Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 49 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 1388–1404

Beschreibung

Zwei Fragmente eines Grabmals für Otto von Selbach und seinen Sohn Otteman. Ursprünglicher Standort unbekannt. Seit unbestimmter Zeit außen an der Südwand des Johann-Nepomuk-Chörleins als Spolien im Mauerwerk eingelassen. Hier erstmals 1801 bezeugt.1 Rötlicher Sandstein. Beide Fragmente querrechteckig geschnitten. Bruchstück 1 zwischen dem ersten und zweiten Strebepfeiler von Westen rechts unterhalb des Fensters in etwa 1 m Höhe; Bruchstück 2, das ursprünglich unmittelbar rechts an Fragment 1 anschloß, an der Ostseite des westlichsten Strebepfeilers zwischen Seitenschiff und Nebenchor in etwa 4 m Höhe.2 Die unvollendete Grabbezeugung ist zweizeilig zwischen waagerechte Zeilenlinien eingemeißelt; die dritte Zeile blieb leer.

Maße: H. 30, B. 71 (1), 58 (2), Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. + HIE · LIGENT · ZWEN · OTTENa) · VON · SELBACH · /b) EIN · RITTER · VND ·

Kommentar

Die Buchstaben zeichnen sich durch spitz ausgezogene Bogenschwellungen, keilförmige bis dreieckige Sporen, deren Spitzen ebenfalls stark verlängert sind, sowie Nodi bzw. Halbnodi in der Mitte der meisten Schäfte aus. An unzialen bzw. runden Formen wurden H, N und E verwendet; letzteres ist wie das C vollständig geschlossen. Das A ist pseudounzial, das G eingerollt, die Cauda des R, die unabhängig vom Bogen tief am Schaft ansetzt, geschwungen. Den Balken des L und die äußeren Balkenabschnitte des sonst stets runden, hier jedoch kapitalen T ersetzen spitze Balkensporen. Die freien, umgebogenen Bogenenden an H, N und R sind häufig mit einer zusätzlichen Schwellung versehen. Als Worttrenner dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe.

Die Buchstabenformen verweisen in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts.3 Zu dieser Zeit sind aus dem Ministerialengeschlecht von Selbach in der Stadt Baden ein Ritter Otto (auch Otteman oder Othman) und dessen Söhne, die Edelknechte Hans und Otteman, mehrfach bezeugt.4 Der Vater erscheint als Verhandlungspartner letztmalig in einer Urkunde vom 30. April 1372; damals verpfändete ihm und seiner Frau Anna Pfalzgraf Ruprecht I. als Vormund des Markgrafen Bernhard von Baden die Ortschaft Ötigheim.5 Im Jahre 1404 wird Otto von Selbach dann ausdrücklich als „selig“ bezeichnet.6 Seinen zweiten Sohn Otteman findet man letztmalig in einer Urkunde vom 26. Juli 1388.7 Dessen Bruder Hans läßt sich hingegen auch später noch mehrfach nachweisen.8 Die inschriftliche Grabbezeugung dürfte somit zwischen 1388 und 1404 angefertigt worden sein. Warum der Text unvermittelt abbricht und die Hälfte der drei vorgezeichneten Zeilen unbehauen blieb, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Offenbar fand der Stein nie als Grabmal Verwendung.

Textkritischer Apparat

  1. Nach dem ersten T setzt sich der Text auf Fragment 2 fort.
  2. Ab hier Fortsetzung des Textes auf Fragment 1 in der zweiten Zeile von oben.

Anmerkungen

  1. Vgl. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 417.
  2. Vgl. zur Lokalisierung den Grundriß der Kirche in Kdm. Baden-Baden 75 (Abb. 58).
  3. Allg. zu den Ausprägungen und zur zeitlichen Einordnung der Gotischen Majuskel im Bearbeitungsgebiet vgl. Einl. Kap. 5.1, LXXIV–LXXVIII; s. a. Kloos, Einführung 129–132; DI 37 (Rems-Murr-Kreis) XLI–XLVI.
  4. Vgl. RMB, Bd. 1, nrr. 1198, 1223, 1229, 1296, 1415, 1453, 2177 u. a. (s. a. das Register); Gartner, Auswertung Zinsverzeichnisse 94; Spiegel, Urkundenwesen, T. 1, 293.
  5. RMB, Bd. 1, nr. 1296; Spiegel, Urkundenwesen, T. 1, 293.
  6. Ebd. nr. 2177.
  7. Ebd. nr. 1453.
  8. Ebd. nrr. 1607f. (1393), 1636 (1395) u. a. (s. a. das Register).

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 417.
  2. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 46v.
  3. Kdm. Baden-Baden 85.
  4. Weis, Stiftskirche 14.
  5. Frank, Stiftskirche 6.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 49 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0004906.