmidt, Auf Stein gemalt. Das gotische Retabel aus Küdinghoven, Rhein. Landesmus. 4/83, S. 52–56 (54).
  3. Schmoll, Pfarrkirche St. Gallus, S. 11.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 34(†) (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0003409.