Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 70† Baden-Baden, Gottesackerkapelle Mariä Gnaden-Bronn 1453?, 16.–17. Jh.

Beschreibung

Portal und Wandverputz. Die 1453 vor der Stadtmauer östlich der Spitalkirche am heute unterirdisch fließenden Rotenbach errichtete Kapelle wurde 1871 im neugotischen Stil umgebaut und 1966 gänzlich abgerissen.1 Unter dem Chor befand sich eine Art achteckige Krypta, die durch einen Lichtschacht in der polygonalen Apsis mit dem Kapellenraum verbunden war.2 Auf dem Innenputz der südöstlichen Polygonseite knapp unter Bodenniveau hat man 1966 geringe Schriftspuren (A) entdeckt, jedoch dem Abriß preisgegeben.3 Der Eingang an der westlichen Schmalseite des Gebäudes war bis zum Umbau von einem Korbbogen überwölbt, dessen Gewände nach einer Zeichnung das Gebet (B) trug.4

Inschrift (A) nach Privatbesitz Stopfel, Photo, (B) nach PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Restauration.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Kapitalis (B).

Wolfgang Stopfel [1/1]

  1. A

    [– – –]ṇṿs

  2. B

    S(ANK)T MARIA IST DER BRUN GENANT.IN UNSER STERBSTUND SEIa) BEKANT

Versmaß: Deutsche Reimverse (B).

Kommentar

Als man 1807 bei Erdarbeiten die bis dahin vergessene unterirdische Anlage wieder aufdeckte, fand man auch den dazugehörigen Brunnen, dem die Kapelle ihren Namen verdankte.5 Die Datierung der Inschriften ergibt sich aus folgenden Indizien: Die Kapitalis ist im Bearbeitungsgebiet erst seit dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts nachweisbar.6 Auch die Reimverse auf „genannt“ und „bekannt“ sind in Inschriften erst nach 1500 belegt.7 Insofern fiel die Fertigung der überlieferten Inschrift (B) sicher nicht mit der ursprünglichen Errichtung der Kapelle um 1453 zusammen, sondern verweist – wie auch der Korbbogen8 – auf eine erste Erneuerung im 16. oder 17. Jahrhundert. Hingegen könnte der Schriftrest (A) in Gotischer Minuskel noch ursprünglich sein.9

Textkritischer Apparat

  1. Lies vermutlich: SER.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Baugeschichte der Kapelle Kdm. Baden-Baden 180f.; Stopfel (wie unten) 65–89; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 5v. Vor dem Abriß war die Kapelle von Horst Gutjahr, LDA Freiburg, vermessen worden, vgl. ebd. 73.
  2. Vgl. den 1808 gezeichneten Schnitt und Grundriß der Kapelle in Kdm. Baden-Baden 181 (Abb. 135); Stopfel (wie unten) 75, 86 (Abb. 24–26). Anscheinend etwas älter ist der undatierte Aufriß in GLA Karlsruhe 69 Baden Sammlung 1995 B/134, Neü endeckten alten fundamenter Ausz (?) dem Kirch in Baden, gezeichnet am 9. März (…) von Stadtbaumeister J. Georg Schneider, Baden.
  3. Vgl. Stopfel (wie unten) 86.
  4. Vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Restauration (wie unten) o. S.
  5. Vgl. Haebler, Geschichte, Bd. 1, 68.
  6. Vgl. als Erstbelege nrr. 170, 171, 191, 206.
  7. Vgl. die frühesten Belege dieses Reims in DI 12 (Heidelberg) 292 (1558); DI 20 (Karlsruhe) nr. 132 (1503); DI 28 (Hameln) nr. 106 (nach 1600); DI 30 (Calw) nr. 313a (vor 1612); DI 42 (Einbeck) nr. 56 (1543); DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) nr. 431 (1550); DI 45 (Goslar) nr. 152 (1619); s. a. eine Glocke in Markoldendorf (Lkr. Northeim; 1557) in Otte, Glockenkunde 133.
  8. Vgl. zur zeitlichen Einordnung des Korbbogens RDK, Bd. 2, Sp. 992f.
  9. Vgl. zur Gotischen Minuskel im Bearbeitungsgebiet Einl. Kap. 5.2, LXXVIII–LXXXIII.

Nachweise

  1. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Restauration der Kapelle auf dem alten Kirchhof in Baden, o. O. 1871, o. S. (Zeitungsausschnitt unbekannter Provenienz; Abb.; nur B).
  2. Privatbesitz Wolfgang Eberhard Stopfel (Freiburg i. Br.), Photo (nur A; abgedr. in Stopfel etc.).
  3. Wolfgang Eberhard Stopfel, Mariae Gnadenbronn, in: Aquae 1989, 65–89, hier 86 (Abb. 26; nur A).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 70† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0007004.