Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 39 Münster 2. H. 14., 4. V. 16. Jh. oder später

Beschreibung

Tumbendeckplatte mit Memorialinschrift für Ebf. Engelbert II. von Falkenburg († 1274) im Westbau. Die Tumba war im 18. Jh. vor der Südwand hinter der Kanzel,1) später unter der Orgel aufgestellt;2) Ende des 19. Jh. mit modernem Tuff-Unterbau ins nördliche Seitenschiff verbracht,3) 1967 in die Südwand des Westbaus eingefügt.4) Rotsandstein. Unter einem krabbenbesetzten Spitzbogen mit eingestelltem Kleeblattbogen liegt die überlebensgroße Figur des Verstorbenen im geistlichen Ornat mit Mitra und Stab. Die Augen sind geschlossen, die Hände über dem Bauch gekreuzt. Die Füße sind auf einen liegenden Löwen gestützt, der Kopf ruht auf einem Kissen. Darüber tragen zwei Engel in einem Tuch die als kniender Beter dargestellte Seele des Verstorbenen empor. Köpfe der Engel und der Seele erneuert. Inschrift an der oberen und linken Randschräge umlaufend, von außen lesbar. Schrift tief eingehauen.

Maße: H. 292, B. 113, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel/Fraktur (erste Schriftzeile), jeweils mit Versalien.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. Engelbertus de Falkenburga) Archiepis(copus) Col(oniensis) /floreat · in · celis · tua · laus · Verona · fidelis ·filia · tu · matris · Engilberti · quab) · patris ·Que · sua · metropolis · non · habet · ossa · colis

Übersetzung:

Engelbert von Falkenburg, Kölner Erzbischof. Dein Ruhm, treues Verona, möge in den Himmeln erstrahlen! Als Tochter der Mutter und des Vaters Engelbert pflegst du seine Gebeine, die die Bischofsstadt nicht besitzt.

Versmaß: Ein elegisches Distichon und ein Pentameter mit zweisilbigem leoninischem und einsilbigem Endreim (ab floreat).

