Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 20† Münster 3. V. 12. Jh.

Beschreibung

Fragment eines Gedenksteins mit Erinnerungsinschrift für Gerhard von Are. Kalkstein. Weitgehend vollständig aufgezeichnet 1463 im Tagebuch des Stiftskanonikers Simon von Ahrweiler, der den Stein offenbar noch vor seiner Zweitverwendung gesehen hat.1) Seit dem 16. Jh. im Hochchor neben dem östlichen Pfeiler der Nordwand im Fußboden verbaut, im 19. Jh. durch die Holzverkleidung der Wand teilweise verdeckt.2) Bereits Johann Helman konnte in der zweiten Hälfte des 16. Jh. nur noch die rechte Hälfte des Textes lesen. Das Fragment ist seit der Restaurierung des Kircheninnenraumes 1887–1901 verloren.3) Inschrift zwischen Linien eingehauen.

Wortlaut nach Helman († 1579), Ergänzungen nach Simon von Ahrweiler (1463, bei Burman). Ligaturen, Kürzungen und Worttrennung nach Pick (1869).

Maße: H. ca. 30, B. ca. 30 cm.4)

Schriftart(en): Romanische Majuskel.5)

  1. [- - -]L REGNANTE · KV̊NRADO · IIo[SEDIS PROVISOR GERHA]RD(VS) · NOBILIS · HVIVS ·[HOC SATIS IN MELIVS STR]VXIT · (ET)a) · AVXIT · OPVS ·[IN LAVDES QVORVM SOL]VIT · TOT · VOTA · LABOR(VM)b) ·[SANCTI THEBAEI PRO]PICIENTVR · EI · c)

Übersetzung:

... während Konrad II. regierte.

Der edle Gerhard, Propst dieses Stiftes, hat dieses Werk ziemlich zum Besseren erbaut und vermehrt. Die heiligen Thebäer, zu deren Lob er so viele Gelübde erfüllt hat, mögen ihm gewogen sein.

Versmaß: 2 elegische Distichen (ab SEDIS), leoninisch gereimt (V. 2–4).

Kommentar

Mit Konrad II. ist nach der heute üblichen Zählung König Konrad III. gemeint. Er wird hier, wie auch in seinen Urkunden und in der Umschrift seines Siegels, als Konrad II. bezeichnet, da Konrad I. noch nicht zu den römischen Königen gezählt wurde.

Die erste Zeile der Inschrift war in Prosa abgefaßt. Wenn die Wiedergabe des Fragments bei Pick und Kraus zuverlässig ist, dann füllte der überlieferte Text etwa die zweite Hälfte der Zeile aus. Der verlorene Anfang dürfte demnach ebenfalls etwa eine halbe Zeile umfaßt haben. Die Verse 2 bis 4 der überlieferten Distichen sind leoninisch gereimt, im ersten Vers hingegen reimen GERHARDVS und HVIVS. Offen bleibt, warum der Verfasser der Inschrift statt „provisor“ = ‚Propst‘6) nicht den geläufigeren Begriff „prepositus“ gewählt hat, durch den sich auch in diesem Vers ein leoninischer Reim ergeben hätte.

Die Inschrift bezieht sich auf den Neubau des Chores unter Propst Gerhard von Are, der wohl kurz vor dem 14. September 1153 geweiht wurde.7) Der Abschluß der Bauarbeiten stellt den Terminus post quem für die Anfertigung der Inschrift dar. Da der Text keinerlei Hinweise darauf enthält, ob Gerhard zum Zeitpunkt seiner Abfassung bereits verstorben war, kann die Inschrift noch zu seinen Lebzeiten, ebenso aber nach seinem Tode entstanden sein. Die Schrift weist, soweit dies anhand der Nachzeichnung beurteilt werden kann, Ähnlichkeiten mit der romanischen Majuskel der nach 1156 ausgeführten Schwarzrheindorfer Weiheinschrift auf (vgl. Nr. 21): Eine Tendenz zur Rundung der Buchstaben ist noch nicht feststellbar; es werden mehrere Ligaturen und die tironische Kürzung des et verwendet. Diese Übereinstimmungen sprechen für eine Entstehung beider Inschriften in verhältnismäßig kurzem zeitlichem Abstand, selbst eine Abhängigkeit beider Inschriften voneinander ist nicht auszuschließen.

Textkritischer Apparat

  1. Tironisch.
  2. LABORE Pick. Der Endbuchstabe erklärt sich aus Picks Auflösung einer Kürzung.
  3. Pick konnte die letzte Zeile nicht mehr sehen und überliefert auch die restlichen Verse unvollständiger als Helman:

    [...]EGNANTE KV̊NRADO II°[...] NOBILIS. HVIVS.[...]T (ET) AVXIT OPVS[...] TOT VOTA LABOR.

Anmerkungen

  1. Überliefert bei Burman (1656). Simon von Ahrweiler gibt den Text ohne eine Angabe zum Anbringungsort wieder.
  2. „sub base sacrae eucharistiae in choro“ (Helman); siehe auch Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 168 und ders., BJbb. 78, 1884, S. 237.
  3. Clemen, KDM, S. 89.
  4. Angaben nach Pick.
  5. Schriftbestimmung nach Umzeichnung bei Pick, BJbb. 78.
  6. Zeitgenössische Belege für eine Verwendung des Wortes in diesem Sinne finden sich u. a. in zwei Urkunden Konrads III. (MGH DD IX 104 [1144] und 188 [1147]).
  7. Zum Weihedatum siehe Achter, Westchor, S. 247 Anm. 16.

Nachweise

  1. UB Halle, Helman, S. 65.
  2. StA Bonn, Burman, Historia universalis, Bl. 37.
  3. Pick, Bonner Zeitung 1869, Nr. 168.
  4. Ders., Bonn, mittelalterliche Inschrift in der Münsterkirche, BJbb. 78, 1884, S. 237.
  5. Perlbach, Codex traditionum, S. 169.
  6. Kraus II, Nr. 511/IV.
  7. Clemen, KDM, S. 89.
  8. Ders., Roman. Monumentalmalerei, S. 435.
  9. Levison, Bonner Urkunden, S. 221.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 20† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0002005.