Inschriftenkatalog: Stadt Bonn
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 50: Bonn (2000)
Nr. 2 Münster, Kreuzgang 2. H. 10.–1. H. 11. Jh.
Beschreibung
Gedenkstein (Grabstein oder „Memorienstein“?)1) mit Memorialinschrift für einen Diakon Godescalc. An „nicht mehr zu bestimmender Stelle der Kirche“2) gefunden, seit Mitte des 19. Jh. im Südflügel des Kreuzgangs eingemauert. Kalkstein, in der unteren Hälfte durchgebrochen und wieder zusammengesetzt. Oberfläche geschliffen, stark abgewittert. Rechteckiger Stein mit profiliertem Rahmen (zwei gravierte Linien und Hohlkehle) und Fächerblattornament in den oberen Ecken. Inschrift auf einem über die ganze Länge und Breite des Steines in Umrissen eingehauenen lateinischen Kreuz: Todesdatum auf dem Querbalken, Name und Sterbevermerk auf dem Längsbalken.3)
Maße: H. 107, B. 48, Bu. 4,7 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
VI · ID(VS) FEBR(VARII) / OBIIT GODESCALCa) · DI(ACONVS)b)
Übersetzung:
Am 6. Tag vor den Iden des Februar starb der Diakon Godescalc.
Datum: 8. Februar.
Textkritischer Apparat
- Großer Abstand zwischen E und S.
- Nach aus’m Weerth I ins D eingeschrieben, heute nur noch D erkennbar.
Anmerkungen
- Die Funktion des Steines kann nicht mit Sicherheit geklärt werden. Siehe dazu die Einleitung, S. XXXIff.
- aus’m Weerth, S. 114.
- Zum Formular siehe die Einleitung, S. XXXI.
- Vgl. die Personallisten bei Höroldt, St. Cassius.
- Niederrhein. Epigraphik, S. 49. Der von Conrad vermutete Einfluß der zeitgenössischen Elfenbeinschnitzerei auf die Ornamentik des Steines ist angesichts der weiten Verbreitung des Fächerblattornaments nicht hinreichend nachvollziehbar. Vgl. etwa unten Nr. 4 und 9 und die zahlreichen Beispiele bei Nisters-Weisbecker, Nr. 62, 68, 69, 82, 91, 98, 104, 135 – 139.
Nachweise
- aus’m Weerth, Altchristl. Inschriftsteine, S. 114ff. und Tf. II.
- Kraus II, Nr. 504.
- Bredt, MRhVD 10, 1916, S. 138, Abb. 115, Nr. 3.
- Clemen, KDM, S. 107 und Fig. 56.
- Lehner/Bader, S. 102.
- Nisters-Weisbecker, S. 264, Nr. 59 und Abb. 33.
Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 2 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0000207.
Kommentar
Die Verteilung der Schrift auf die Kreuzbalken ist offenbar darauf angelegt, den Schnittpunkt freizulassen. Der Steinmetz hat den Namen des Verstorbenen weit auseinander gezogen und daran anschließend einen größeren Zwischenraum zum nächsten Wort gelassen, das er dann (unnötigerweise) stark kürzte. Möglicherweise arbeitete er nach einer Vorlage, von der er nicht abweichen wollte oder (mangels Verständnis?) konnte.
Im Unterschied zu einigen vergleichbaren Steinen (vgl. Nr. 3, 4, 5) wurde dieser Gedenkstein offenbar nicht als Spolie in der um 1060/70 errichteten Krypta verbaut gefunden. Der für die anderen Steine gesicherte Terminus ante quem entfällt daher in diesem Fall. Da ein Diakon Gottschalk in den lückenhaft überlieferten Quellen aus der Frühzeit des Stiftes nicht nachweisbar ist,4) kann ein Datierungsversuch nur anhand der Schrift erfolgen. Die Schrift ist eine reine Kapitalis ohne unziale bzw. runde Buchstabenvarianten, nur das G ist eingerollt. Die Buchstaben sind gleichmäßig und sorgfältig gestaltet, aber weder tief eingehauen noch mit Bogen- oder Linksschrägenverstärkungen ausgearbeitet. Schäfte und Balken enden in kleinen Sporen. Das Schriftbild wirkt insgesamt recht breit. O ist kreisrund, und auch die Bögen von C, D und G nähern sich klassischen Proportionen. Bei diesen Buchstaben stehen ebenso wie beim spitzen A und bei T Höhe und Breite zueinander fast in dem „idealen“ Verhältnis von 1:1. E (mit drei gleich langen Balken), F und L hingegen sind schmaler ausgeführt. Der untere Bogen des B ist deutlich größer als der obere. Die gerade Cauda des R setzt am Schaft an und ist weit ausgezogen. Als Worttrenner dienen Punkte auf der Zeilenmitte. Conrad beurteilt die Schrift als gelungene Nachbildung der antik-römischen Kapitalis und datiert sie deshalb „nicht allzu weit von der Mitte des [9.] Jahrhunderts“.5) Tatsächlich ist die Schrift noch deutlich vom Ideal der klassischen bzw. der karolingischen Kapitalis geprägt. Gegen eine entsprechend frühe Datierung sprechen jedoch das Fehlen der charakteristischen Schattenachsen beim O sowie der Bogen-und Linksschrägenverstärkungen, die fehlende Ausarbeitung der Sporen und die Verwendung des eingerollten G, das in den uns bekannten karolingischen Inschriften nicht vorkommt. Der Schrifttyp scheint daher frühestens in die 2. Hälfte des 10. Jh., aber auch noch in die erste Hälfte des 11. Jh. zu passen.