Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)
Nr. 18 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Klosterkirche 1333
Beschreibung
Grabplatte für Markgraf Friedrich II. von Baden. Erstmals um 1660 erwähnt; damals angeblich bereits stark abgetreten, so daß ein Teil der Inschrift nicht mehr lesbar gewesen sei.1 Im Jahre 1732 „unten in der Mauren an denen weiberstühlen gegen der Kirchthiren“ lokalisiert.2 Dieser Standort vermutlich identisch mit dem heutigen an der inneren Nordwand des Chores zwischen dem ersten und zweiten Joch westlich des Chorhaupts. Die Platte ist unter dem Gewölberippenanfänger aufrecht in das Mauerwerk eingelassen und befindet sich hier in der Nähe des Grabes.3 Zumindest bis 1930 wurde sie von einem gotischen (?) Eselsrücken überfangen.4 Sandstein, grau gefaßt. Der untere Abschnitt und mithin der Anfang der Inschrift liegt unterhalb des Fußbodenniveaus. Im oberen Bereich des Binnenfeldes ein reliefiertes Vollwappen, dessen offenbar etwas überarbeitete Helmdecke rechts in die umlaufende, durch Ritzlinien gerahmte Schriftzeile hineinragt. Rechts der Helmzier die eingemeißelte römische Zahl VI. nach Franz Josef Herrs Numerierungssystem.5 Der umlaufend eingemeißelte Sterbevermerk setzt entgegen der Ausrichtung des Vollwappens auf dem unteren, gegenwärtig verdeckten Plattenrand ein. Die obere Rahmenleiste weist knapp neben der unteren Rahmenritzlinie eine zweite Trennlinie auf, die sich mit der ersten überlagert und die senkrechten Schriftleisten durchschneidet. Anscheinend wurde der obere Rahmenabschnitt zu unbestimmter Zeit abgetrennt und nachträglich wieder angestückt. Dadurch ging offenbar die rechte obere Ecke verloren, die notdürftig ergänzt wurde. Die Oberfläche der Platte ist vor allem links des Helmes durch Aufblühungen rauh und zerfurcht. Vermutlich noch vor 1869 wurde im unteren Binnenfeldbereich eine neuzeitliche Gedenkinschrift für die erste Ehefrau Agnes von Weinsberg eingefügt, jedoch wohl schon bald nach 1945 wieder unkenntlich gemacht.6
Maße: H. (sichtbar) 214, B. 105, Bu. 11,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
[+ ANNO · DOMINI · M C]CCXXXIIIa) · X · K(A)L(ENDAS)b) · JVLII · O(BIIT) · D(OMI)N(V)S · FRIDERICV/S · MARCHIO · / DE · BADEN ·c)
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1333 verstarb am 10. Tag vor den Kalenden des Juli Herr Friedrich Markgraf von Baden.
Datum: 22. Juni 1333.
Baden. |
Textkritischer Apparat
- [+ ANNO · DOMINI · M C]CCXXXIII] Textergänzung nach GLA Karlsruhe 47/37, Herr. Der Wortlaut hier jedoch in Analogie zum erhaltenen Text in Majuskelbuchstaben wiedergegeben und die Worttrenner in die Zeilenmitte gesetzt.
- Kürzung durch leicht gebogenen Schrägrechtsstrich am Schaft des L.
- Im Anschluß die in die Rahmenleiste hineinragende Helmdecke; der verbleibende Zeilenabschnitt leer.
Anmerkungen
- Vgl. BLB Karlsruhe K 526, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 34v: „Vitam mortalem exuit Fridericus Marchio Anno MCCCXXXIII, vt in suo necrologio observarunt moniales, die etiam addito X Kalendas Julii; in sepulcrali lapide eadem scripta fuére, sed ita detritus lapis ut pars bona characterum fugiat oculos.“
- Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Glyckher, Chronik 93.
- Vgl. GLA Karlsruhe 64/47, Nekrolog Lichtenthal III, fol. 12r: „xi kalendas. Anno domini M° ccc° xxx° iji obiit dominus Fridericus marchio in der kirchen an der duren.“ (Das letzte „i“ der Jahreszahl und der deutsche Abschnitt von späterer Hand.) Necrologium 167: „XI. Kal. Anno Domini MCCCXXXII. Dominus FRIDERICUS Marchio. sepultus in Introitu Ecclesiae nostrae.“ Zur genauen Lokalisierung des gegenwärtigen Standorts der Grabplatte vgl. GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 1 (wie unten). Eine zusätzliche, vermutlich nachträglich und ersatzweise angefertigte Bodengrabplatte, für die keine Inschrift überliefert ist, befand sich bis zumindest noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor dem Originalmonument an Ort und Stelle, vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 7v; GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 1, Grundriß Klosterkirche nr. VI, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 515 (Abb. 421).