Kommentar

Mit der ‚Mutter‘ der Tochter Bonn ist die römische Kirche gemeint, der der Kölner Erzbischof als ‚Vater‘ zur Seite gestellt wird. Ebf. Engelbert von Falkenburg (1261–1274) residierte wegen seiner anhaltenden Auseinandersetzungen mit der Stadt Köln überwiegend in Bonn, wo er am 20. Oktober 1274 verstarb.5) Da auf Köln das Interdikt lastete, konnte er dort nicht begraben werden. Nachdem sein Leichnam zunächst offenbar eher provisorisch bestattet worden war, ließ Ebf. Siegfried von Westerburg ihn feierlich beisetzen6) und stiftete 1295 zudem eine Memorie für seinen Vorgänger.7) Aus der Anbringung der Inschrift ist zu schließen, daß die Tumba, ähnlich wie die des Ebfs. Ruprecht von der Pfalz, mit der unbeschrifteten Langseite vor einer Wand gestanden hat. Die Tumbenplatte wurde bereits von aus’m Weerth und Clemen – offenbar aus stilistischen Gründen – als eine Arbeit des 14. Jh. bzw. aus der Zeit um 1400 beurteilt. Tatsächlich spricht aber auch der paläographische Befund dafür, daß die Inschrift erst deutlich nach dem Tode Engelberts ausgeführt wurde: Die auf der Langseite verwendete gotische Minuskel fand nach bisherigen Erkenntnissen im deutschen Kulturbereich allgemein vor dem 14. Jh. keine Verbreitung.8) Wenn die Ober- und Unterlängen der Buchstaben hier kaum ausgeprägt sind, so ist das wohl nicht nur durch die schmale Schriftleiste vorgegeben, sondern entspricht auch dem Stand der Schriftentwicklung, der sich mit dem der Gedächtnisinschrift für Ropertus de Tylia († 1369, vgl. Nr. 35) vergleichen läßt. Die Inschrift dürfte demnach in der zweiten Hälfte des 14. Jh. angefertigt worden sein. Der Text der Kopfzeile, der in der ältesten abschriftlichen Überlieferung bei Burman (1656) übrigens fehlt, ist in Fraktur ausgeführt, einer Schrift, die erst im 16. Jh. aufkam und in Bonn ab etwa 1580 bezeugt ist (vgl. Nr. 29, 82, 87). Name und Titel des Verstorbenen sind mithin in jüngerer Zeit hinzugefügt worden. Der V-Versal ist dem kapitalen Alphabet, der E- und der Q-Versal der gotischen Majuskel entnommen worden. Die Versalien der ersten Zeile stammen aus der Fraktur. Die Worttrennung erfolgt durch Quadrangeln. Der stilistische und paläographische Befund läßt zwei Deutungen zu: Entweder handelt es sich bei der Tumbenplatte um eine Zweitanfertigung, oder es wurde überhaupt erst in größerem zeitlichen Abstand eine Tumba errichtet (die vermutlich, wie die Tumben Ebf. Siegfrieds von Westerburg, vgl. Nr. 31, und Ebf. Ruprechts von der Pfalz, vgl. Nr. 50, nicht die Gebeine des Verstorbenen barg). Warum es zu einer verspäteten (Neu)Anfertigung der Tumbenplatte kam, entzieht sich unserer Kenntnis. Knipping hält es gar für unwahrscheinlich, „daß man in so später Zeit noch das Andenken an einen Mann in dieser kostspieligen Weise ehrte, der in der Kölner Bischofsgeschichte eine so wenig glückliche Rolle gespielt hat.“9) In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bedenken, daß die Inschrift inhaltlich nicht dem üblichen Formular von Grabinschriften entspricht. Eine Angabe zum Todestag oder zur Grabstätte des Verstorbenen fehlt, ebenso eine Fürbittformel. Eigentlicher Gegenstand der Inschrift ist vielmehr Bonn und seine ruhmvolle Rolle im Zusammenhang mit der Bestattung Engelberts. Es ist daher nicht auszuschließen, daß der Grund für die verspätete Ehrung des Erzbischofs in dem Wunsch nach Selbstdarstellung der Stadt zu suchen ist.

Textkritischer Apparat

  1. Engelbertus ... Col(oniensis)] fehlt bei Burman.
  2. Sic! que Burman, Hüpsch, Alfter, Vogel; quam Clemen, KDM. Die bei Burman, Hüpsch und Alfter überlieferte Variante que ist im Unterschied zu dem qua der Inschrift grammatisch (und prosodisch) korrekt.

Anmerkungen

  1. A. 16.
  2. Maaßen, Dekanat Bonn-Stadt, S. 124.
  3. Ebd.; Clemen, KDM, S. 87.
  4. JRD 30/31, 1985, S. 416.
  5. Janssen, Erzbistum Köln, S. 174–182.
  6. REK III, Nr. 2587. Vgl. Mart. Cont. Col, S. 361: „Sifridus archiepiscopus ... in monasterio s. Cassii Bunne, sicut et predecessor eius, quem negligenter positum honestius sepeliri fecerat, ... tumulatus est.“ Höroldts Angabe, Engelbert sei vor dem Petrusaltar bestattet worden, basiert darauf, daß er die Nennung der Grabstätte in der oben zitierten Quelle irrtümlich auf Engelbert, nicht auf Siegfried von Westerburg bezieht (St. Cassius, S. 310).
  7. REK III, Nr. 3446.
  8. Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache, S. 63–69.
  9. REK III, Nr. 2587.

Nachweise

  1. StA Bonn, Burman, Historia universalis, S. 71.
  2. HStAD, Cassiusstift, A. 16.
  3. Hüpsch, Epigrammatographie II, S. 23, Nr. 55.
  4. HAStK, Slg. Alfter, Bd. 47, Bl. 92r.
  5. Vogel, Chorographia, S. 136.
  6. aus’m Weerth, Münsterkirche, S. 18. -Clemen, KDM, S. 87.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 39 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0003901.