Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)
Nr. 13 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Klosterkirche 1324
Beschreibung
Grabplatte (?) für Johann III. von Lichtenberg. Bereits 1804 östlich vom Eingang zur Sakristei aufrecht an der Innenwand bezeugt.1 Da das untere Viertel unterhalb des Fußbodenniveaus lag, hat man die Platte 1946 aus dem Mauerverbund gelöst und angehoben.2 Dabei wurde die dahinter befindliche Grabnische freigelegt, in deren Bogenfeld eine zugehörige Kalkfarbenmalerei zum Vorschein kam.3 Das Grabmal deshalb an der nordsüdlichen Trennwand zwischen Kirche und Frauenchor nahe des Eingangs aufrecht in das Mauerwerk eingefügt.4 Hochrechteckige, sich nach unten leicht verjüngende Sandsteinplatte. Im Binnenfeld die Figur des Verstorbenen in eingetieftem Flachrelief unter einem mit Krabben besetzten und von Fialtürmchen flankierten Eselsrückenbogen in Ritzzeichnung. In den Bogenzwickeln zwei stärker eingetiefte und farbig gefaßte Wappenschilde. Die Figur im Kettenpanzer und Waffenrock. Sie hat die Hände vor der Brust im Betgestus zusammengelegt. Rechts neben dem von Beckenhaube und Helmbrünne geschützten Kopf die eingemeißelte Zahl 24. nach Franz Josef Herrs Numerierungssystem.5 In der umlaufenden, durch eine Ritzlinie abgesetzten Rahmenleiste der eingemeißelte Sterbevermerk, dessen breit und rechteckig ausgehauene Buchstabenkerben – wie die verbliebenen Dübellöcher bezeugen – ehemals mit Metallbuchstaben ausgefüllt waren. Der untere Rand leicht beschädigt und teilweise überputzt.
Im Bogenfeld der Grabnische eine Kreuzigungs- bzw. Anbetungsszene.3 Im Zentrum vor bestirntem Hintergrund der Gekreuzigte, flankiert von mehreren, z. T. nicht mehr vollständig erhaltenen Figuren. Zu seiner Rechten die Drei Marien. Vor ihnen zwei etwas kleiner proportionierte, kniende Stifterfiguren im Betgestus. Nahe am Kreuz der Verstorbene im Kettenhemd. Der Helm mit Helmzier hängt nach hinten. Auf dem Waffenrock unterhalb der Schulter ein fast gänzlich erloschener Wappenschild. Das gleiche Wappen war wohl analog zu den übrigen Stifterdarstellungen nochmals vor der Figur abgebildet, ist hier aber fast gänzlich verloren. Am linken Rand des Bogenfeldes eine Frau in langen Kleidern und Hulle. Vor ihr ein weiterer Wappenschild. Auf der anderen Seite des Kreuzes die stehende Figur des Johannes, in dessen Rücken der nur noch teilweise sichtbare Hauptmann mit der Hand auf Christus weist. Davor spiegelbildlich zur Figur des Verstorbenen eine kniende Frauengestalt ebenfalls im Anbetungsgestus. Zwischen ihrem Leib und dem Kreuzstamm ein weiterer, nur noch in Umrissen wahrnehmbarer Wappenschild.
Maße: H. 266, B. 108, Bu. 9 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
+ ANNO · DOMINI · / MILLESIMO · TBECENTESIMOa) · UICESIMO IIII +b) UI / K[(A)L(ENDAS)c) ·] APRILISd) [·] OBI/ITd) · IOHANNES · DOMINVS · DE · LIEHTENBERG ·
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1324 starb am 7. Tag vor den Kalenden des April Johann, Herr von Lichtenberg.
Datum: 27. oder 26. März 1324.
Lichtenberg | Werdenberg6; |
Werdenberg7, Lichtenberg?8, [Lichtenberg?]9, [Saarbrücken-Commercy?]10. |
Textkritischer Apparat
- So statt TRECENTESIMO. Das N hier als Kapitalis-Buchstaben ausgeführt.
- Das griechische Kreuz überdeckt die vorgeritzte, aber nicht ausgemeißelte Kontur eines X.
- Nur noch der untere Abschnitt des ersten Buchstaben wahrnehmbar, der übrige Bereich überputzt. Lies vielleicht auch: I K(A)L(ENDAS), so daß das Todesdatum einen Tag früher anzusetzen wäre.
- Die Kerben der Buchstaben teilweise überputzt.
Anmerkungen
- Vgl. GLA Karlsruhe 47/37, Herr (wie unten). Die ursprüngliche Grabstelle, die sich vor der Südwand des mittleren Chorjoches befindet, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts von einer anderen, vermutlich nachträglich angefertigten Grabplatte abgedeckt, für die keine Inschrift überliefert ist, vgl. GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 1, Grundriß Klosterkirche (wie unten), o. Nummer.
- Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 70 Anm. 239; 750 Jahre – Kloster Lichtenthal 36; Linde, Klosterkirche 236.
- Vgl. Stober, Baugeschichte 116. Dazu ausführlich Niester (wie unten) 217–224. S. a. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer (wie unten), fol. 56r–57r. (Abb.); Cistercienserinnen-Abtei Lichtenthal 7 (Abb.); Abtei Lichtenthal 9 (Abb.).
- Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp (wie unten); KA Lichtenthal o. Sig., Bauer (wie unten).
- Zu F. J. Herrs Numerierung der Lichtenthaler Grabmäler 1803/04 vgl. GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 5.
- Dreilätzige Kirchenfahne, hier ohne Ösen.
- Vor der weiblichen Stifterfigur am linken Rand der Nischenrückwand. Zum Wappenbild siehe Anm. 6.
