Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 31† Münster 1297

Beschreibung

Tumba mit Memorialinschrift für Erzbischof Siegfried von Westerburg im Westbau unterhalb der Orgel.1) Die Seiten waren mit Metallplatten verkleidet, die eingravierte Darstellungen unbekannten Inhalts trugen; auf dem Deckel befand sich eine liegende Ganzfigur des Verstorbenen.2) Inschrift nach Picks Angabe auf dem „etwa handbreite(n) Kupferrand“3) der Deckplatte umlaufend, am Kopfende beginnend.4) Die Metallteile des Grabmals sollen nach dem Einzug der Franzosen 1794 eingeschmolzen worden sein.5)

Inschrift nach Burman (1656).6)

  1. Fulget Sifridus de Westerburg quasi sidus7)Lugduni festo Palmarum qui cathedratusEst eodem moesto planctu Bonnae tumulatus.Hic prius electus iacet hic modo pulvere tectus,Annis undenis postquam fuit eta) duodenisPraesul Agrippinae, sit ei requies sine fine.An(no)b) tria Cc) mille tribus Id) minus inclytus illeVicturus (Christo)e) de mundof) transiitg) isto.

Übersetzung:

Wie ein Stern strahlt Siegfried von Westerburg, der zu Lyon am Palmsonntag auf den Bischofsstuhl gehoben und an demselben Tage unter tiefer Trauer in Bonn begraben worden ist. Der hier zuvor Erwählte liegt hier, eben erst von Staub bedeckt, nachdem er elf und zwölf Jahre lang8) Bischof von Köln war. Es werde ihm Ruhe ohne Ende zuteil. Im Jahre dreihundert und tausend weniger drei mal eins ist jener Ruhm- und Siegreiche in Christo von dieser Welt gegangen.

Versmaß: Hexameter, V. 1, 4–8 mit zweisilbig reinem leoninischem Reim; V. 2 und 3 mit zweisilbig reinem Binnen- und Endreim.

Datum: 7. April 1297 (Palmsonntag).

Kommentar

Die Wendung pulvere tectus (V. 4) bezieht sich vermutlich auf die Handvoll Erde, die bei der Beerdigung ins Grab geworfen wurde.9) Wenn somit in poetischer Form auf die Bestattung des Erzbischofs angespielt wird, liegt es nahe, das Adverb modo (V. 4) im zeitlichen Sinne zu verstehen und nicht mit ‚nur‘, sondern mit ‚gerade eben‘ zu übersetzen.

Die Inschrift nimmt Bezug auf die Umstände von Siegfrieds Amtsantritt: Nachdem im Bonner Cassiusstift im November 1274 eine Doppelwahl stattgefunden hatte, bei der neun Kanoniker für einen anderen Kandidaten und nur der Dompropst für Siegfried gestimmt hatten, reiste Siegfried zum Konzil nach Lyon, wo ihn der Papst am 16. März 1275 tatsächlich konsekrierte.10) Der Hinweis in der Grabinschrift, sowohl die Einsetzung in das Bischofsamt als auch der Tod seien am Palmsonntag erfolgt, der 1275 wie auch 1297 auf den 7. April fiel, ist falsch.11) Selbst wenn man annimmt, daß die eigentliche Einsetzung – wie es häufig der Fall war – erst einige Zeit nach der Weihe stattgefunden hat, so muß sie jedenfalls bis zum 3. April erfolgt sein; an diesem Tag nämlich stellte Papst Gregor X. eine Urkunde aus, in der er Siegfrieds Weihe zum Erzbischof und die Überreichung des Palliums bestätigte.12) Da zum Zeitpunkt seines Todes noch das Interdikt auf Köln lastete, wurde der Erzbischof in der Kirche des Bonner Cassiusstiftes „ante altare beati Petri“, also im Westchor der Kirche, begraben.13) Die gemauerte Gruft, die seinen Sarg barg, wurde 1947 ergraben.14) Das Grab war bereits zuvor (vermutlich um 1780) geöffnet und teilweise ausgeraubt worden.