- Vgl. ebd.; siehe dazu das Photo von 1893 in Stober, Denkmalpflege 143 (Abb. 11).
- Zu F. J. Herrs Numerierung der Lichtenthaler Grabmäler 1803/04 vgl. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 5.
- Vgl. Gutgesell, Kloster Lichtenthal 27; Bauer Frauenkloster Lichtenthal 270; Deodata, Frauenkloster Lichtental 167. Die Inschrift lautete nach Gutgesell: + A(nno) D(omi)ni MCCCXX. V. Non(as) Maji o(biit) Domina Annetis Comtissa de Weinsberg Marchionis Friderici de Baden. Offenbar brachte man sie im Zuge der Erneuerungsarbeiten zur Vorbereitung der Klosterkirche auf den Pfarrgottesdienst an, vgl. dazu und zum vermutlichen Termin ihrer Beseitigung Stober, Denkmalpflege 139, 147; zu weiteren Inschriften aus dieser Zeit vgl. Einl. Kap. 6. nr. *73.
- Vgl. Clauss, Münster (1905) 24 nr. 21 (Abb.); s. a. Einl. Kap. 5.1, LXXVI.
- Vgl. nrr. 24, 25.
- Vgl. z. B. DI 12 (Heidelberg) nr. 38; DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II) nr. 8; DI 22 (Enzkreis) nr. 29; DI 25 (Ludwigsburg) nr. 25; DI 30 (Calw) nr. 38; DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) nr. 23.
- Vgl. wie Anm. 3; s. a. GLA Karlsruhe 64/19, Nekrolog Lichtenthal I, fol. 112v: „Anno domini M° ccc° xxx° primo obiit Jllustris Rudolfus marchio de Baden (…). Sequenti anno obiit Jllustris Fridericus Marchio de baden Jn uigilia decem milium martirum (= 21.6.1332).“; s. a. Chronik v. Lichtenthal 193.
- Vgl. RMB, Bd. 1, nr. 901.
- Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 266. Zu Markgraf Friedrich II. von Baden allg. s. a. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 69f., 73–78; Sütterlin, Geschichte 256; Merkel, Studien 73–79; Weech, Badische Geschichte 30f.; Preuschen, Badische Geschichte 498f.; Viton de Saint-Allais, Histoire 157f.; Sachs, Einleitung, T. 2, 86–111; Schoepflinus, Historia, tom. 2, 33–39; BLB Karlsruhe K 526, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 34r–v.
- Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 69f. Zum Chorneubau vgl. Coester, Klosterkirche 88–94.
- Vgl. Schindele, Frauen 38 (Abb. 4); Kdm. Baden-Baden 437 (Abb. 335).
- Vgl. Schwennicke (wie Anm. 12); Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 69. Grabplatte und Inschrift sind verloren.
- Zur Diskussion um die Identifizierung der zweiten Ehefrau Friedrichs mit Adelheid von Beichlingen, einer späteren Äbtissin des Klosters, vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 74–78. Siehe hierzu auch nrr. 460, 471; BLB Karlsruhe K 526, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 34v.
Nachweise
- BLB Karlsruhe K 526, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 34v (Paraphrase).
- BLB Karlsruhe D 162, Fehnle, Austriacorum (…) familia, fol. 275r (Paraphrase).
- GLA Karlsruhe 65/10, Fehnle, Serenissimorum (…) progenitores, fol. 121v (Paraphrase).
- KA Lichtenthal o. Sig., Glyckher, Chronik 93.
- Schoepflinus, Historia, tom. 2, 38 Anm f (erw.).
- Sachs, Einleitung, T. 2, 108.
- GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 13 nr. VI, Anlage G (Abb.).
- Stadtgesch. Slg. Baden-Baden Inv.-nr. 10822/81, Johannes Stanislaus Schaffroth, Tuschskizze (vom Original abweichend).
- GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 7v.
- GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 1, Grundriß Klosterkirche nr. VI, abgedr. in Kdm Baden-Baden 510 (Abb. 416).
- GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 193r.
- Gutgesell, Kloster Lichtenthal 27.
