Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 539 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Museum 16.–17. Jh.?

Beschreibung

Spielwürfel. Nacrit (?).1 Ecken und Kanten sind abgefast, so daß der Polyeder insgesamt 26 quadratische, recht- und dreieckige Flächen aufweist. Auf den quadratischen Seitenflächen jeweils ein flach ausgehobenens Buchstabenpaar. Steht der Würfel auf der Fläche mit Inschrift (C), liest man auf den vier senkrecht stehenden Seitenflächen gegen den Uhrzeigersinn die Initialen (B). Die Oberseite trägt in dieser Position die Buchstaben (A). Die rechteckigen Fasen sind mit ein bis zwölf Augen versehen, die dreieckigen Flächen leer.

Maße: H. 2,5, Bu. 0,7–0,9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Baden-Baden [1/4]

  1. A

    NG

  2. B

    ND // TAa) // LSa) // SZa)

  3. C

    NHa)

Kommentar

Die freien Enden der Buchstabenbestandteile nehmen in der Regel keilförmig an Breite zu. Das A hat einen gebrochenen Balken. Der etwas verkürzte untere und der Mittelbalken des Z sind linksschräg gestellt.

Würfel dieser Art wurden in zahlreichen deutschen und österreichischen Ortschaften, aber auch in der römischen Nekropole Alba Julia (Rumänien, Alba) gefunden.2 Nach ungesicherter mündlicher Überlieferung soll es sich bei den Initialen um die Abkürzungen von folgenden Spielanweisungen handeln: N(IMM) G(ANZ), N(IMM) D(EINS), T(RITT) A(VS) bzw. T(RINK) A(VS), L(ASS) S(TEHEN), S(ETZE) Z(V) und N(IMM) H(ALB).3 Der Sinn des zugehörigen Spieles bestand seinen zumindest zu Beginn des 20. Jahrhunderts geltenden Regeln gemäß darin, die Summe von 100 Augen zu erreichen.4 Jeder Mitspieler besaß ein bestimmtes Kontingent an Spielsteinen, wozu offenbar Feuerbohnen dienten. Vermutlich mußte vor jedem Wurf ein bestimmter Einsatz in eine Kasse gegeben werden. Zeigte der Würfel eine Buchstabenkombination, so galt dann die entsprechende Aufforderung: Bei N(IMM) G(ANZ) gewann der Spieler den gesamten Inhalt der Kasse, bei N(IMM) H(ALB) die Hälfte, bei N(IMM) D(EINS) seinen Einsatz. T(RITT) A(VS) bedeutete hingegen den Ausschluß vom Spiel, L(ASS) S(EIN) ein dreimaliges Aussetzen, und auf S(ETZE) Z(V) mußte der Einsatz nochmals gezahlt werden. Aus der überlieferten Spielanleitung geht leider nicht hervor, inwiefern das Würfeln um Augen und Buchstaben miteinander verknüpft war.

Die Datierungsvorschläge zu Würfeln dieser Form schwanken zwischen einer Einordnung in das römische Altertum und das späte 18. bzw. 19. Jahrhundert.5 Die beschriebenen Buchstabenformen sprechen hier mehr für eine Entstehungszeit innerhalb des 16. oder 17. Jahrhunderts.6

Textkritischer Apparat

  1. Initialen stehen auf dem Kopf.

Anmerkungen

  1. Vermutung auf der Grundlage der Materialanalyse zu einem in Göttingen gefundenen Würfel derselben Gestalt, vgl. Helen Hofbauer, Ein polyedrisches Spielgerät aus Göttingen, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 56 (1987) 417–421, hier 417.
  2. Vgl. Hofbauer (wie Anm. 1) 417; Mit Glück und Verstand. Katalogbuch zur Ausstellung im Museum Schloß Rheydt vom 29. Juli bis 25. September 1994, hg. v. Christiane Zangs und Hans Holländer, Aachen 1994, 128f. nr. B 21; RDK, Bd. 1, Sp. 666f. (zu Abb. 7).
  3. Vgl. Hofbauer (wie Anm. 1) 418.
  4. Die folgende Erläuterung beruht auf einer nur teilweise nachvollziehbaren Spielanweisung nach I. Decker, Museen stehen noch vor einem Rätsel, in: Hannoversche Presse (Alfeld), Ausg. v. 30.1.1958, o. S., abgedr. in Hofbauer (wie Anm. 1) 419; Mit Glück und Verstand (wie Anm. 2) 129.
  5. Vgl. Hofbauer (wie Anm. 1) 417, 419.
  6. Vgl. zu dem markanten Z nrr. 308, 365, 458, 491, 528.

Nachweise

  1. KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Museum, Innerer Raum 8, Agley-Vitrine, o. S.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 539 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0053905.