Textkritischer Apparat

  1. fuit et] fulget Vogel, A. 16, Hüpsch; fulet (mit Kürzungsstrich) Alfter.
  2. Bei Redinghoven vor der Zeile ad nachgetragen.
  3. CC Vogel, A. 16.
  4. II A. 16.
  5. Buchstabenbestand: Xto.
  6. mundus Vogel.
  7. transit Erkens.

Anmerkungen

  1. Vogel; A. 16.
  2. „In fine Ecclesiae Monumentum est laminis aeneis in eisque variis imaginibus incisis exornatum, cui innixa est resupina Episcopi figura.“ (Burman, Historia universalis, S. 71). Mart. cont. Col. berichtet, der Erzbischof sei „fusorio opere“ beigesetzt worden (MGH SS rer. Germ. in usum schol. [18], S. 361).
  3. Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 65. Vgl. auch A. 16: „aeneis limbis incrustato“.
  4. A. 16: „inscriptio a Capite incipit“.
  5. Ebd.
  6. Alfter bietet eine Nachzeichnung der Inschrift, derzufolge es sich bei der Schrift um eine romanische Majuskel mit wechselnd kapitalem und unzialem, stets aber offenem E gehandelt haben müßte. Alle anderen Buchstaben mit Ausnahme des eingerollten G zeichnet Alfter kapital. Eine solche Schrift entspricht kaum der Entstehungszeit im ausgehenden 13. Jh. Da Alfter in einem anderen Fall, nämlich bei der Inschrift der Tumba Ebf. Engelberts von Falkenburg (Nr. 39) nachweisbar eine Phantasieschrift überliefert, muß man damit rechnen, daß er auch hier den Schrifttyp falsch wiedergibt.
  7. Vgl. Mt 13,43: „Tunc isti fulgebunt sicut sol in regno Patris eorum.“ und Dn 12, 3: „qui autem docti fuerint fulgebunt quasi splendor firmamenti et qui ad iustitiam erudiunt multos quasi stellae in perpetuas aeternitates“.
  8. Der Verfasser der Inschrift rechnet hier offenbar vom Zeitpunkt der umstrittenen Wahl im November 1274 an. Siehe oben den Kommentar.
  9. Vgl. etwa Cicero, ..., : „pulvis exiguus“.
  10. REK III, Nr. 2591; Ann. Agripp., MGH SS 16, S. 736. Zu den Umständen der Wahl siehe Erkens, S. 56–60.
  11. Vgl. bereits REK III, Nr. 2591.
  12. A. Potthast, Regesta Pontificum Romanorum, Berlin 1875, S. 1695, Nr. 21015; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hrsg. v. L. Ennen, Bd. 3, Köln 1867 (ND Aalen 1970), S. 72ff., Nr. 99; vgl. REK III, Nr. 2594.
  13. Mart. cont. Col., MGH SS rer. Germ. in usum schol. [18], S. 361. Nach Angabe des Kölner Bischofskataloges erhielt Siegfried ein besonders prächtiges Begräbnis: „... honorabiliores exequias habuit, quam aliquis antecessorum suorum unquam habuerit.“ (Catal. archiep. Colon., MGH SS 24, S. 354).
  14. Siehe den Grabungsbericht in BJbb. 149, 1949, S. 359. Im Sarg fanden sich Reste eines priesterlichen Ornats, eine Mitra sowie Schmuck.

Nachweise

  1. StA Bonn, Burman, Historia universalis, S. 71.
  2. BSBM, Slg. Redinghoven, Bd. 17, Bl. 61v.
  3. HStAD, Cassiusstift, A. 16.
  4. Hüpsch, Epigrammatographie II, S. 23, Nr. 57.
  5. HAStK Slg. Alfter, Bd. 47, Bl. 91v (nach Hüpsch).
  6. Vogel, Chorographia, S. 138.
  7. Clemen, KDM, S. 91.
  8. Erkens, S. 372, Anm. 5.
  9. M. P. Koch, Das Grab Siegfrieds von Westerburg im Bonner Münster, in: Der Name der Freiheit 1288–1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute. Handbuch zur Ausstellung des Kölnischen Stadtmuseums in der Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln 29. 1. 1988–1. 5. 1988, hrsg. v. W. Schäfke, Köln 1988, S. 223.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 31† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0003108.