- RMB, Bd. 1, nr. 906 (erw.).
- Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 269.
- RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 0180, 0858.
- Deodata, Frauenkloster Lichtental 167.
- Kdm. Baden-Baden 503 nr. VI.
- Wolters/Baur, Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal 9 (erw.).
- KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 1: Klosterkirche mit Ausstattung, Hochaltar, fol. 89r.
- Schindele, Abtei Lichtenthal (1978) 403 (nur Jz.).
- Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 77 Anm. 280.
- Cistercienserinnen-Abtei Lichtenthal 11 (erw.).
- KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Klosterkirche 1, Schiff, Schlußsteine, Südwest.-Chörle, o. S. (erw.).
- Abtei Lichtenthal 13 (erw.).
Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 18 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0001804.
Kommentar
Die Buchstaben weisen tiefe, kräftige Kerben sowie deutliche Bogenschwellungen und Sporen auf. An unzialen bzw. runden Formen wurden das vollständig geschlossene E, das F, das H, das links geschlossene M sowie das N verwendet. Das flachgedeckte A besitzt einen schmalen, stark linksschräg gestellten Mittelbalken und einen leicht geschwungenen linken Schrägschaft mit kräftiger Bogenschwellung. Die Bögen des B sowie die Cauda und der Bogen des R sind nach innen eingerollt und berühren weder einander noch den Schaft. Das C ist geschlossen, der Balken des L geschwungen. Die Schrägbalken des K, von denen der obere nach unten durchgebogen, der untere hingegen geschwungen ist, setzen unabhängig voneinander am Schaft an. In den rechten Bogen des M ist im oberen Bereich ein Zierbalken eingestellt. Während der Linksschrägschaft des X geradlinig verläuft, ist der Rechtsschrägschaft stark geschwungen. Sämtliche auf der Grundlinie frei endenden Bögen und geschwungenen Schäfte münden in eine sich nach oben einrollende Zierlinie, ebenso der gebogene Balken des L, der untere Schrägbalken des K und die Cauda des R. Als Worttrenner dienen kleine Kreise in Zeilenmitte.
Die Schriftformen lassen darauf schließen, daß die Grabplatte in Straßburg angefertigt wurde. Dafür spricht vor allem der inschriftliche Sterbevermerk für den 1339 verstorbenen Magister Johannes, den zweiten Sohn Erwins von Steinbach, am äußersten Strebepfeiler der Johanneskapelle des Straßburger Münsters.7 Die dort wahrnehmbaren Buchstaben stimmen mit den hier hervorgehobenen Aspekten so stark überein, daß dieselbe Werkstatt, vielleicht sogar dieselbe Hand in Betracht kommt. Eine ähnliche Schrift weisen außerdem die Grabmäler für Konrad von Fürstenberg und Markgraf Rudolf IV. von Baden auf.8 An der Originalität der sehr gut erhaltenen Inschrift kann es somit keinen Zweifel geben, obgleich sie bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts teilweise nicht mehr lesbar gewesen sein soll.1 Daß sie entgegengesetzt zur Ausrichtung des Wappens in der unteren rechten oder linken Ecke einsetzt, ist für Grabmäler des 14. Jahrhunderts nichts Ungewöhnliches.9 Demnach dürfte sie die zuverlässigste Quelle für das uneinheitlich überlieferte Todesjahr sein, das in den Nekrologien ein Jahr und einen Tag früher angegeben wird.10 Die letzte urkundliche Erwähnung Friedrichs II. von Baden datiert vom 9. Februar 1333.11 Er war der älteste Sohn Markgraf Hermanns VII. von Baden und Agnes’ von Truhendingen.12 Aus seiner Bestattung innerhalb der Klosterkirche darf geschlossen werden, daß er zu den Wohltätern der Abtei gehörte und sich vermutlich am Neubau des 1332 geweihten Chores beteiligte.13 Da er zweimal verheiratet war, ist anzunehmen, daß sich das figürliche Abbild eines badischen Markgrafen zwischen zwei Hunden auf dem westlichsten Gewölbeschlußstein des Chores auf ihn bezieht.14 Seine erste Gemahlin, Agnes von Weinsberg (gest. 1320), liegt ebenfalls in der Klosterkirche begraben.15 Der Name der zweiten Frau ist nur unsicher belegt. Vermutlich handelte es sich um Margareta von Vaihingen, die im entsprechenden Heiratsdispens vom 26. Oktober 1324 genannt wird.16