Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 8 Rhein. Landesmuseum 11. Jh.?

Beschreibung

Fragment eines Gedenksteins (Grabsteins oder „Memoriensteins“)1) mit Memorialinschrift für einen Wiveraht (ohne Inventarnr., Standort 1.07.05). Stammt aus dem Westwerk des Münsters. Rotsandstein. Das Mittelfeld der durch Wölbungen, Rillen und eine Kehlung gerahmten2), ursprünglich hochrechteckigen Platte dürfte, wie die anderen hochmittelalterlichen Gedenksteine, ein in Umrissen eingehauenes lateinisches Kreuz gezeigt haben, auf dessen Balken die Inschrift verteilt war. Etwa das obere Drittel und der untere Rand wurden im Zuge einer Zweitverwendung abgeschlagen. Erhalten ist der Mittelteil der Platte unterhalb des waagerechten Kreuzbalkens. Inschriftreste auf dem durch zwei eingehauene Linien angedeuteten senkrechten Kreuzbalken.

Maße: H. 58, B. 55, Bu. 4–4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. [- - -] WIVERAHT L[- - -]a)

Kommentar

Das Formular der Inschrift wird den Todestag des Wiveraht in römischer Datierungsform nach Kalenden, Nonen oder Iden (auf dem Querbalken des Kreuzes) sowie den Sterbevermerk (auf dem Längsbalken) enthalten haben. Der Männername Wiveraht ist weder bei Förstemann3) noch bei Bach4) nachgewiesen; vielfach belegt ist die Namensform Widerad.5)

Der Stein ist als Spolie im Westteil des Münsters verwendet worden. Es ist allerdings nicht gesichert, daß er bereits bei der Errichtung des Bauteils um die Mitte des 11. Jh. eingefügt wurde. Da die nur ungenau angegebene Fundsituation deshalb zur Datierung des Steins letztendlich nichts beitragen kann, stützt diese sich auf den paläographischen Befund. Ungeachtet des großen, ungleichmäßigen Buchstabenabstands wurde die Schrift sorgfältig gehauen. Die Hasten und Bögen enden in kleinen, kaum ausgearbeiteten Sporen. Einem schmalen A, H, V und W stehen ein T mit breitem Deckbalken und ein kreisrundes unziales E mit langem Mittelbalken gegenüber. V und das verschränkte W sind leicht nach links geneigt, das spitze A hat keinen Balken. Die Cauda des R ist leicht nach außen gebogen. Alle Buchstabenformen sind vom Ende des 10. bis ins 12. Jh. hinein möglich, doch scheint der Entwicklungsstand der Schrift am ehesten ins 11. Jh. zu passen.6)

Textkritischer Apparat

  1. Vielleicht zu LAICVS zu ergänzen (vgl. Nr. 3).

Anmerkungen

  1. Die Funktion des Steins ist nicht mit Sicherheit zu klären. Siehe dazu die Einleitung, S. XXXI ff.
  2. Die Profilierung des Rahmens entspricht der des (ebenfalls nicht sicher datierbaren) Steins Nr. 11.
  3. Altdeutsches Namenbuch.
  4. Namenkunde.
  5. Zur sprachgeschichtlichen Einordnung der Namensform vgl. Tiefenbach, passim.
  6. Funken: spätes 10. Jh.; Nisters-Weisbecker: 11. Jh.

Nachweise

  1. Funken, Anmerkungen, S. 330.
  2. Nisters-Weisbecker, S. 274, Nr. 78 u. Abb. 36.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 8 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0000809.