Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

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DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 1 Steinbach (Stadt Baden-Baden), kath. Pfarrkirche St. Jakob d. Ä. M. 12. Jh.

Beschreibung

Tympanon. Ursprünglich wohl über einem Portal der romanischen Vorgängerkirche.1 Vermutlich während der Errichtung des spätgotischen Nachfolgebaus um 1455 an der Westseite des im Westen befindlichen Kirchturmes etwa in halber Höhe vermauert.2 Im Zuge des Kirchenneubaus von 1906/07 in das Erdgeschoß des neu errichteten Turmes versetzt, das seither als Vorhalle zum Langhaus dient.3 Hier an der Nordwand über dem Aufgang zur Empore in etwa 3 m Höhe. Sandstein, rötlich gefaßt. Im stark eingetieften Bogenfeld drei stehende Heiligenfiguren im Dreiviertelrelief. Sie sind in Frontalstellung wiedergegeben und tragen knielange Gewänder. In der Mitte Christus, vor dessen Brust sich zwei schräg über die Schultern gelegte Bänder überkreuzen. Zu seiner Rechten Jakobus d. Ä. mit Pilgerstab und einer kurzen Kukulle, die vorn mit zwei Muscheln besetzt ist. Auf der anderen Seite Johannes Evangelista, der mit beiden Händen ein geschlossenes Buch vor sich hält. Christus und er sind mit einem Heiligenschein ausgestattet. Die Figurengruppe wird von zwei Würfelquadern in den Ecken des Tympanons flankiert, deren Stirnseiten mit flach eingetieften Kreisen versehen sind.4 Auf der inneren Randschräge des Bogens die eingemeißelten Nameninschriften, unterbrochen durch die hineinragenden Köpfe und Attribute der Heiligenfiguren. Die Buchstaben sind stellenweise stark beschädigt oder überputzt.

Maße: H. 66, B. 131, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. IAC[O]Ḅ//VSa) //b) IE(S)VSc) //d) CH(RISTV)Se) //f) ỊỌḤẠNNESg)

Kommentar

Die Kerben der Buchstaben sind gleichbleibend schmal geschlagen, die Sporen rechtwinklig angesetzt. Lediglich das E ist in unzialer Form wiedergegeben. Der Schrägschaft des N endet rechts noch oberhalb der Grundlinie. Der rechte Schaft setzt bereits knapp darüber an, so daß er den Sporn nicht berührt. Die rechte Buchstabenhälfte ist mithin leicht nach oben verschoben. Die Schrägschäfte des V treffen rechtwinklig aufeinander.

Die fast ausschließliche Verwendung kapitaler Buchstabenformen, die keinerlei Bogenschwellungen aufweisen, sowie die rechtwinklig angesetzten Sporen deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Entstehungszeit vor 1200 hin.5 Da sich auf Tympana innerhalb Deutschlands ganzfigurige plastische Darstellungen erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts nachweisen lassen, ist diese Arbeit vermutlich nicht früher angefertigt worden.6 Der nur angedeutete Faltenwurf der Kleider und die einfache Ausführung der Figuren rechtfertigen aber die Annahme, daß die Arbeit wohl bereits um die Jahrhundertmitte entstand.

Das Tympanon stellt gegenwärtig das einzige Indiz für die Entstehungszeit des zweiten Steinbacher Kirchenbaus dar, dessen Fundamente 1971/72 nachgewiesen werden konnten.7 Die Wiedergabe des hl. Jakobus d. Ä. belegt, daß sich das Patrozinium seither nicht geändert hat.

Textkritischer Apparat

  1. Der obere Bogen des C, das O und das nur undeutlich erkennbare B überputzt. Unterbrechung durch das obere Ende des Pilgerstabes.
  2. Unterbrechung der Inschrift durch das Haupt des hl. Jakobus d. Ä.
  3. Befund: IHVS. Ohne Kürzungszeichen. Das S kleiner ausgeführt und über das V gestellt.
  4. Unterbrechung der Inschrift durch das Haupt Christi.
  5. Befund: XC. Zwischen den Buchstaben ein Kürzungsbalken im oberen Zeilenbereich.
  6. Unterbrechung der Inschrift durch das Haupt des Apostels Johannes.
  7. Die ersten vier Buchstaben stark verwittert und teilweise überputzt. Das spitze S aus Platzgründen kleiner ausgeführt und im oberen Zeilenbereich nah an das voranstehende E herangesetzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Schwab, Baugeschichtliches 176.
  2. Vgl. zum spätgotischen Kirchenbau nr. 74 (Jz.). S. a. Schwab, Baugeschichtliches 176f., 179 (Abb.); Schwab, Pfarrkirchen 65.
  3. Vgl. Schwab, Baugeschichtliches 176; an dieser Stelle erstmals durch Reinfried (wie unten) bezeugt. Zum Bau der gegenwärtigen Pfarrkirche vgl. Schwab, Geschichte 17; Reinfried, Pfarrei Steinbach 100–102.
  4. Da nur der linke Kreis stärker ausgearbeitet ist, hat man darin irrtümlich das Steinbacher Stadtwappen (Mühlstein) erkennen wollen, das jedoch erst nach 1313 bezeugt ist. Vgl. zur Deutung als Wappenfigur Schwab, Geschichte 14; Harbrecht, Plastiken 4; Reinfried (wie unten); Die St. Jakobspfarrkirche zu Steinbach bei Bühl (wie unten). Zur Entwicklung des Stadtwappens vgl. F. Haßmann, [o. Titel], in: Zur Stadtgeschichte von Steinbach 56f.; Reinfried, Pfarrei Steinbach 84f.
  5. Siehe zum Vergleich DI 37 (Rems-Murr-Kr.) nr. 1 (Murrhardt, Tympanon, 1170/80); DI 47 (Böblingen) nr. 1 (Hildrizhausen, Tympanon, um 1180); DI 29 (Worms) nrr. 21 (Dom, Daniel-Relief, um 1165), 23 (Dom, Christus-Tympanon, um 1165); DI 63 (Bergstraße) nr. 5 (Steinbach, Grabplatte für N.N., 2. H. 12. Jh.). In DI 58 (Stadt Hildesheim) nr. 39 (Dom, Grabmal des Hermannus, 3. V. 12. Jh.) und DI 38 (Bergstraße) nr. 13 (Heppenheim, Rechtsinschrift, 3. V. 12. Jh.) ist stellenweise auch der oberhalb der Grundlinie endende Schrägbalken am N zu beobachten.
  6. Vgl. RDK, Bd. 2, Sp. 1003.
  7. Vgl. Schwab, Baugeschichtliches (wie unten) 175f.; ders., Pfarrkirchen 63f.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe 65/345, Neveu, Beschreibung, fol. 137v.
  2. Mone, Beiträge (1827) 155.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 143, Mone, Skizzenbuch, fol. 60v.
  4. Beust, Ritter 80.
  5. St. Jakobspfarrkirche Sp. 344.
  6. Reinfried, Pfarrei Steinbach 96.
  7. Harbrecht, Plastiken 3f. (Abb.).
  8. Zur Geschichte des Vimbucher Kirchspiels 6 (Abb.).
  9. Schwab, Geschichte 14.
  10. Schwab, Pfarrkirchen 66 (Abb.).
  11. Schwab, Baugeschichtliches 176 (Abb.).
  12. Schwab, Kirchenjubiläum 236 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 1 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0000109.