Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 29 Rhein. Landesmuseum 1210, 1583 oder wenig später

Beschreibung

Steintafel mit Grundsteinlegungsinschrift auf der Vorderseite und Erinnerungsinschrift auf der Rückseite (Inv.-Nr. 16739). 1583 nach der Sprengung der Godesburg auf einer Mauer der zerstörten Burg gefunden und von Hz. Ferdinand von Bayern, dem Bruder des Kölner Kurfürsten Ernst, zunächst der herzoglichen Sammlung einverleibt.1) In den 80er Jahren des 19. Jh. vom Bonner Geheimrat Hüffer aus dem Nachlaß Meyerfels (Meersburg am Bodensee) erworben, seit 1905/06 im Besitz des Provinzialmuseums Bonn (des heutigen Rhein. Landesmuseums).2) Schwarzer Kalkstein (sog. Belgischer Marmor), an den Rändern leicht beschädigt. Inschrift A in die Vorderseite eingehauen, darunter liegender Bischofsstab. Inschrift B innerhalb einer querovalen Rahmenlinie in Goldfarbe aufgemalt.

Maße: H. 15, B. 24, T. 2, Bu. 2 (A), 0,4 (B) cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel (A), Fraktur mit Versalien (B).

Reproduktion: Kurköln. Land unter dem Krummstab, Kevelaer 1985, Abb. 10-11 [1/2]

  1. A

    ANNO · D(OMI)NI · M·C·/·C·X· GVDENSBERG / · FVNDATVM · E(ST) · A · / · TEODERICO · EP(ISCOP)O · / I(N) · DIE · MAVROR(VM) M(ARTY)R(VM)a) ·

  2. B

    Diser Stain ist der Fundamentstain des Schloss / Zu Gudensperg im Cölnische(n) Bistumb gelegen, wellich/es Schloß den 17 Decemb(er) Im 1583 Jar durch den Durch/leücht(igsten) Fürsten und Herrn Herrn Ferdinande(n) den ersten diss / Namens Pfalzgraven bey Rhein Hertzogen In Obern und Nidern / Bayrn u(nd) In Namen Ir D(urchleuch)t(igsten) Herrn Bruedern des auch Hochwürdig/sten und Durchleucht(igsten) Fürsten un(d) Herrn, Herrn Ernsten erwöltem Ertz/bischoven Zu Cöln des H(eiligen) Röm(ischen) Reichs durch Italien ErtzCantzlern / und Churfürsten, Bischoven Zu Lüttich, Administratorn der Stift / Münster, Hildeshaim und Freising, Fürsten Zu Stahl, Pfaltzgraven / bey Rhein In Obern unnd Nidern Bayrn auch Zu Westphalen / Engern unnd Bullion hertzogen, Marggraven Zu Francimont / Zersprengt unnd mit stürmeter Hand eingenommen, und dis/er Stain Zu Oberist auf der Zersprengten Maur ge/funden worden.

Übersetzung:

Im Jahre 1210 ist die Godesburg begründet worden von Bischof Dietrich am Tage der maurischen Märtyrer. (A)

Datum: 15. Oktober.

Kommentar

Die sehr sorgfältig und gleichmäßig gehauene Majuskel der Inschrift A weist neben spitzem N und V eine Reihe runder Formen auf: E und T werden stets unzial verwendet, das G ist eingerollt. M ist wechselweise spitz mit parallelen Außenhasten und kurzem Mittelteil oder rund und vorne geschlossen gestaltet. Das durchgängig trapezförmige A hat einen breiten Deckstrich und einen gebrochenen Querbalken. Die Bogen- und Hastenenden weisen kurze Sporen auf, die auch bei E und C noch keine Tendenz zeigen, sich zum Abschlußstrich zu entwickeln. Die gelungene Proportionierung der Buchstaben unterstreicht den repräsentativen Charakter der Inschrift, für die mit der voll ausgeprägten romanischen Majuskel eine für die Entstehungszeit recht konservative Schrift gewählt wurde. Die Fraktur der Inschrift B steht als gemalte Inschrift hinsichtlich ihrer Formen und Zierelemente der Schreibschrift nahe. Mit einstöckigem a, dem allerdings nur zweimal verwendeten Bogen-r sowie mandelförmigen d und o weist sie typische Formen der Fraktur auf, neigt aber in der Gestaltung der Kleinbuchstaben insgesamt noch zu den eckigeren Formen der gotischen Minuskel. Die Versalien sind mit Zierlinien und -schleifen ausgeschmückt, ihre Bögen und Hasten vielfach in Schwellzüge aufgelöst. Bemerkenswert ist der in der fünften Zeile beim Wort Rhein verwendete R-Versal, der aus einer oben nach links umgebogenen und nach rechts geknickten Haste mit kurzem Mittelbalken besteht. Die Worttrennung erfolgt durch halbkugelig vertiefte Punkte.

