Inschriftenkatalog: Stadt Bonn

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 50: Bonn (2000)

Nr. 3 Münster, Kreuzgang 2. H. 10.–1. H. 11. Jh.

Beschreibung

Gedenkstein (Grabstein oder „Memorienstein“?)1) mit Memorialinschrift für die Laiin Remi[...]. Beim Bau der Krypta (um 1060/70) als Spolie unter einer Säule vermauert. Seit Mitte des 19. Jh. in die Südmauer des Kreuzgangs eingelassen.2) Kalkstein, Oberfläche und Ränder unter Schriftverlust teilweise stark abgewittert und ausgebrochen. Am Rand läuft außerhalb eines durch gravierte Linien und eine Hohlkehle gebildeten Rahmens die weitgehend unleserliche Inschrift B um, beginnend an der oberen Schmalseite. Im Mittelfeld ein in Umrissen eingehauenes lateinisches Kreuz mit Inschrift A, beginnend auf dem Querbalken. In den beiden Feldern oberhalb des waagerechten Kreuzarmes halbfigurige Personifikationen von Sol (als Mann mit Strahlenkranz) und Luna (als Frau mit der Mondsichel auf dem Kopf) in Flachrelief auf eingetieftem Grund. Neben dem unteren Ende des senkrechten Kreuzbalkens beidseitig Palmetten, ebenfalls in Flachrelief.

Ergänzungen der Inschrift B nach aus’m Weerth.

Maße: H. 78, B. 37, Bu. 3,8 (A), 2,7 (B) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. A

    [K](A)L(ENDIS) OCT(O)BR(IS) / OBIIT REMI[.......]Aa) · LAICA

  2. B

    [- - -DILIGAM ..V/....A · CARITA. DEO ES ...VI DILIGIT ER]/AṬEM SV[...VII./.......TVS EST VIVIT IN E]O +

Übersetzung:

An den Kalenden des Oktober starb die Laiin Remig[.......]. (A)

Datum: 1. Oktober.

Kommentar

Im Namen der Verstorbenen war nach aus’m Weerth bereits 1862 der obere Teil des ersten und der untere Teil des zweiten auf REMI folgenden Buchstabens zerstört. Er meinte jedoch, anhand der erhaltenen Reste die Buchstaben G und H einwandfrei rekonstruieren zu können.3) Vielleicht ist aber auch an die Buchstabenfolge GIA, also REMIGIA, zu denken. Die bei aus’m Weerth, Kraus, Clemen und Nisters-Weisbecker gegebene Ergänzung [VID]VA kann nicht als gesichert gelten, heute ist nur ein A zu erkennen. Die Anbringung einer zweiten Inschrift auf dem Rand des Steines ist ungewöhnlich, zumal es sich nicht um eine zweite Sterbeinschrift, sondern wohl um ein Bibelzitat bzw. eine Bibelparaphrase handelt. Die Inschrift greift vielleicht 1 Io 4,7 auf: „carissimi diligamus invicem quoniam caritas ex Deo est et omnis qui diligit ex Deo natus est...“.4) Die lesbaren Reste dieser Inschrift befinden sich an der unteren Schmalseite bzw. an der linken Langseite oben. Der Text, den aus’m Weerth 1862 auf der oberen Schmalseite las, ist heute gänzlich verschwunden, und an der rechten Langseite sind lediglich vereinzelt Teile von Hasten und Bögen erkennbar. Die Schrift macht insgesamt einen ungelenken Eindruck: Der untere Bogen des B ist kleiner als der obere; die Bögen des C und des annähernd kreisrunden O sind nicht gleichmäßig ausgeformt. Die beiden mittleren Hasten des M, die bis auf die Grundlinie reichen, stoßen nicht im spitzen Winkel aufeinander, sondern sind durch einen kleinen Bogen verbunden. Die Außenhasten des M stehen parallel. Das S und das mit drei gleich langen Balken versehene E sind schmal. Schäfte, Balken und Bögen enden in kurzen Sporen, das spitze A hat einen nach rechts überstehenden Deckbalken. Ob der Querbalken des A, wie bei aus’m Weerth wiedergegeben, gebrochen war, ist heute nicht mehr feststellbar. Die stachelförmige Cauda des R geht vom Bogen aus und ist gerade. Man darf aufgrund der Schrift vermuten, daß der Stein jedenfalls nachkarolingisch ist (vgl. Nr. 2), andererseits wegen seiner Wiederverwendung als Spolie spätestens in der ersten Hälfte, eher zu Beginn des 11. Jh. angefertigt worden sein muß.

Textkritischer Apparat

  1. Nach dem I ist der untere Teil eines nach rechts offenen Bogens erkennbar, der zu einem C oder einem G gehören kann. REMIGH [VID]VA aus’m Weerth, Clemen, KDM; REMICH [VID]VA Kraus; REMI [...]VA Nisters-Weisbecker.

Anmerkungen

  1. Die Funktion des Steines ist nicht mit Sicherheit zu klären. Siehe dazu die Einleitung, S. XXXIff.
  2. aus’m Weerth, Altchristl. Inschriftsteine, S. 115.
  3. Zur sprachgeschichtlichen Einordnung dieser Namensform vgl. Tiefenbach, S. 1265 f.
  4. „Ihr Lieben, laßt uns uns gegenseitig liebhaben, denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, ist aus Gott geboren.“

Nachweise

  1. aus’m Weerth, Altchristl. Inschriftsteine, S. 115.
  2. Ders., Münsterkirche, S. 5.
  3. Kraus II, Nr. 505.
  4. Clemen, KDM, S. 107.
  5. Nisters-Weisbecker, S. 264, 266 und Abb. 19, 33 (alle nach aus’m Weerth).

Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 3 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0000304.