Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 315 Baden-Baden, altkath. Pfarrkirche St. Maria u. Vierzehn Nothelfer (ehem. Spitalkirche) 1562

Beschreibung

Grabplatte für die unbekannte Ehefrau Andreas Julchers (?). Im Jahre 1801 von Franz Josef Herr als drittes Grabmal „links des grosen Eingangs“ bei der Kanzel bezeugt.1 Im Zuge der 1865 vorgenommenen Renovierung der Kirche im mittleren Langhausjoch als sechste Platte von Westen aufrecht an die Südwand gestellt.2 Nach der Verkürzung des Kirchenschiffes im Jahre 1963 an diesem Standort belassen oder nur geringfügig verschoben.3 Rötlicher Sandstein. Im eingetieften Binnenfeld ein ganzfiguriges Relief der Verstorbenen. Sie trägt ein langes Kleid mit Puffärmeln und hat die Hände vor der Brust im Betgestus zusammengelegt. Über dem von einer Haube und einer Kinnbinde verhüllten Haupt ein an den Seiten nach innen eingerollter Kielbogen, flankiert von Zweigen und bekrönt von einer Palmette. Auf der Randleiste zwischen zwei rahmenden Ritzlinien der umlaufend eingemeißelte Sterbevermerk mit Fürbitte. Die Platte ist an den Rändern stellenweise bestoßen. In der Mitte der unteren Rahmenleiste eine größere, bereits 1801 bezeugte Ausbruchstelle; dadurch geringfügiger Textverlust.

Maße: H. 188, B. 87, Bu. 6–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturversalien und Frakturelementen.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. anno · d(omi)ni · 1 · 5 · 6 2 · auff / Freitag den andren iannuarij StarB die Ersam vnd tvgẹṇṭ/reich f̣ṛ[. . . . . . . . . . .]berina) / doctor · andres · J̣ụḷịchersb) · Ehliche hausfraw dero sele gott genadtt ·c)

Kommentar

Die eng aneinandergefügten Buchstaben weisen gleichbleibend schmale Kerben auf, die sich nur im Mittelteil des Bogen-s und in den Bögen der Versalien leicht verstärken. Die Oberlängen von d, f und Schaft-s ragen im Gegensatz zu l und t weit aus dem Mittelband hervor, mitunter sogar über die obere Rahmenritzlinie hinaus. Obwohl das Schriftbild noch deutlich von den Brechungen der gotischen Minuskel geprägt ist, zeigen manche Gemeine die Tendenz zur Rundung, vor allem das e und das Bogen-s. Das a ist einstöckig, f und Schaft-s sind dem Formeninventar der Fraktur entnommen. Der untere Bogen des g ist nach unten, der linke Schrägschaft an v bzw. w leicht nach rechts durchgebogen. Die Fahne des r ist unten mit einem Zierhäkchen versehen. Der anstrichlose Schaft der 1 ist unten gespalten und oben nach links umgebrochen, die 5 besteht aus zwei gegenläufigen Bögen. Die 6 ist nicht ganz geschlossen, die 2 spitz. Als Worttrenner dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe.

Einige der benannten Schriftmerkmale lassen sich auch auf den Grabplatten für Hans Mandriba, Sebastian Botzheim und Jörg Sies beobachten.4 Dazu zählen vor allem die Durchmischung mit Buchstaben aus der Fraktur, die ausgerundeten Versalien und die Gestalt des Fraktur-E. Allerdings sind auch deutliche Unterschiede in der Gestaltung der Ziffern, des g und des Bogen-s zu beobachten, so daß die vorliegende Platte mit den übrigen offenbar in keinem Werkstattzusammenhang steht.

Die Identität der Verstorbenen ließ sich bisher nicht ermitteln. Ihr Ehemann scheint mit Veltin Julcher, einem 1545 nachweisbaren Schätzer des Gerichts zu Steinbach, verwandt gewesen zu sein.5

Textkritischer Apparat

  1. tvgent/reich fr[. . . . . . . . . . .]berin] tugent/reiche . . rin Kdm.; tugent/reiche fr. . . . .derin Mone; tugendreiche F– Bemrin Herr.
  2. Auch die Lesung Zulichers möglich. Weihers Herr; Wuchers Kdm.
  3. Zwei senkrecht übereinandergestellte Quadrangel, die durch eine Fadenranke in einem weiten Kreisbogen verbunden sind.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr (wie unten) 51r–v.
  2. Vgl. Kdm. Baden-Baden 216, 221 nr. 32; zu den Renovierungsmaßnahmen von 1865 s. a. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/281, Spitalkirche, passim.
  3. Vgl. Stadtkreis Baden-Baden 139.
  4. Vgl. nrr. 295, 309, 347.
  5. Vgl. Andermann, Urkunden 45 nr. 67.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 419.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 51v.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 135v.
  4. Kdm. Baden-Baden 221 nr. 32.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 315 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0031508.