Inschriftenkatalog: Stadt Bonn
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 50: Bonn (2000)
Nr. 35 Münster, Kreuzgang 1369
Beschreibung
Gedenkstein (?) mit Memorialinschrift, Fürbitte und Auftraggeberinschrift für Rupert von der Linde (Ropertus de Tylia). Schiefer. Als Standort wurde im 18. Jh. die Westwand des Kreuzgangs nahe der Tür zur Kirche angegeben.1) Der Stein wurde im 19. Jh. in einen profilierten, steinernen Rahmen gefaßt und in die Südmauer eingefügt. Die zeilenweise angeordnete Inschrift nimmt annähernd die ganze Fläche des Steins ein.2) Der Text ist fortlaufend eingehauen, die verschiedenen Textteile sind optisch nicht voneinander getrennt.
Maße: H. 60, B. 93, Bu. 4,6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien aus der romanischen und der gotischen Majuskel.
· Anno · d(omi)ni · mo·ccco·lx nono · die · lune · / · decima · me(n)sis · septe(m)bris · obiit · ma/·gister · ropertus · de tylia · canonic(us) / · sussaciensis · cuius · anima · per · / · mi(sericordi)am · dei · requiescat · in sancta · pa/·ce · amen ·Maria · mater · deimisere/·re · ei ·Me · fecit · Joh(ann)es · d(i)c(t)us buflina)
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1369, am Montag, dem 10. September, verstarb Magister Ropertus de Tylia (von der Linde), Soester Kanoniker, dessen Seele durch die Barmherzigkeit Gottes in heiligem Frieden ruhen möge. Maria, Muttergottes, erbarme dich seiner! Mich ließ machen Johannes genannt Buflin.
Versmaß: Akzentrhythmisches Verspaar, fallende Fünfsilbler mit zweisilbig reinem Reim ( Maria – ei).
Textkritischer Apparat
- buflu Clemen, KDM.
Anmerkungen
- A. 16; siehe auch Pick.
- Pick gibt an, der Inschrift sei ein Wappen beigegeben, das er nach Fahne als Wappen der Familie Hasselt (grüner Baum in goldenem Schild) identifiziert. Das heute verlorene Wappen kann sich allerdings nur außerhalb der Platte befunden haben.
- Zum Problem der Abgrenzung von Inschriften siehe Bayer, Entwicklung des Reimes, S. 125–130.
- REK VI, Nr. 541.
- Sauerland 4, Nr. 631, S. 245.
- REK VI, Nr. 1078, 1094.
- Er ist weder in den Unterlagen des Cassiusstiftes noch in erzbischöflichen oder päpstlichen Quellen nachweisbar (Höroldt, St. Cassius, Personallisten; REK; Sauerland).
Nachweise
- HStAD, Cassiusstift, A. 16.
- Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 173.
- Clemen, KDM, S. 107.
Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 35 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0003506.
Kommentar
Die recht frühe gotische Minuskel zeigt sehr kurze Ober- und Unterlängen. Die Versalien sind überwiegend der gotischen Majuskel entnommen; das Wort Maria aber beginnt mit einem links geschlossenen unzialen M, dessen rechtes Bogenende nach außen gebogen ist, also einem typischen Buchstaben der romanischen Majuskel. Die Worttrennung erfolgt durch Quadrangeln; zudem markiert jeweils ein Quadrangel den Zeilenbeginn.
Der inschriftlich ausgeführte Text besteht aus drei Teilen, die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal (Prosa/Poesie/Prosa) voneinander unterscheiden. Da diese Teile jedoch am Träger in keiner Weise optisch voneinander abgegrenzt sind, sondern wie fortlaufender Text behandelt werden und ihre Inhalte sich durchaus harmonisch ergänzen, werden sie in der Edition als drei Teile einer Inschrift (und nicht als drei Inschriften) behandelt.3)
Ropertus de Tylia war Kanoniker des Soester Patroklusstiftes4) und Rektor der Soester Pfarrkirche St. Marien zur Wiese.5) Als erzbischöflicher Kleriker und Advokat der Kölner Kurie war er mehrfach mit der Regelung von Angelegenheiten des Erzstifts im Rheinland befaßt.6) Aus diesem Grunde mag er sich auch zum Zeitpunkt seines Todes in Bonn aufgehalten haben. Der Stein zeigt keinerlei Abnutzungsspuren. Wenn er je (als Grabplatte) auf dem Boden gelegen hat, so an einer Stelle, die nicht oder kaum begangen wurde. Wahrscheinlicher ist aber, daß es sich um einen Gedenkstein handelt, der von Beginn an an einer Wand angebracht war (vgl. Nr. 45). Ein örtlicher Zusammenhang mit dem Grab ist aus der Inschrift nicht zu erschließen. Möglicherweise war der Verstorbene im Grab eines anderen Kanonikers nachbestattet worden und hatte keine eigene Grabplatte erhalten, so daß ein Gedenkstein das Totengedenken sichern sollte. Die Wendung me fecit dürfte sich wohl auf den Auftraggeber des Steins beziehen. Über die Person des Johannes Buflin ist allerdings nichts bekannt.7)