Die genaue Tagesangabe in Inschrift A läßt darauf schließen, daß die Tafel aus Anlaß der Grundsteinlegung angefertigt wurde. Sie stellt zugleich ein Dokument erzbischöflichen Selbstbehauptungswillens gegen die Reichsmacht dar3): Im Thronstreit zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV. hatten der Kölner Erzbischof Adolf und die Stadt Köln für den Welfen Partei ergriffen. Ab 1198 kam es deshalb wiederholt zu Angriffen Philipps auf erzbischöfliche Positionen im Rheinland. Nach dem Überlaufen Adolfs zu Philipp von Schwaben konzentrierten sich dessen militärische Aktionen darauf, die Stadt Köln zum Einlenken zu bewegen. Der Bedrängung Kölns diente auch der Bau der Reichsburg Landskron an der Ahr. Auch nachdem Köln sich Philipp unterworfen hatte, dieser jedoch 1208 ermordet und Otto IV. somit zum Sieg verholfen worden war, blieb die Burg Landskron eine potentielle Bedrohung für das Erzbistum. Zur Abwehr möglicher Angriffe von Süden ließ Dietrich von Heimbach, seit 1208 Kölner Erzbischof, 1210 den Bau der Godesburg beginnen. Nach der Absetzung Dietrichs im Jahre 1212 blieb der Bau unvollendet. Erst unter Ebf. Konrad von Hochstaden (1238–1261) wurden die Arbeiten weitergeführt und unter Ebf. Walram von Jülich (1332–1349) zum Ende gebracht.4)

Inschrift B nimmt Bezug auf Ereignisse des Truchsessischen Krieges.5) Wie in der Stadt Bonn, so hatten sich auch in der Godesburg Truppen des vom katholischen Glauben abgefallenen und im März 1583 abgesetzten Kölner Erzbischofs Gebhard Truchseß verschanzt. Die bayerischen und spanischen Belagerungstruppen trieben einen Stollen in den Berg und sprengten von dort aus die Burg. Der in der Inschrift genannte Ernst von Bayern war im Mai 1583 zum Kölner Erzbischof gewählt worden, sein ebenfalls erwähnter Bruder Ferdinand (1550–1608) war Herzog von Bayern und auf katholischer Seite stark in die Auseinandersetzungen involviert.

Die Inschriften auf der Vorder- und der Rückseite der Tafel markieren somit nicht nur den Beginn und das Ende der Godesburg als Bauwerk und strategischer Stützpunkt, sondern verweisen zugleich auf die beiden wohl bedeutendsten krisenhaften Phasen in der politischen Entwicklung der Rheinlande vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges.

Textkritischer Apparat

  1. M und R ligiert, Kürzungsstrich durch die Cauda des R. INR. Alfter, Vogel.

Anmerkungen

  1. Vogel, S. 133.
  2. Hüffer, S. 124; BJbb. 116, 1907, S. 244 (Erwerbungsbericht des Provinzialmuseums).
  3. Zu den historischen Ereignissen siehe Rheinische Geschichte, Bd. 1,3, S. 237–246.
  4. Ennen/Höroldt, S. 58ff.
  5. Siehe Rheinische Geschichte, Bd. 2, S. 83–91.

Nachweise

  1. HAStK, Slg. Alfter, Bd. 47, Bl. 93v (A; B in Auszügen).
  2. Vogel, Chorographie II, S. 133 (A).
  3. H. Floß, Eroberung des Schlosses Poppelsdorf, Sprengung und Erstürmung der Burg Godesburg und Einnahme der kurfürstlichen Residenzstadt Bonn November 1583 – Februar 1584, AHVN 36, 1881, S. 110–178 (129).
  4. H. Hüffer, Der Denkstein der Burg auf dem Godesberg und das Schisma der Kölner Kirche von 1205–1216, AHVN 46, 1887, S. 123–159 (125) (mit Abb).
  5. Clemen, KDM, S. 284 (A).
  6. Kraus II, Nr. 501.
  7. Funken, Bauinschriften, S. 151, 153.
  8. Kurköln. Land unter dem Krummstab (Veröff. der staatl. Archive des Landes Nordrhein-Westfalen, Reihe C: Quellen und Forschungen Bd. 22), im Auftrage des Kultusministeriums von Nordrhein-Westfalen hrsg. vom Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv, Kevelaer 1985, S. 90f., Nr. 22 u. Abb. 10–11.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 29 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0002905.