Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 12† †St. Martin 10.–11. Jh.?

Beschreibung

Fragment eines Gedenksteins (Grabsteins oder „Memoriensteins“?)1) mit Memorialinschrift für einen Laien Facelin, von Helman „Bonnae in superficie altaris S. Martini supra testudinem“2) gesehen. Helman überliefert in seiner Zeichnung etwa die beiden unteren Drittel der Platte mit einem Teil eines senkrechten Kreuzbalkens, in den die Inschrift eingehauen war. Rahmen der Langseiten profiliert. Material und Verbleib unbekannt. Vermutlich beim Abriß der Kirche 1812 zerstört.

Inschrift nach Helman († 1579).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. [- - -] FACELIN LAICVSa)

Übersetzung:

... der Laie Facelin.

Kommentar

Der überlieferte Text bildete offenbar das Ende einer auf den Quer- und Längsbalken eines Kreuzes verteilten Grab- bzw. Gedenkinschrift, die vermutlich in Gestaltung und Formular den vergleichbaren Gedenksteinen des 10. bis 12. Jh. entsprach. Dabei folgte auf obiit das Sterbedatum (auf dem Querbalken) sowie der Name des bzw. der Verstorbenen, ggf. mit einer weiteren Angabe, hier laicus (auf dem Längsbalken). Es ist nicht auszuschließen, daß dieses Fragment und das Fragment Nr. 13 Teile desselben Gedenksteines waren, zumal sie an der gleichen Stelle – und wohl auch zur gleichen Zeit – als Spolien verwendet wurden. Nach Helmans Wiedergabe harmonierten die Rahmengestaltung und die Textanordnung bei beiden Fragmenten allerdings nicht in entsprechendem Maße. Helmans Ortsangabe ist schwierig zu deuten. Da er nur die Stadt, nicht aber die Kirche nennt, in der er das Fragment gesehen hat, ist zunächst an die Münsterkirche zu denken, die aber keinen Martinsaltar besaß. Helman bezieht sich daher offenbar auf die in unmittelbarer Nähe des Münsters gelegene Martinskirche, deren dem hl. Martin geweihter Hauptaltar sich in der Apsis befand.3) Rätselhaft bleibt, was Helman mit „testudo“ = ‚Gewölbe‘ meint. Die recht spärlichen Angaben über den Bau beinhalten keine Hinweise auf ein entsprechendes Bauglied an passender Stelle, und die Gestaltung der Altäre ist nicht überliefert. Möglicherweise war der Stein als Spolie in die Altarmensa eingefügt oder befand sich in einem steinernen Altaraufsatz.

Die Schrift zeigt ausschließlich kapitale bzw. spitze Formen. Da rein kapital geprägte Inschriften noch bis ins 12. Jh. hinein vorkommen, trägt die Paläographie der Inschrift nur wenig zu ihrer Datierung bei. Das gilt um so mehr, als der geringe Formenbestand für eine engere Eingrenzung zu unspezifisch und die Abzeichnung für eine paläographische Bestimmung zu unsicher ist. Selbst die einzige auffällige Buchstabenform, das A mit gebrochenem Mittelbalken, ist bis ins 13. Jh. bezeugt. Ein Datierungsversuch kann sich daher nur auf den baugeschichtlichen Befund stützen. Wenn man davon ausgeht, daß die Spolie bei der Errichtung der Kirche bzw. des Hauptaltares um 1130/40 verbaut wurde, so ist eine deutlich frühere Entstehung des Gedenksteins, etwa im 10. oder 11. Jh., zu vermuten. Diese Datierung wird durch den paläographischen „Befund“ nicht widerlegt, bleibt aber angesichts der Überlieferungslage fraglich.

Textkritischer Apparat

  1. S um 90° nach rechts gedreht.

Anmerkungen

  1. Die Funktion des Steins ist nicht mit Sicherheit zu klären. Siehe dazu die Einleitung, S. XXXI ff.
  2. „In Bonn an der Oberfläche des Altars des hl. Martin über dem Gewölbe“.
  3. Koch, Kirchen, S. 70.

Nachweise

  1. UB Halle, Helman, S. 66.
  2. Levison, Bonner Urkunden, S. 223.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 12† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0001203.