Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 504 Gernsbach, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau nach 1626?

Beschreibung

Gewölbeschlußstein. Im nördlichen der beiden kreuzrippengewölbten Seitenschiffe; hier im dritten Joch von Westen über dem Eingang. Sandstein, farbig gefaßt. Runde Grundform; im zentralen Medaillon das nimbierte Symbolwesen des Evangelisten Markus, das ein weißes Schriftband hält. Darin der eingemeißelte und schwarz nachgezogene Name.

Maße: Dm. ca. 30, Bu. ca. 3 cm.

Schriftart(en): Verfremdete Frühhumanistische Kapitalis (?).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. S(ANCTVS) · M//ARCVSa)

Kommentar

Die Kerben der Buchstaben sind gleichbleibend schmal geschlagen. Das A hat einen kurzen, beiderseits überstehenden Deck- und einen gebrochenen Mittelbalken. Das M ist symmetrisch unzial und weit offen. Der Bogen und die gerade Cauda des R treffen zusammen, ohne den Schaft zu berühren. Den Mittelteil des S durchschneidet ein rechtsschräg gestellter Zierstrich. Als Worttrenner dient ein Punkt auf halber Zeilenhöhe.

Da die ältere Baugeschichte der Kirche, abgesehen von wenigen Eckdaten, bislang nur lückenhaft nachvollziehbar ist,1 läßt sich auch dieser Schlußstein nur vage datieren. Erschwerend kommt hinzu, daß die Schriftformen mit den Erkenntnissen der Bauforschung nicht recht vereinbar sind. Nach Krieg von Hochfelden soll die Kirche bereits 1401 vergrößert worden sein, obwohl sie erst kurz zuvor (1388) errichtet worden war.2 Da die Buchstaben jedoch nicht über die typischen Bogenschwellungen der späten Gotischen Majuskel verfügen, dürften sie weder 1388 noch 1401 ausgeführt worden sein.3 Diese Feststellung korrespondiert mit der Tatsache, daß mehrere Gewölbeschlußsteine im Langhaus das Wappen von Baden-Sponheim zeigen,4 das auf Siegeln nicht vor 1444 Verwendung fand.5 Nach stilistischen Indizien könnten die Deckengewölbe durchaus zum Ende des 15. Jahrhunderts erneuert worden sein.6 Allerdings läßt sich auch dieser Datierungsansatz nur bedingt mit dem Schriftbefund vereinbaren. Das typische Buchstabeninventar der um 1500 vielfach verwendeten Frühhumanistischen Kapitalis verfügt zwar über teilweise vergleichbare Formen, doch wurden diese hier nur in merkwürdig geringer Qualität umgesetzt.7 Vor allem irritiert die ungewöhnliche Gestaltung von M und S. In Anbetracht solcher Verfremdungen, aber auch der unbeholfenen Ausführung des figürlichen Reliefs scheint es naheliegender, von einer mangelhaften Kopie des verlorenen Originals auszugehen. Dieses könnte tatsächlich zum Ende des 15. Jahrhunderts entstanden sein, ist jedoch anderweitig nicht bezeugt. Im Jahre 1626 brannte der Turm der Kirche nach Blitzschlag bis auf die Grundmauern ab.8 Dabei hat das Feuer vermutlich auf die Dächer der angrenzenden Langhausjoche übergegriffen und die Gewölbe beschädigt. Im Zuge der lang hinausgezögerten Wiederherstellung9 wird man schließlich auch deren Schlußsteine unter Berücksichtigung der ursprünglichen Motive ersetzt haben.

Textkritischer Apparat

  1. Unterbrechung durch das linke Vorderbein des geflügelten Löwen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. Rastatt 154–157; Marbach, Liebfrauenkirche 6.
  2. Vgl. Krieg v. Hochfelden, Geschichte 282; Kdm. Rastatt 154; zum inschriftlichen Baudatum vgl. nr. 44.
  3. Vgl. zu den typischen Buchstabenformen der Gotischen Majuskel im Bearbeitungsgebiet Einl. Kap. 5.1, LXXIV–LXXVIII.
  4. Vgl. Kdm. Rastatt 154, 159.
  5. Vgl. Siegel, Bd. 1, o. S. Taf. 7 nr. 5.
  6. Vgl. Kdm. Rastatt 154.
  7. Vgl. zur Frühhumanistischen Kapitalis Einl. Kap. 5.3, LXXXIVf.
  8. Vgl. Hennl, Gernsbach 237; Kdm. Rastatt 156.
  9. Vgl. Hennl, Gernsbach 237.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 504 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0050405.