- Auf dem Waffenrock der männlichen Stifterfigur an der Nischenrückwand. Wappenbild kaum mehr sichtbar.
- Ehemals vor der männlichen Stifterfigur an der Nischenrückwand. Nur noch die Schildumrisse erkennbar.
- Ehemals vor der weiblichen Stifterfigur rechts vom Kreuzstamm an der Nischenrückwand. Nur noch die Schildumrisse erkennbar.
- Vgl. Europ. Stammtafeln NF, Bd. 11, Taf. 73.
- Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 69f.
- Vgl. wie Anm. 11; Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 266.
- Vgl. GLA Karlsruhe 64/19, Nekrolog Lichtenthal I, fol. 114r; GLA Karlsruhe 64/47, Nekrolog Lichtenthal III, fol. 6v; Necrologium 166. Siehe dazu Anm. c.
- Vgl. Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 70; Schindele, Abtei Lichtenthal (1978) 403; Linde, Klosterkirche 236. Die Breite der Nische beträgt 282 cm.
- Zum Vergleich sei auf die völlig symmetrischen Tischgrabmäler für Markgraf Rudolf IV. von Baden (nr. 25), Markgraf Rudolf VI. von Baden (nr. 40) oder die Klostergründerin Irmengard (nr. 23) verwiesen. Die darauf verzeichneten Inschriften sind allesamt von außen lesbar, teilweise auch auf abgeschrägter Randfläche eingemeißelt. Vgl. als Parallele für eine sich konisch nach unten verjüngende Grabplatte nr. 48 (Mechthild v. Baden, gest. 1402).
Nachweise
- GLA Karlsruhe 47/37, Herr, Beschreibung Lichtenthal 20 nr. 24, Anlage J (Abb.).
- GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Lichtenthal, fol. 9v.
- GLA Karlsruhe G Lichtenthal nr. 1, Grundriß Klosterkirche, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 510 (Abb. 416; Monument LM).
- GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 193v.
- Gutgesell, Kloster Lichtenthal 35.
- Bauer, Frauenkloster Lichtenthal 277f.
- RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 7488.
- Deodata, Frauenkloster Lichtental 174.
- Kdm. Baden-Baden 503f. nr. 24, 511 (Abb. 417).
- Linde, Klosterkirche 236 (erw.).
- Heinrich Niester, Die Kreuzigungsdarstellung des Lichtenberggrabmals in der Klosterkirche zu Lichtenthal bei Baden-Baden, in: Badische Heimat 32 (1952) 217–224, hier 217, 218 (Abb.).
- Wolters/Baur, Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal 6–8 (erw.).
- KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 1: Klosterkirche mit Ausstattung, Hochaltar, fol. 86r.
- Greenhill, Incised Effigial Slabs, Bd. 2, Taf. 54b (Abb.).
- Schindele, Abtei Lichtenthal (1978) 403 (nur Jz.).
- Schindele, Abtei Lichtenthal (1984) 70 (erw.).
- Cistercienserinnen-Abtei Lichtenthal 11 (erw.).
- Kloster Lichtenthal – 750 Jahre 37 (Abb.).
- KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Klosterkirche 1, Schiff, Schlußsteine, Südwest.-Chörle, o. S. (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 13 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0001309.
Kommentar
Die sorgfältig geschlagenen Buchstaben stehen in gleichmäßigem Abstand zueinander. An unzialen bzw. runden Formen wurden das geschlossene E mit Abschlußstrich, das H, das links geschlossene M, das N und das T verwendet. Das flachgedeckte A hat stets einen rechtsschräg gestellten Mittel- und einen beiderseits überstehenden Deckbalken. In ANNO ist sein linker Schrägschaft geschwungen. Das C besitzt einen senkrechten Abschlußstrich, das I auf halber Höhe einen Nodus. Den Balken des L ersetzt ein Balkensporn. Die Schrägschäfte des überwiegend in Kapitalis ausgeführten M enden in Zeilenmitte. Als Worttrenner dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe.
Johann III. war der Sohn Johanns I. von Lichtenberg und Adelheids von Werdenberg.11 Er war mit Mathilde von Saarbrücken-Commercy verheiratet.11 Da ihm in der Klosterkirche ein aufwendig gestaltetes Wandgrabmal errichtet wurde, ist anzunehmen, daß er sich wesentlich an der Finanzierung des zu Anfang des 14. Jahrhunderts begonnenen Chorneubaus beteiligt hatte.12 Dabei mag eine besondere Rolle gespielt haben, daß er über seine Großmutter väterlicherseits, Elisabeth, mit dem badischen Haus verwandt und ein Urenkel der Klosterstifterin Irmengard war.13 Das der Inschrift nicht mehr eindeutig zu entnehmende Todesdatum (27. März) entspricht den Angaben in den Totenbüchern.14
Die Existenz der Wandnische und ihre Maße haben zu der Vermutung Anlaß gegeben, die Platte sei ehemals Bestandteil eines darin untergebrachten Tischgrabmals oder einer Tumba gewesen.15 Dagegen sprechen allerdings die umlaufende, von der Mitte aus lesbare Inschrift und die Verjüngung der Platte in Richtung Fußende. Beides ist mit der Vorstellung eines in die Nische eingerückten Grabmals kaum zu verbinden, da die Lesbarkeit der Inschrift beeinträchtigt und die Symmetrie der Anlage nicht gewährleistet wäre.16 Vielmehr wird es sich hierbei um die Grabplatte handeln, die in ihrer Form die Kontur des Sarges aufnimmt, während das durchaus denkbare Tischgrabmal als verloren gelten muß.