Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 78 Dottendorf, alter Friedhof 1575

Beschreibung

Grabkreuz für Sibylle (Biell) Leieians.1) Stammt vom Kirchhof der 1895 abgerissenen romanischen Kirche St. Quirin.2) Trachyt mit großen Sanidin-Einsprenglingen. Schlichtes, schmuckloses Kreuz mit geraden Armenden und konischem Schaft.

Maße: H. 87,5, B. 52,5, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. ANNO / 1575 / 25 Ta) IAN(VARI)b)I OBIJTc) / BIELL LEIEIANS / HAVSSd) / CVI(VS)e) A(NIMA) / R(EQVIESCAT) I(N) P(ACE)

Kommentar

Kürzungszeichen fehlen mit Ausnahme eines us-Hakens. Das R in R(EQVIESCAT) entspricht dem kapitalen Z. Der Steinmetz wandelt hier offenbar eine üblicherweise aus drei Schrägbalken gebildete Form des R ab, die aus dem Bogen- r der Minuskel abgeleitet ist.3) A hat einen Deckbalken und einen gebrochenen Mittelbalken, N ist retrograd ausgeführt, das O spitzoval. Der Bogen des C beschreibt nicht mehr als 180°, der Mittelbalken des H ist nach unten ausgebuchtet. Diese typischen Elemente der frühhumanistischen Kapitalis wurden hier zweifellos ganz bewußt für die Schriftgestaltung ausgewählt und bestimmen den Gesamteindruck der Schrift. Man wird die Schrift daher als frühhumanistische Kapitalis klassifizieren, auch wenn einige Buchstaben aufgrund ihrer Form und Proportionierung (etwa das breite kapitale E mit gleich langen Balken) schwerfällig und behäbig wirken und dem ornamentalen und leichten Charakter der frühhumanistischen Kapitalis in ihrer vollen Ausprägung widersprechen. Daß der Steinmetz die Formen der frühhumanistischen Kapitalis nach einer Vorlage gehauen haben muß, wird vor allem dadurch bestätigt, daß er das z-förmige R – offenbar aus Unkenntnis – abgewandelt und dadurch verschlimmbessert hat. Die völlige Übereinstimmung der Schriftformen läßt den Schluß zu, daß die Grabkreuze für Sibylle Leieians und das für ihre Verwandte Johanna Leieians (Nr. 79) vom selben Steinmetzen gefertigt wurden.

Ianvs ist als poetische Variante von „ianuarius“ = Januar belegt,4) deren Gebrauch in einer schlichten Grabinschrift wie der vorliegenden überrascht. Vielleicht erklärt sich die Form lediglich aus dem Ausfall eines vorgesehenen Kürzungszeichens.

Textkritischer Apparat

  1. T(AG)?
  2. Kürzungszeichen fehlt.
  3. Ligatur in Form eines Y mit kurzer linker, nach links gebogener und langer rechter, nach rechts gebogener Schräghaste.
  4. Gekürzt für HAVSSFRAW?
  5. Kürzung durch us-Haken in der Größe der Buchstaben.

Anmerkungen

  1. Bei Müller-Hengstenberg als unleserlich erwähnt (Grabkreuze, S. 54).
  2. Ebd., S. 47.
  3. Vgl. DI 41 (Landkreis Göppingen), Nr. 269 und die Einleitung, S. XLV.
  4. Georges II, „Ianus“, Sp. 15.

Nachweise

  1. Zink, Laterne 6, S. 32, Nr. 10.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 78 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0007801.