Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 4a Rhein. Landesmuseum um 780 – 1. H. 11. Jh.

Beschreibung

Wandputzfragment aus dem Münster (Inv.-Nr. D 560). 1947 bei Grabungen in der vom karolingischen Bau stammenden Schuttschicht gefunden, auf der Mitte des 11. Jh. der Kirchenneubau errichtet wurde. Buchstaben mit rötlicher Farbe auf hellem Grund aufgemalt. Über der Schrift sind geringe weitere rötliche Farbreste erkennbar, die vermutlich zu einer ornamentalen Malerei gehörten.

Maße: H. 4,7, B. 5,2, Bu. 1,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (?).

  1. [- - -]GV[- - -]a)

Kommentar

In welchem Zusammenhang und an welcher Stelle die sehr kleine Inschrift in der Kirche angebracht war, läßt sich nicht feststellen. Die bei Grabungen aufgefundenen Wandputzfragmente lassen nur auf eine ornamentale, nicht auf eine figürliche Ausmalung der Kirche schließen.1) Es dürfte sich bei der Inschrift also nicht um eine Bildbeischrift gehandelt haben.

Die sehr grobe Datierung ergibt sich aus der Fundsituation in Verbindung mit der Baugeschichte des Münsters. Die Untersuchung der Schrift kann anhand von nur zwei sicher lesbaren Buchstaben wenig zur zeitlichen Einordnung beitragen. Auf den ersten Blick erscheint die Strichstärke der Buchstaben – ebenso wie deren Gesamtproportion – recht breit, doch muß man bedenken, daß die Buchstabenhöhe nur 1,5 cm beträgt und ein feinerer Strich mit dem Pinsel nur schwer zu erreichen war. Beim V und bei der erhaltenen Haste des Buchstabens vor dem G (vgl. Anm. a) sind Sporen sichtbar, deren genaue Ausführung jedoch nicht mehr erkennbar ist. Das V hat eine Linksschrägenverstärkung. G ist eingerollt und entspricht damit nicht dem in karolingischer Zeit geförderten klassisch-antiken Schriftvorbild, ist aber so bereits gelegentlich in vorkarolingischen Inschriften belegt.2) Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß die Inschrift vor der Durchsetzung der karolingischen Schriftvorstellungen und somit etwa in der Bauphase der karolingischen Kirche um 780 oder wenig später ausgeführt wurde. Andererseits aber bezeugen zahlreiche Beispiele, daß das eingerollte G seit dem letzten Viertel des 10. Jh. recht verbreitet war,3) so daß ebenso eine Anbringung der Inschrift Ende des 10. bis Mitte des 11. Jh. möglich ist. Zwar entstanden Inschriften auf Wandputz vielfach im Zuge der erstmaligen Ausstattung einer Kirche, doch ist auch eine spätere Ausführung denkbar.4) Dabei wird man allerdings nicht unbedingt mit einer Ausmalung der Kirche kurz vor ihrem Abbruch rechnen. Am unwahrscheinlichsten ist die Entstehung der Inschrift im 9. und in der ersten Hälfte des 10. Jh., als der karolingische Einfluß auf die Gestaltung von Inschriften am größten war und das klassisch-antike G – soweit anhand der wenigen sicher karolingischen Inschriften nachprüfbar – durchgängig verwendet wurde.5) Man muß allerdings die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß das karolingische Ideal auch in den Inschriften des 9./10. Jh. nicht immer erreicht wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Vor dem G ist eine Haste mit Sporn am oberen Ende erkennbar (das untere Ende ist nicht mehr sichtbar). Vermutlich gehörte sie zu einem N, doch sind auch I oder M nicht auszuschließen.

Anmerkungen

  1. Freundliche Auskunft von Herrn Christoph Keller, Königswinter.
  2. Vgl. z. B. Merten, Frühchristliche Inschriften, S. 23 Nr. 3, 61 Nr. 24; Boppert, Frühchristliche Inschriften, S. 18. Dabei handelt es sich durchweg um Beispiele aus dem mittelrheinisch-trierischen Bereich. Demgegenüber finden sich im frühchristlichen Material des Rhein. Landesmuseums Bonn – zumindest soweit es im Katalog „Spätantike und frühes Christentum“ publiziert ist – keine entsprechenden Belege.
  3. Vgl. im rhein-maasländischen Bereich etwa die Notkertafel (Lüttich, Musée Curtius, 972 – 1008), die allerdings aus Elfenbein gefertigt ist (Rhein und Maas F 9). Weiterhin die Inschriften des Heinrichs-Ambos im Aachener Dom (1002 – 1014) (DI 31 [Aachen Dom], Nr. 19); Taufbecken des Rainer von Huy (Lüttich, St.-Bartélemy, 1007 – 1018) (Rhein und Maas G 1).
  4. M. Exner, Gemalte monumentale Inschriften. Kunsthistorische Einordnung ausgewählter frühmittelalterlicher Denkmäler aus Bayern, in: Inschriften und Material, S. 15 – 30 (29 f.).
  5. Vgl. etwa die bei Scholz, Karolingische Buchstaben, zusammengetragenen Beispiele.

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 4a (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k00004a5.